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"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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bekommen. Das ist die Realität. Es ist besser, Frieden zu haben und keine Gerechtigkeit,<br />

anstatt Gerechtigkeit um den Preis des Friedens“. 7 In diesem Sinne konzentriert sich die<br />

Security-First-Strategie im Wesentlichen auf die Wiederherstellung eines staatlichen Gewaltmonopols,<br />

die Liberalization-First-Strategie auf Demokratisierung sowie die Einführung<br />

marktwirtschaftlicher Elemente und die <strong>Institut</strong>ionalization-First-Strategie auf den Aufbau<br />

legitimer und effektiver staatlicher <strong>Institut</strong>ionen. Im Unterschied zu diesen drei Strategien<br />

setzt die Civil-Society-Strategie auf bottom-up-Prozesse, denen die Annahme zu Grunde<br />

liegt, dass dauerhafter Frieden „von unten“ wachsen müsse. Grundlage in dieser Strategie ist<br />

die Veränderung gesellschaftlicher Normen, die sozial-psychologische Bewältigung des<br />

Krieges, beispielsweise durch Traumabearbeitung, und insbesondere das Voranbringen<br />

eines Versöhnungsprozesses zwischen den Konfliktparteien. 8<br />

Die Einsetzung von Wahrheitskommissionen, beispielsweise in Südafrika, Peru und Sierra<br />

Leone, wurde unter dem Ansatz verfolgt, durch das Aufdecken der Ereignisse, das Erzählen<br />

der Erlebnisse und die offizielle Bestätigung der Erfahrungen heilend auf die psychischen<br />

Wunden der Opfer einzuwirken und damit einen nationalen Versöhnungsprozess einzuleiten.<br />

Insbesondere die große Öffentlichkeit der südafrikanischen Wahrheitskommission und die ihr<br />

inhärente Amnestierungsregelung führten dazu, dass das Aufdecken der Wahrheit und das<br />

Wiedererleben der Ereignisse der Vergangenheit mit der anschließenden Vergebung durch<br />

die Opfer als Grundlage einer Versöhnung wahrgenommen wurden. Doch wurden mit der<br />

Einrichtung des International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia im Jahr 1993 und<br />

des International Criminal Tribunal for Rwanda im Jahr 1994 Straftribunale geschaffen, die<br />

zwar auf der einen Seite durch die strafrechtliche Zielvorgabe eine starke Täterorientierung<br />

haben, auf der anderen Seite jedoch auch beanspruchen, durch die Bestrafung der Täter in<br />

stärkerem Maße auf die Bedürfnisse der Opfer einzugehen als Wahrheitskommissionen und<br />

damit nationale Versöhnung voranzubringen. 9 Mit diesem durchaus therapeutischen Anspruch,<br />

den Straftribunale gerade auch im Hinblick auf den Versöhnungsprozess einer Gesellschaft<br />

eingenommen haben, verwischen die Grenzen, die zwischen der Versöhnungsoption<br />

und der Verfolgungsvariante als zwei gegensätzlichen Formen von Vergangenheitsbewältigung<br />

gesetzt worden sind. Sowohl Be<strong>für</strong>worter des Instruments Wahrheitskommission<br />

als auch Be<strong>für</strong>worter des Instruments Straftribunal nehmen von dem von ihnen<br />

präferierten Instrument an, durch die jeweils zu Grunde liegende Konzeption könne besser<br />

auf die Bedürfnisse der Opfer eingegangen werden, was schließlich in einen Versöhnungsprozess<br />

münde. So liegt beiden Instrumenten die Annahme zu Grunde, sowohl auf individueller<br />

als auch <strong>kollektiver</strong> Ebene therapeutische Wirkungen erzielen zu können.<br />

7 Zitiert in: Ferdowsi, M. A./Matthies, V., Problemdimensionen, 2003, S. 345.<br />

8 Vgl. Schneckener, U., Frieden, 2005, S. 25.<br />

9 Siehe dazu beispielsweise Antonio Cassese in: Stover, E./Weinstein, H. M., Introduction, 2004, S. 4.

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