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"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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Ansicht von vielen Autoren, die sich mit Traumatisierungen durch politische Gewalt beschäftigen,<br />

nicht geteilt, denn „das Schweigen und das Vergessen, die Gleichgültigkeit und die<br />

Straffreiheit stellen das tragische und düstere Geheimnis der Folterstätten immer wieder neu<br />

her und begünstigen die ständige Wiederkehr dieses verbreiteten Übels“. 55<br />

Judith Herman beschreibt in ihrem Standardwerk „Trauma and Recovery“ umfangreich, auf<br />

wie viele Facetten bei der Ausgestaltung dieser ersten Phase geachtet werden sollte. 56 Da<br />

Überlebende die Unsicherheit auf den verschiedenen Ebenen erführen, wie auf der ihres<br />

eigenen Körpers, ihrer Emotionen und Gedanken und in der Beziehung zu Anderen, müsse<br />

dies alles mit einbezogen werden. Dabei müsse das Wiedererrichten von Sicherheit beim<br />

eigenen Körper beginnen und auf die Kontrolle der Umgebung ausgeweitet werden.<br />

Während bei der Rückgewinnung von Kontrolle über den Körper wichtig sei, den grundsätzlichen<br />

körperlichen Bedürfnissen wie Schlaf, Essen und Kontrolle von suizidalem Verhalten<br />

Aufmerksamkeit zu widmen, gehe es bei der Herstellung von Sicherheit in der Umgebung<br />

darum, eine sichere Wohnsituation, finanzielle Sicherheit und Mobilität zur Verfügung<br />

zu stellen. 57 So sei es eine der wichtigsten Aufgaben der Krisenintervention, einen<br />

sicheren Zufluchtsort zu schaffen, von dem aus sich der Überlebende nach und nach wieder<br />

in die Welt hervorwagen und auf Menschen im sozialen Umfeld zugehen könne. 58 Einflüsse<br />

von außen, wie die Zeugenschaft bei einer strafrechtlichen Verfolgung der Täter, könnten<br />

sich, laut Herman, in dieser Phase der Verarbeitung negativ auswirken. Zudem dürfe das<br />

Herstellen von Sicherheit nicht mit der Heilung eines Traumas verwechselt werden. Denn<br />

selbst wenn die Symptome nachließen, könne das Trauma auf dieser Stufe noch nicht verarbeitet<br />

werden. 59<br />

Schließlich sei es eine der am häufigsten vorkommenden Fehlannahmen, die Bedeutung<br />

und den Umfang dieser ersten Phase zu unterschätzen und von einer einmaligen gewaltsamen<br />

kathartischen Heilung auszugehen, nach der die Überlebenden, befreit von dem<br />

Leiden des Traumas, ihr Leben wieder aufnehmen könnten. 60<br />

Nach Reddemann und Sachsse geht es in dieser Phase nicht darum, traumatisches Material<br />

zu erinnern, sondern gezielt in einen „inneren Tresor“ zu verdrängen. Da die Erfahrungen<br />

nicht auf einmal verarbeitet werden könnten, sei es wichtig, sie zu kontrollieren und positive<br />

Gegenbilder zu schaffen. Damit werde der Prozess der Vermeidung gezielt unterstützt und<br />

therapeutisch genutzt. 61<br />

55 Viñar, M./ Viñar, M., Folter, 1997, S. 71.<br />

56 Herman, J. L., Trauma, 1997, S.155-174.<br />

57 Vgl. Herman, J. L., Trauma, 1997, S. 160.<br />

58 Vgl. ebd., 1997, S. 162.<br />

59 Vgl. ebd., S. 165.<br />

60 Vgl. ebd., S. 172.<br />

61 Vgl. Reddemann, L./Sachsse, U., Behandlungsstrategien, 1998.

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