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Die Craniosacrale Osteopathie in der Sterbebegleitung

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2. Leben und Sterben<br />

Zunächst möchte ich zu den Begriffen Leben und Sterben e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>leitende Gedanken<br />

anführen. Es ist mir klar, dass ich dieses Konzept nur streife und nicht vertieft herausarbeiten<br />

kann. Ich versuche <strong>in</strong> wenigen Worten die drei Ebenen Körper – Geist – Seele <strong>in</strong> dieser<br />

Verb<strong>in</strong>dung kurz zu beleuchten.<br />

Unsere Existenz wendet sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie dem Leben zu. Körper, Geist und Seele s<strong>in</strong>d auf<br />

„Leben“ ausgerichtet. <strong>Die</strong>s ist e<strong>in</strong>e starke Kraft. Wird an dieser Kraft gefährlich heftig<br />

gerüttelt, wehrt sie sich dagegen.<br />

Neurophysiologisch und physiologisch s<strong>in</strong>d wir so konzipiert, dass alle unsere körperlichen<br />

und physiologischen Systeme versuchen auf die Erhaltung des Lebens zu schalten, wenn das<br />

Leben aus irgende<strong>in</strong>em Grund bedroht ist. <strong>Die</strong>s kann durch e<strong>in</strong>e Krankheit, e<strong>in</strong>en Unfall o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e massive körperliche, geistige o<strong>der</strong> seelische Stresssituation se<strong>in</strong>. Unser Körper wird<br />

versuchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> bedrohlichen Situation e<strong>in</strong> Gleichgewicht <strong>in</strong> Richtung Homöostase<br />

anzustreben. <strong>Die</strong> Homöostase dient <strong>der</strong> Konstanterhaltung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>neren Milieus, das durch<br />

Regulation zustande kommt. Aus <strong>der</strong> phylogenetischen Entwicklung des Menschen wird das<br />

Leben <strong>in</strong> den seltensten Fällen kampflos aufgegeben. <strong>Die</strong>s geschieht nur dann, wenn die<br />

„Option Tod“ die bessere Lösung als <strong>der</strong> Kampf darstellt. <strong>Die</strong> Überlebensstrategie, die <strong>der</strong><br />

Körper sich jeweils sucht, hängt mit unserer neurologischen Verschaltung und den<br />

dazugehörenden hormonellen Systemen zusammen. Dr. Stephen Porges hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Forschungen wichtige Erkenntnisse <strong>in</strong> diesem Zusammenhang gefunden. (Stephen Porges:<br />

Polyvagale Theorie und Neuroception) [1]<br />

<strong>Die</strong>s ist aber nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Teile. Denn wir s<strong>in</strong>d nicht nur gut funktionierende Ökosysteme, wir<br />

s<strong>in</strong>d sehr viel mehr.<br />

Wir Menschen haben e<strong>in</strong>en Schaffensdrang, uns mit dem eigenen Leben auf <strong>der</strong> Welt zu<br />

manifestieren und Spuren zu h<strong>in</strong>terlassen. <strong>Die</strong> e<strong>in</strong>en tun es bewusst, die an<strong>der</strong>en unbewusst.<br />

Vielleicht könnte man diese Schaffenskraft auch Ausdruck des Ich nennen. Auch diesen Teil<br />

des Lebens geben wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht kampflos auf. Sterben bedeutet dieses handelnde,<br />

fühlende und denkende Ich loszulassen. Im Sterben entfernen wir uns von unserer Ich<br />

Identität und müssen im Lösen dieser Kraft auch all das von uns Geschaffene, Gefühlte und<br />

Gedachte h<strong>in</strong>ter uns lassen. <strong>Die</strong>ser Abschied braucht ebenso Zeit und Geduld, weil wir all das,<br />

was uns nach aussen greifbar, spürbar und erlebbar macht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Dimension br<strong>in</strong>gen<br />

müssen, die nicht mehr von dieser Welt ist.<br />

<strong>Die</strong> Frage nach dem S<strong>in</strong>n des Lebens trifft jeden Menschen irgendwann. Oft werden diese<br />

Fragen relevanter und dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> behandelt, wenn wir an e<strong>in</strong>er Schwelle, an e<strong>in</strong>em Übergang<br />

im Leben ankommen. <strong>Die</strong>s trifft <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zu, wenn die Begrenzung des Lebens spürbar<br />

wird und im Bewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Menschen e<strong>in</strong>en festen Platz e<strong>in</strong>nimmt. <strong>Die</strong>s kann durch e<strong>in</strong>e<br />

schwere Krankheit, e<strong>in</strong>en Unfall o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Schicksalsschlag geschehen. Vielleicht setzen wir<br />

uns mit unserer Begrenzung, unserer Sterblichkeit auch freiwillig ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Stehen wir an Übergängen und Zäsuren <strong>in</strong> unserem Leben, müssen wir lernen loszulassen, um<br />

das Neue, An<strong>der</strong>e begrüssen zu können. Das s<strong>in</strong>d starke Lebensprozesse, die man auch mit<br />

Sterben bezeichnen könnte. Das Sterben führt nicht immer zum körperlichen Tod. Manchmal<br />

sterben Aspekte, Ideen, Ausrichtungen, Konzepte, Beziehungen, Lebensl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> uns und<br />

führen uns und unser Leben <strong>in</strong> neue Qualitäten, die e<strong>in</strong>em Wachstumsprozess gleichkommen.<br />

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