JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausgrabungen in der Zitadelle von<br />
Anuradhapura (Sri Lanka)<br />
Leiter<br />
Institution<br />
Förderung<br />
prof. Dr. Kay Kohlmeyer<br />
fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Studiengang<br />
Restaurierung / Grabungstechnik<br />
forschungsprojekt | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützte das Projekt<br />
mit Fördermitteln zur Übernahme der Kosten für eine Vorkampagne in<br />
Anuradhapura im Frühjahr 2007. | neu bewilligt<br />
Nagaraja, möglicherweise<br />
achtes / neuntes Jahrhundert n. Chr.<br />
Das im heutigen Sri Lanka gelegene Anuradhapura war der geschichtlichen Überlieferung<br />
zufolge vom fünften Jahrhundert v. Chr. bis zum elften Jahrhundert n. Chr.<br />
Hauptstadt der ceylonesischen Könige. Nach der Aufgabe der Stadt im Jahre 1073<br />
wurden ihre Paläste, Klöster, Stupas und Tempel vom Dschungel überwuchert und<br />
erst im 20. Jahrhundert teilweise oberflächlich wieder freigelegt. Anuradhapura<br />
gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO und zählt mit einer Ausdehnung von 40<br />
Quadratkilometern zu den größten antiken Ruinen weltweit. Innerhalb Südasiens ist<br />
Anuradhapura in zweierlei Hinsicht eine der wichtigsten Fundstätten überhaupt: Zum<br />
Einen handelt es sich aufgrund der außergewöhnlichen Architektur und der Existenz<br />
schriftlicher Quellen um einen Schlüsselort für die Archäologie Sri Lankas und der<br />
gesamten Region, der eine Lücke in der chronologischen wie materiellen Sequenz<br />
Ceylons füllt und als Grundlage für Untersuchungen zum Handel im Indischen Ozean<br />
dienen kann. Zum Anderen ist Anuradhapura von grundlegender Bedeutung für die<br />
Forschung zur Herausbildung der südasiatischen städtischen Zivilisation. Als befestigte<br />
Siedlung reicht der Ort in die »protohistorische Epoche« (900 – 500 v. Chr.)<br />
zurück und liefert eine außergewöhnliche Abfolge von Kulturschichten, die die Entwicklung<br />
einer früheisenzeitlichen Siedlung hin zu einer mittelalterlichen Metropole<br />
widerspiegeln. Erste Arbeiten in den 1980er und 1990er Jahren erlauben die Hypothese,<br />
dass die früheisenzeitliche Siedlung von Anuradhapura keine kleine Ansiedlung,<br />
sondern bereits eine Stadt war, was die bisherige Annahme in Frage stellt, dass<br />
die städtische Zivilisation in Sri Lanka erst um 500 v. Chr. Einzug erhielt.<br />
Ungeklärt ist bislang die Frage, ab wann genau Anuradhapura eine städtische<br />
Funktion innehatte und wann der Ort zum Zentrum einer Hochkultur mit Phänomenen<br />
wie Schrift und entwickeltem Bewässerungssystem wurde. Ziel eines archäologischen<br />
Forschungsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Kay Kohlmeyer ist<br />
es, auf der Grundlage der bisher in Anuradhapura vorgenommenen archäologischen<br />
Arbeiten weitere Daten zu Chronologie, Technologie und wirtschaftlichen Grundlagen<br />
zu gewinnen. Prof. Kohlmeyer konzentriert sich dabei auf die ca. 100 Hektar<br />
umfassende befestigte Zitadelle, das einstige administrative Zentrum von Anuradhapura.<br />
Geplant ist, dort in einer Tiefe von neun bis zehn Metern zu den ältesten, in<br />
die Zeit bis rund 900 v. Chr. zurückreichenden Siedlungsschichten vorzustoßen, die<br />
Schichten der frühhistorischen und eisenzeitlichen Epoche freizulegen und zu dokumentieren<br />
und so die Entwicklung sowie die Funktion der Architektur in Anuradhapura<br />
nachzuvollziehen.<br />
Im Rahmen einer von der <strong>Stiftung</strong> mit Fördermitteln unterstützten sechswöchigen<br />
Vorkampagne wurden im Berichtsjahr zunächst Reste der mittelhistorischen Epoche<br />
(300 – 1250 n. Chr.) untersucht. Dabei konnten vier Grubenhorizonte unterschieden<br />
werden, von denen zwei mit Schutt von Gebäuden aus Backziegeln und konstruktiven<br />
Steinelementen verfüllt waren, der wahrscheinlich im Zuge von Restaurierungsmaßnahmen<br />
abgelagert wurde und wohl ursprünglich einem östlich der Grabungsstelle<br />
gelegenen Schrein zuzuordnen ist. Die Forscher stießen dort überraschend auf<br />
mehrere Bestandteile einer Eingangstreppe: einen undekorierten »Mondstein«, zwei<br />
»Wächtersteine« mit Naga-Gottheiten und zwei reliefierte Seitenwangen mit der Darstellung<br />
eines Makara, eines mythischen Wesens aus Elefant, Löwe und Krokodil.<br />
Aus der frühhistorischen Epoche (100 – 300 n. Chr.) wurden intakte Architekturreste<br />
erfasst: Backziegelkammern mit und über einem ungewöhnlichen Terrazzo-Boden aus<br />
Kalkstein, der seitwärts abfallend von einem Kanal umfasst wird. Die Funktion dieser<br />
großen Installation ist bislang nicht endgültig geklärt. Sie versiegelt den älteren Siedlungshügel,<br />
von dem daher eine ungestörte Stratigraphie der mittleren und älteren<br />
frühhistorischen sowie der protohistorischen Periode zu erwarten ist.<br />
26