04.01.2014 Aufrufe

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

43<br />

Welche Möglichkeiten Wahrheitskommissionen haben, den Verarbeitungsprozess <strong>kollektiver</strong><br />

Traumata zu unterstützen, hängt damit in großem Maße davon ab, wie Regierungen mit den<br />

Ergebnissen der Kommission umgehen. Arbeiten Kommissionen in einem politischen Kräftefeld,<br />

das die Arbeit der Kommission ablehnt, ist ihr Potential, eine offizielle Bestätigung des<br />

Unrechts der Vergangenheit zu erwirken, gering. Ihre Möglichkeiten, einen Beitrag zur Aufarbeitung<br />

„<strong>kollektiver</strong> Traumata“ zu leisten, sind damit immer abhängig von dem Grad, in<br />

welchem die neue Regierung dazu bereit ist, die Ereignisse der Vergangenheit als moralisch<br />

falsch zu bewerten.<br />

3.2.2. Stabilisierende Funktion materieller Reparationen<br />

In einigen Fällen, wie in Chile oder Südafrika, sind Reparationenprogramme aus der Arbeit<br />

von Wahrheitskommissionen hervorgegangen. Obwohl materielle Reparationen im politologischen<br />

Diskurs über Wahrheitskommissionen nicht an zentraler Stelle stehen, werden sie<br />

hier aufgrund ihrer psychologischen Bedeutung ausführlicher behandelt.<br />

Wie dargestellt wurde, ist die Phase der Stabilisierung in Aufarbeitungsprozessen <strong>für</strong> den<br />

weiteren Konfrontationsprozess grundlegend. In dieser Phase geht es insbesondere auch<br />

um die Stabilisierung der Lebensumstände, wie die Einrichtung einer sicheren Wohnsituation<br />

und die Schaffung finanzieller Sicherheit. Eine im Jahr 2004 <strong>für</strong> das Centre for the Study of<br />

Violence and Reconciliation durchgeführte Befragung Überlebender von Menschenrechtsverletzungen<br />

in Südafrika unterstützt diese Argumentation. 136 Die Überlebenden gaben an,<br />

dass sie nicht in der Lage seien, sich mit den Tätern zu versöhnen, solange sie immer noch<br />

an den Konsequenzen der Taten leiden würden. Die von den Befragten angegebenen Bedürfnisse<br />

umfassen neben Traumaberatung und medizinischer Versorgung auch sichere<br />

Wohnmöglichkeiten. Eine Studie über die Bedürfnisse Überlebender aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien weist in dieselbe Richtung. Viele der dort Befragten mit PTSD-Syndromen stehen<br />

vor einer sehr unsicheren Zukunft, meist wissen sie nicht, wo sie wohnen werden und ob<br />

sie in Zukunft genug Geld haben werden, um sich ernähren zu können. Diese prekäre finanzielle<br />

Situation betrifft insbesondere Kriegswitwen, die keine Berufsausbildung haben. Die<br />

unsichere Lage zu überwinden, wurde von den Befragten als primäres Bedürfnis angegeben,<br />

noch vor der Verurteilung der Täter. 137 In beiden Studien bestand unter den Befragten der<br />

Wunsch nach Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten zu trainieren, damit sie trotz der entstandenen<br />

körperlichen oder psychischen Behinderungen in Zukunft einer Arbeit nachgehen können.<br />

Wie bereits dargestellt, sind Empowerment-Strategien wichtig <strong>für</strong> Traumatisierte, um den<br />

Schritt hinaus in ihre Umwelt wieder zu wagen und sich selber als aktiv handelnden Menschen<br />

zu begreifen.<br />

136 Vgl. Makhalemele, O., Government, 2004.<br />

137 Vgl. Stover, E., Witnesses, 2005, S. 97.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!