PDF - Institut für Kommunikationsnetze und Rechnersysteme ...
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110 Bewertung der Szenarien<br />
Die Rufbereitschaft ist aber keine Arbeitszeit im Sinn der Arbeitszeitordnung, 246 so dass der<br />
Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht eröffnet ist. Zutreffend ist<br />
zwar, dass die Rufbereitschaft mit einer Einschränkung der Möglichkeit des Beschäftigten,<br />
seine Freizeit nach Belieben zu gestalten verb<strong>und</strong>en ist, diese Einschränkung führt aber nicht<br />
dazu, dass die Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit anzusehen ist.<br />
3.2.2 Arbeitsvertrag<br />
Da die Kontrolle der Ortsdaten der Mitarbeiter in der Freizeit nicht mitbestimmungspflichtig<br />
ist, muss die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung an § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG gemessen<br />
werden. Sie müsste der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses dienen. Dies ist<br />
jedoch zu verneinen. Der Hinweis, dass die Mitarbeiter auch im „Notfall“ außerhalb der Arbeitszeit<br />
erreichbar sein sollen, ist nicht ausreichend <strong>für</strong> die Darlegung eines berechtigten Interesses.<br />
Je nach der betrieblichen Einzelsituation kann die Einführung einer Rufbereitschaft<br />
ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers darstellen, wenn es zum Beispiel bei Störungen zu<br />
spürbaren Produktionseinbußen kommen kann. Die Einführung der Rufbereitschaft kann<br />
durch den Arbeitgeber vorgenommen werden, da ihm das Recht obliegt, das Arbeitsverhältnis<br />
einseitig zu gestalten (Direktionsrecht). 247 Die Befugnisse des Arbeitgebers zur Ausübung des<br />
Direktionsrechts sind allerdings durch das Arbeitnehmerschutzrecht, das Betriebsverfassungsrecht<br />
<strong>und</strong> die Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB eingeschränkt. 248 Die Rufbereitschaft<br />
setzt in der Regel nur voraus, dass ein Mitarbeiter während der Bereitschaftszeit erreichbar ist<br />
<strong>und</strong> ein turnusmäßiger Wechsel der Bereitschaftsdienst leistenden Mitarbeiter erfolgt. Daraus<br />
folgt, dass die Rufbereitschaft keinesfalls die Überwachung aller Mitarbeiter während der<br />
Freizeit deckt. Ein berechtigtes Interesse des Abreitgebers an der Verarbeitung der während<br />
der Freizeit der Arbeitnehmer anfallenden Ortsdaten besteht nicht.<br />
In diesem Zusammenhang offenbart sich aber deutlich das Problem der zunehmenden Untrennbarkeit<br />
der Bereiche Arbeit <strong>und</strong> Freizeit durch den wachsenden Einsatz mobiler Informations-<br />
<strong>und</strong> Kommunikationstechnologien. Bisher sind gerade im Arbeitsrecht häufig der Ort<br />
oder die Zeit klare Anknüpfungspunkte <strong>für</strong> eine Trennung dieser beiden Bereiche. In Zukunft<br />
werden die Grenzen immer fließender werden <strong>und</strong> es wird erforderlich sein, neue Unterscheidungskriterien<br />
zu entwickeln. 249<br />
246<br />
247<br />
248<br />
249<br />
BVerwGE 59, 45 <strong>und</strong> 176.<br />
Schaub/Koch/Link 2004, § 31 VI. 1.a), 139.<br />
Schaub/Koch/Link 2004, § 31 VI. 1.c), 134.<br />
Ausführlich zur Aufhebung der Trennung zwischen Arbeitsplatz <strong>und</strong> Privatsphäre als soziale Folge der Einführung<br />
von mobilen Agenten im Arbeitsleben, Steidle 2005, 75.