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Die Craniosacrale Osteopathie in der Sterbebegleitung

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So wurde ich an e<strong>in</strong> Sterbebett e<strong>in</strong>er über neunzig jährigen Frau gerufen. Sie konnte nicht<br />

mehr aufstehen. Dennoch turnte sie gefährlich im Bett herum und fiel deshalb <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorigen<br />

Nacht aus dem Bett. Somit wurden <strong>in</strong> Absprache mit den Bezugspersonen<br />

sicherheitsför<strong>der</strong>nde Hilfsmittel e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>in</strong> diesem Falle e<strong>in</strong>e grosse Zewidecke. <strong>Die</strong> Decke<br />

hilft zusammen mit Bettgittern, dass die Gefahr e<strong>in</strong>es Sturzes aus dem Bett nur noch sehr<br />

ger<strong>in</strong>g ist.<br />

Durch die e<strong>in</strong>geschränkte Bewegungsfreiheit wegen besagter Zewidecke, wurde die Frau<br />

noch etwas unruhiger. In <strong>der</strong> Phase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ich sie begleitete, sprach sie nicht mehr, war aber<br />

noch sehr aktiv und unruhig. Als ich am Abend an ihr Bett kam, traf ich e<strong>in</strong>e unruhige Frau<br />

an. <strong>Die</strong> Stimmung im Zimmer war we<strong>der</strong> ängstlich noch gespannt. Es war e<strong>in</strong>fach unruhig<br />

und bewegt.<br />

<strong>Die</strong> Frau konnte ke<strong>in</strong>en Schlaf f<strong>in</strong>den. Permanent versuchte sie e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Liegeposition zu<br />

f<strong>in</strong>den, was mit <strong>der</strong> Decke schwer zu bewerkstelligen war und sie turnte ausgiebig mit den<br />

Be<strong>in</strong>en. Damit sie mit den Be<strong>in</strong>en freies Spiel hatte, löste ich die Decke. Sie schrieb weiterh<strong>in</strong><br />

mit den Be<strong>in</strong>en Formen <strong>in</strong> die Luft. Mir erschien das e<strong>in</strong> ordentlicher Kraftakt <strong>in</strong> diesem<br />

hohen Alter. Als sie versuchte sich auf die rechte Seite zu drehen, half ich ihr, sich zu drehen.<br />

In dieser Seitenlage nahm ich über die Duraschaukel (craniosacraler Griff, <strong>der</strong> das<br />

H<strong>in</strong>terhauptsbe<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Hand und das Kreuzbe<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hand hält) sanft<br />

Kontakt mit ihrem craniosacralen System auf. Alle<strong>in</strong>e durch den Handkontakt auf Sacrum<br />

und Occiput wurde sie etwas ruhiger. <strong>Die</strong> Mittell<strong>in</strong>ie zeigte sich ohne me<strong>in</strong> Zutun und diese<br />

war breit und kräftig. Ich dachte an e<strong>in</strong>e breite und helle „Autobahn“. Der Rhythmus konnte<br />

sich frei und breit auf <strong>der</strong> Mittell<strong>in</strong>ie ausbreiten.<br />

Me<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit wurde dann auf den unteren Teil des Abdomens gelenkt und ich<br />

bemerkte dort e<strong>in</strong>e Verdichtung <strong>der</strong> Struktur. Auf duraler Ebene habe ich über diesem Bereich<br />

mit me<strong>in</strong>er Aufmerksamkeit „angeklopft“ und wartete. Es setzte e<strong>in</strong> Unw<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>, und es<br />

kam mir die Struktur des aufsteigenden Dickdarms <strong>in</strong> die Hand. Da drehte sich die Frau auf<br />

den Rücken zurück und ich erschloss mir über den rechten Fuss, welcher immer noch turnte,<br />

über e<strong>in</strong>en langen räumlichen Hebel und über die Faszie Zugang zum aufsteigenden<br />

Dickdarm.<br />

Ich nahm e<strong>in</strong> gefülltes Colon (Dickdarm) wahr. Mit sanfter Faszienarbeit, freier<br />

Aufmerksamkeit und viel Geschehen-lassen konnte ich Stück um Stück im Abdomen (Bauch)<br />

<strong>in</strong> Richtung des querliegenden Dickdarms wan<strong>der</strong>n. Dann setzten kräftige und ebenso kräftig<br />

riechende W<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>. Je mehr W<strong>in</strong>de abg<strong>in</strong>gen umso ruhiger wurde die Frau, bis sie<br />

schlussendlich zur Ruhe kam und e<strong>in</strong>schlafen konnte. Als sich die Ruhe und ihr Schlaf als<br />

stabil erwiesen, konnte ich nach Hause gehen.<br />

Im Gespräch mit <strong>der</strong> pflegenden Fachfrau stellte sich heraus, dass die Bewohner<strong>in</strong> immer<br />

schon an Verstopfungen und e<strong>in</strong>em trägen Darm gelitten hatte. In <strong>der</strong> Sterbesituation geriet<br />

dieser Fokus etwas <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, da abführende pflegerische Massnahmen zu belastend<br />

gewesen wären.<br />

Später erfuhr ich, dass die Bewohner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gute Nacht verbr<strong>in</strong>gen konnte. Am an<strong>der</strong>n Tag<br />

liessen die Kräfte soweit nach, dass sie friedlich und im Beise<strong>in</strong> ihrer Bezugspersonen<br />

e<strong>in</strong>schlafen konnte.<br />

<strong>Die</strong>se Situation zeigte mir, dass diese Hilfestellung s<strong>in</strong>nvoll war. <strong>Die</strong> Frau hatte e<strong>in</strong>e gute<br />

Nacht verbr<strong>in</strong>gen können. Es ist auch e<strong>in</strong>leuchtend, dass <strong>der</strong> Körper nicht zur Ruhe kommen<br />

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