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Die Craniosacrale Osteopathie in der Sterbebegleitung

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konnte, wenn W<strong>in</strong>de und e<strong>in</strong> übervoller Darm auf das untere vegetative Nervensystem<br />

drücken.<br />

4.2 Den Stillpo<strong>in</strong>t im Gespräch erkennen<br />

<strong>Die</strong>ses Beispiel möchte ich aufführen, da es repräsentativ für viele Gesprächssituationen ist.<br />

Wenn wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit an e<strong>in</strong> Sterbebett gerufen werden, haben wir kaum<br />

Informationen über den Sterbenden. <strong>Die</strong> wichtigsten mediz<strong>in</strong>ischen Auskünfte werden nur<br />

soweit erteilt, dass wir die momentane Situation e<strong>in</strong>schätzen können. Auch die familiäre<br />

Situation wird nur soweit beleuchtet, dass wir die wichtigsten Beziehungen und auch die<br />

dr<strong>in</strong>glichsten Probleme erfahren. Ansonsten gehen wir unbelastet und ohne viel Vorwissen <strong>in</strong><br />

die Begleitung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />

Der Mann, den ich begleiten durfte, litt an e<strong>in</strong>em Bronchuskarz<strong>in</strong>om mit multiplen<br />

Metastasen. Er war schon sehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Kräften reduziert. Das Sprechen fiel ihm bed<strong>in</strong>gt<br />

durch die Atemnot schon schwerer. Er hatte e<strong>in</strong>e Sauerstoffsonde, die ihm etwas<br />

Erleichterung verschaffte. <strong>Die</strong> vorhergehenden Nächte hatten sich durch e<strong>in</strong>e nicht zu<br />

fassende Unruhe ausgezeichnet. Er stand auf und legte sich gleich wie<strong>der</strong> h<strong>in</strong>. Er wan<strong>der</strong>te im<br />

Zimmer umher, um sich gleich wie<strong>der</strong> h<strong>in</strong>zulegen. Im Bett drehte und wendete er sich ohne<br />

Unterlass. Ke<strong>in</strong>e Liegeposition war ihm angenehm genug, so dass er hätte e<strong>in</strong>schlafen<br />

können. Es war für ihn und die Begleitpersonen sehr anstrengend gewesen.<br />

Ich begann me<strong>in</strong>en Abende<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>der</strong> darauffolgenden Nacht um 19 Uhr. Der Mann war<br />

noch wach. Ich stellte mich ihm vor und er f<strong>in</strong>g mit mir zu plau<strong>der</strong>n an. Er hatte e<strong>in</strong>en<br />

Schreibblock und e<strong>in</strong>en Stift <strong>in</strong> den Händen und ich realisierte, dass <strong>der</strong> Block und <strong>der</strong><br />

Schreibstift sehr wichtig für ihn waren.<br />

Er begann mich zu <strong>in</strong>terviewen. Er fragte mich aus, wo ich wohne, was ich beruflich mache,<br />

ob ich verheiratet sei, K<strong>in</strong><strong>der</strong> habe und so weiter. Ich beantwortete ihm die Fragen, da ich<br />

me<strong>in</strong>e, er darf wissen, mit wem er die nächsten Stunden verbr<strong>in</strong>gen wird.<br />

Immer wie<strong>der</strong> machte er sich Notizen und ordnete diese auf dem Notizblock. Plötzlich me<strong>in</strong>te<br />

er genug über mich zu wissen und fragte mich, ob ich etwas über ihn wissen wolle. Im<br />

Zimmer stand e<strong>in</strong>e P<strong>in</strong>nwand an <strong>der</strong> Fotos angeheftet waren und ich fragte ihn, wer diese<br />

Menschen auf den Fotos seien. Es waren Abbildungen, die ihn mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zeigten, etwa auf<br />

e<strong>in</strong>er Wan<strong>der</strong>ung, bei Familienfeiern und so weiter.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf dem Foto waren se<strong>in</strong>e Nichten. Ich erfuhr, dass er und se<strong>in</strong>e frühverstorbene<br />

Ehefrau ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> gehabt hatten, dass se<strong>in</strong>e jetzige Lebenspartner<strong>in</strong> nicht im gleichen<br />

Haushalt mit ihm lebe, und dass sie zusammen e<strong>in</strong>e sehr schöne und reiche Beziehung hätten.<br />

Er erzählte mir, dass sie gerne geme<strong>in</strong>same Radtouren unternehmen und das Wan<strong>der</strong>n ihm<br />

beson<strong>der</strong>s Freude mache. All das Erzählte nahm ich als wichtig wahr, es hatte aber mehr<br />

Erzähl- o<strong>der</strong> Smalltalk Charakter, denn er baute die e<strong>in</strong>zelnen Themen nicht weiter aus.<br />

Ich sprach ihn auf se<strong>in</strong>en Beruf an. Mit Begeisterung schil<strong>der</strong>te er mir se<strong>in</strong>en Werdegang als<br />

Masch<strong>in</strong>enbauer und wie er, bed<strong>in</strong>gt durch se<strong>in</strong>en Beruf, gerne auf Reisen g<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auf Montage. Er liess sich im Lauf se<strong>in</strong>es Werdegangs <strong>in</strong> Deutschland zum Galvanikmeister<br />

ausbilden. Galvaniseur! Er wie<strong>der</strong>holte diese Sätze und das Wort Galvaniseur zwei drei Mal<br />

und es kam mir vor, als ob se<strong>in</strong> System <strong>in</strong> diesen Sätzen auf e<strong>in</strong>en Stillpo<strong>in</strong>t zusteuerte. Und<br />

das Wie<strong>der</strong>holen <strong>der</strong> gleichen Sätze ihn an e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Ort führte, wo er e<strong>in</strong>erseits zur Ruhe<br />

kam und an<strong>der</strong>erseits e<strong>in</strong> vertiefter Austausch mit se<strong>in</strong>em Innern stattf<strong>in</strong>den konnte.<br />

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