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" eben <strong>de</strong>r blen<strong>de</strong>nd weißen Uniform <strong>de</strong>s Luftwaffengenerals, <strong>de</strong>r als richterlicher<br />

Beisitzer fungierte, ist mir in Erinnerung, dass die Verteidiger in diesem einen<br />

Verfahren, das gewiss keine Verallgemeinerung zulässt, höflich-kühl behan<strong>de</strong>lt<br />

und korrekt angehört wur<strong>de</strong>n, dass sich auch <strong>de</strong>r Anklagevertreter korrekt verhielt<br />

und dass die Strafen eher unter <strong>de</strong>m blieben, was wir Verteidiger envartet haben.<br />

In diesem Fall ist mir als Verteidiger etwas für mich einmaliges passiert: beeindruckt<br />

von <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>s Schuldvorwurfs lind <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Strafe hatte ich mein<br />

Plaidoyer beson<strong>de</strong>rs sorgfältig vorbereitet, allch um nicht im Eifer <strong>de</strong>s Gefechts zu<br />

entgleisen. Da ließ <strong>de</strong>r Staatsanwalt zu meinem Entsetzen die Anklage fa llen, um<br />

meinen Mandanten unter einem an<strong>de</strong>ren, leichteren Gesichtspunkt anzuklagen.<br />

Nun konnte ich mein Manuskript unter <strong>de</strong>r l~ obe verschwin<strong>de</strong>n lassen, um im<br />

gewohnten til frei zu antworten - allch ein kleines Seiten licht zur Erhellung <strong>de</strong>r<br />

Strafverteidigung im Dritten Reich und <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s Verteidigers!"28<br />

Zu Ba<strong>de</strong>rs Kliem el gehörten Verfolgte und Opfer <strong>de</strong>s Unrechts taates: Ju<strong>de</strong>n<br />

und so <strong>de</strong>fini erte "jüdische Mischlinge", Katholiken und Vertreter <strong>de</strong>r katholischen<br />

Kirche, di enstentlassene Beamte. 1936/37 ve rtrat er di e jüdische Ge chäftsführerin<br />

ei ner Freiburger Korsetthandlung gegen ihre Angestellten und sah sich prompt im<br />

S-Blatt Der Führer a ngeprangert: Rechtsanwalt Ba<strong>de</strong>r hat "sich zu[m] Ju<strong>de</strong>ngenossen<br />

erniedrigt und da mit <strong>de</strong>r Verachtung <strong>de</strong>s Volkes preisgegeben" .29 un war<br />

die Vertretung jüdischer Mandanten durch N ichtpa rteimitglie<strong>de</strong>r wie Ba<strong>de</strong>r<br />

zunächst gar nicht verboten. Kaum ei ner wollte jedoch die mit <strong>de</strong>r a mensnennung<br />

in NS-Postillen fraglos einher gehen<strong>de</strong> Stigmatisierung und <strong>de</strong>n Verlust von Kli enten<br />

riskieren. Dass Ba<strong>de</strong>r sich auch weiterhin Rechtsuchen<strong>de</strong>r wie jenes lettischjüdischen<br />

Sw<strong>de</strong>men annahm, <strong>de</strong>n zu vertreten ihn das Schweizeri che Konsulat<br />

beauftragt hatte, illustriert sein e berufsethische Standfestigkeit und Unkorrumpierbarkeit.<br />

Seine verfolgte, sein e regimekritische Klientel wie<strong>de</strong>rum konnte sicher sein,<br />

dass sie bei ihm <strong>de</strong>n keineswegs meh r sei bstver tä ndl ichen Vertra uenssch utz genoss.<br />

Im Büro "am Martinstor, in das man von <strong>de</strong>r Sackgasse her über eine Art<br />

Hintertreppe kam " 30, betrat <strong>de</strong>r anwaltlichen Rat Suchen<strong>de</strong> quasi eine Enklave:<br />

"Lage und Größe waren unwichtig, wichtig nur, dass dieses Büro zwei Doppeltüren<br />

hatte, die jeweils innere gepolstert. Solche Doppeltüren zeigten in jenen Tagen eine<br />

merkwürdige Gemeinsamkeit, gleich ob dahinter ein Arzt, Rechtsanwalt o<strong>de</strong>r<br />

Makler hauste: sie erlaubten die Rückkehr Zllm eigentlichenlch. Viele haben jenen<br />

kleinen Raum in jenen Jahren betreten. 'Arier' und ' ichtarier', 'nichtarisch'<br />

ve1·sippte und wie die rassischen Kategorien sonst noch hießen, und immer wie<strong>de</strong>r<br />

geschah dasselbe. Kaum war die Doppeltür zum Vorzimmer, wo die brave,<br />

ahnungslose (o<strong>de</strong>r nichts ahnen wollen<strong>de</strong>) Sekretärin saß, geschlossen, kam das<br />

Innere <strong>de</strong>s Besuchers zum Vorschein. Es war wie eine Art geistigen Erbrechens.<br />

Zuerst ein Blick nach <strong>de</strong>m Telefon und nach <strong>de</strong>m hermetisch geschlossenen Fenster<br />

- dann ging es los. ZlIrückhaltend in <strong>de</strong>n ersten Sätzen, dann wie ein Sturzbach<br />

hervorquellend, ein Gemisch aus Empörung, Ekel und Scham, das Sichauflel?11en<br />

gegen Gewalt lind Unrecht, gegen D oppelzüngigkeit und offene Schamlosigkeit, die<br />

da draußen, jenseits <strong>de</strong>r Doppeltüren herrschten. Der Dauerbewohner besagten<br />

Büros, <strong>de</strong>ssen gewohnt und bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Prozedur weiter an <strong>de</strong>r Zigarre<br />

rauchend, musste warten, bis <strong>de</strong>r Anfall vorüber war. Dann konnte man darüber<br />

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