YogaVision-12 - Antje Kirchknopf
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Yoga-Philosophie<br />
zu einer Atembewegung. Kevala Kumbhaka ist<br />
das spontane Stillstehen der Atmung in tiefer<br />
Meditation. Dieses Stillstehen ist ein Ausdruck<br />
eines spezifischen Zustandes unseres Astralkörpers.<br />
Und es ist genau dieser Zustand des<br />
Pranakörpers, den Patanjali unter der vierten<br />
Stufe des Raja Yoga, Pranayama, versteht.<br />
Wenn unsere Meditation tiefer und tiefer<br />
wird, kann man beobachten, dass die Atmung<br />
zunehmend feiner und „dünner“ wird. Die<br />
Amplitude wird immer kleiner, die Menge<br />
Luft, die mit jedem Atemzug ein- und ausgeatmet<br />
wird, wird immer geringer. Wenn die<br />
Meditation noch tiefer wird, so geht der Atem<br />
„nicht mehr über die Nasenlöcher hinaus“.<br />
Dieses für unsere Wissenschaftler unerklärliche<br />
Phänomen wird als Kevala Kumbhaka,<br />
als meditativer Atem bezeichnet.<br />
Auf der Ebene des Kevala Kumbhaka steht<br />
der Atem still und unsere Pranamaya Kosha,<br />
der Pranakörper ist sozusagen mit dem kosmischen<br />
Pranakörper synchronisiert.<br />
Wenn wir nur unseren physischen Körper betrachten<br />
oder wenn wir ihn als getrennt von<br />
Geist und Energiekörper betrachten, so ist Kevala<br />
Kumbhaka tatsächlich nicht zu verstehen.<br />
Wenn wir aber die Luft als eine Art von Träger<br />
für das Prana betrachten, so können wir vielleicht<br />
verstehen, dass es uns ein bestimmter<br />
Zustand unseres Wesens erlaubt, Prana ohne<br />
den gewohnten Träger, direkt aus dem Kosmos<br />
aufzunehmen. Dieser Gedanke erklärt auch,<br />
wie es möglich ist, dass sich Yogis für mehrere<br />
Wochen und sogar Monate ohne Luftvorrat<br />
vergraben lassen können und wie Menschen<br />
über Jahre ohne Nahrung leben können!<br />
Lange vor der Zeit der ersten Hatha-Yogis, rund<br />
tausend Jahre früher, hat Patanjali bereits die<br />
enge Beziehung zwischen Prana und Geist<br />
erkannt und das Wissen dieser Beziehung<br />
in sein System des Ashtanga Yoga integriert.<br />
Hier, auf der Stufe des Pranayama stehen wir<br />
an der Brücke, die Hatha Yoga und Raja Yoga<br />
miteinander verbindet. Das Beeinflussen des<br />
Prana führt zur Kontrolle des Geistes - dies ist<br />
der Schlüssel zum Verstehen der zentralen<br />
Rolle, die Pranayamas im Hatha Yoga spielen,<br />
und dies ist auch der Grund, weshalb Patanjali<br />
der Kontrolle der Strukturen unseres Pranakörpers<br />
große Bedeutung beigemessen hat.<br />
Es ist eine sehr tiefgründige Logik hinter dem<br />
Aufbau und der Reihenfolge der einzelnen<br />
Stufen des Ashtanga Yoga. Jede Stufe, wenn<br />
sie zu einem sehr hohen Maß beherrscht<br />
wird, führt zu einem geradezu spontanen<br />
Erwachen und Öffnen der nächsten Stufe. So<br />
führt die Beherrschung von Asana, die völlig<br />
stille und entspannte Sitzstellung zu einem<br />
Stillwerden des Pranakörpers, was den Praktizierenden<br />
auf die vierte Stufe, Pranayama,<br />
erhebt und zu Kevala Kumbhaka führt. Das so<br />
auf tieferer Ebene kontrollierte Prana erhöht<br />
die Klarheit des Geistes und führt zur nächsten<br />
Stufe, der vorübergehenden Deaktivierung<br />
der Sinnesfunktionen, zu Pratyahara, die wir<br />
uns in der nächsten Ausgabe der YOGAVision<br />
ansehen werden.<br />
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Nr. <strong>12</strong> | Mai 2013