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Die Craniosacrale Osteopathie in der Sterbebegleitung

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Se<strong>in</strong>e gefalteten Hände lagen nun entspannt auf dem Bauch. Er betrachtete sie ausgiebig und<br />

versonnen und er schien e<strong>in</strong>en wichtigen <strong>in</strong>neren Kontakt zu f<strong>in</strong>den. Es breitete sich e<strong>in</strong>e<br />

vertiefte und ruhige Atmosphäre im Raum aus, und ich erlebte das Geschehen als Stillpo<strong>in</strong>t.<br />

Ich blieb auf me<strong>in</strong>em Horchposten sitzen und beobachtete den Raum und das Geschehen <strong>in</strong><br />

freier Aufmerksamkeit.<br />

Der Stillpo<strong>in</strong>t dauerte an und die Entspannung konnte sich bei ihm auf körperlicher und<br />

darauf folgend auch auf geistiger Ebene ausbreiten. Er schloss die Augen und glitt langsam <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en ruhigen Schlaf. Ich nahm das erlebte Geschehen als tiefe Ressource wahr. Ich blieb still<br />

bei ihm sitzen und liess ihn schlafen und ruhen.<br />

Lei<strong>der</strong> wurde er nach e<strong>in</strong>er guten halben Stunde von <strong>der</strong> diensthabenden Pflegefachfrau<br />

gestört. Der Arzt hatte e<strong>in</strong>e Infusion mit Schlafmitteln zur Nacht verordnet, damit <strong>der</strong> Patient<br />

nicht wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die gleiche Unruhe wie <strong>in</strong> den vergangenen Nächten verfallen konnte. Ich bat<br />

die Pflegefachfrau um etwas Aufschub, da <strong>der</strong> Patient jetzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schönen Ruhe war. Sie<br />

war sich nicht sicher, ob die Verordnung auch später ausgeführt werden dürfe, und wollte sich<br />

deshalb lieber an die Verordnung und das Zeitschema halten. Da wir im Hospizdienst<br />

Begleitpersonen s<strong>in</strong>d, haben wir ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf mediz<strong>in</strong>ische Verordnungen, was auch<br />

richtig ist. In diesem Fall jedoch wäre etwas mehr zeitlicher Spielraum schön gewesen.<br />

<strong>Die</strong> Pflegefachfrau weckte also den schlafenden Patienten und legte die subcutane Dormicum<br />

Infusion. Dormicum ist e<strong>in</strong> starkes Schlafmittel, das oft auch retrograde Amnesien hervorruft.<br />

<strong>Die</strong> Leute wissen im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nicht mehr was mit ihnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schlafphase geschah. Oft<br />

wird dieses Medikament auch für Untersuchungen wie zum Beispiel Magenspiegelungen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Auf das Legen <strong>der</strong> Infusion folgte wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e unruhigere Phase, jedoch war diese nicht mehr<br />

vom starken Bewegungsdrang geprägt. Nach e<strong>in</strong>er guten Stunde schlief <strong>der</strong> Mann tief, da <strong>der</strong><br />

Schlafmittelspiegel im Blut so hoch war, dass er nicht an<strong>der</strong>s als schlafen konnte. <strong>Die</strong> beiden<br />

Schlafphasen nahm ich jedoch als verschieden wahr. Den Schlaf, den er selber über den<br />

Stillpo<strong>in</strong>t f<strong>in</strong>den konnte hatte mit gefundener Ruhe im System zu tun. Der Schlaf mit den<br />

Schlafmitteln hatte mehr den Charakter e<strong>in</strong>es ruhiggestellten Systems. Der Mann bewegte<br />

sich kaum noch und er hatte e<strong>in</strong>en abwesenden Gesichtsausdruck.<br />

<strong>Die</strong> gemachte Erfahrung, den Stillpo<strong>in</strong>t im Gespräch zu erkennen und zu begleiten, erlebte ich<br />

als sehr bereichernd, auch wenn am Schluss, durch das frühzeitige Wecken noch e<strong>in</strong><br />

Wermutstropfen dem Erlebten e<strong>in</strong>en leicht bitteren Beigeschmack verlieh.<br />

4.3. Wenn nichts mehr nötig ist<br />

An e<strong>in</strong>em Nachmittag erhielt ich den Anruf <strong>der</strong> Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizgruppe, da sie kurzfristig<br />

jemanden an e<strong>in</strong> Sterbebett brauchte. Sie me<strong>in</strong>te die Frau könne e<strong>in</strong>fach nicht gehen und die<br />

Familie brauche zwischen den <strong>in</strong>tensiven Phasen Erholung. Ich war vorgesehen von 17 Uhr<br />

bis 23 Uhr am Sterbebett zu begleiten, bis die Familie wie<strong>der</strong> übernehmen würde.<br />

<strong>Die</strong> Frau war wirklich <strong>in</strong> den letzten Kräften noch gebunden und es war ebenso ersichtlich,<br />

dass sie ihre letzten Kräfte sehr bald gelöst haben würde. <strong>Die</strong> betreuende Pflegefachfrau hatte<br />

die Familie über den plötzlich schnellen Verlauf <strong>in</strong>formiert. <strong>Die</strong> Familie war auf dem Weg<br />

und so blieb ich bis die Angehörigen e<strong>in</strong>trafen.<br />

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