"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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Die zweite das Mandat betreffende Komponente ist die Zeitspanne, die von der Wahrheitskommission<br />
untersucht werden soll. Gerade hinsichtlich der Legitimität einer Wahrheitskommission<br />
ist von großer Bedeutung, ob alle <strong>für</strong> die Untersuchung relevanten Perioden im<br />
Arbeitsauftrag erfasst worden sind. Schließlich ist dieser Faktor ein Indikator da<strong>für</strong>, ob der<br />
politische Wille besteht, die Kriegsverbrechen aller beteiligten Parteien gleichermaßen zu<br />
untersuchen. Mandate können danach unterschieden werden, ob sie umfassend alle Phasen<br />
der Gewalt umschließen oder ob selektiv nur einzelne Phasen untersucht werden sollen.<br />
Eng damit zusammenhängend ist die dritte Komponente, die sich darauf bezieht, ob Teile<br />
des Landes oder bestimmte Regionen von den Untersuchungen ausgeschlossen sind. Obwohl<br />
in den in der Studie untersuchten Mandaten keine Regionen von den Untersuchungen<br />
ausgeschlossen worden waren, erwies es sich in der Realität der kriegsgebeutelten Gesellschaften<br />
teilweise als sehr schwierig, in abgelegene Gebiete vorzudringen. Zudem hinderten<br />
Sicherheitsdefizite die Mitarbeiter der Kommissionen daran, Untersuchungen im ganzen<br />
Land durchzuführen.<br />
Einer der wohl sensibelsten und nicht selten am schwierigsten auszuhandelnden Bereiche ist<br />
die Frage, inwiefern eine Wahrheitskommission juristische Befugnisse haben sollte. Nicht nur<br />
die Aushandlungsprozesse im Vorfeld der Einsetzung von Wahrheitskommissionen verhindern<br />
dies oftmals, sondern auch Bedenken, inwiefern die Kommissionen die Kapazitäten<br />
dazu haben, gerechte Verfahren zu garantieren. Mandate können hierbei danach unterschieden<br />
werden, ob sie eine Vorladungsbefugnis und andere Befugnisse haben und ob eine<br />
Zusammenarbeit mit dem nationalen Gerichtssystem vorgesehen ist. Beispielsweise hatte<br />
die argentinische Wahrheitskommission selbst keine juristischen Befugnisse, konnte aber die<br />
Beweisführung der Gerichte unterstützen. Demgegenüber wurden der südafrikanischen TRC<br />
mit der Möglichkeit, Amnestien auszusprechen, klare juristische Befugnisse in die Hand<br />
gegeben. Ein damit eng verbundenes Instrument stellt die Befugnis dar, die Identität der<br />
Täter zu veröffentlichen. In einem Mandat kann entweder explizit verlangt werden, Namen zu<br />
nennen oder zu verschweigen. Die Bekanntgabe der Täteridentität wird nicht selten als eine<br />
Art der moralischen Sanktionierung wahrgenommen, die eine große Bedeutung gerade dann<br />
hat, wenn angenommen wird, dass reguläre Gerichtsprozesse nicht stattfinden werden.<br />
Oftmals schrecken neue Regierungen jedoch davor zurück aus Angst, sie würden damit die<br />
Tore <strong>für</strong> neue Rache- und Gewaltspiralen öffnen. 118<br />
118 Václav Havel sieht die Gefahr, durch das Benennen der Täter Racheakte zu provozieren und damit<br />
erneut Rechtlosigkeit und Ungerechtigkeit hervorzurufen.<br />
Siehe hierzu: Michnik, A./Havel, V., Justice, 1993.