"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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Welche Möglichkeiten Wahrheitskommissionen haben, den Verarbeitungsprozess <strong>kollektiver</strong><br />
Traumata zu unterstützen, hängt damit in großem Maße davon ab, wie Regierungen mit den<br />
Ergebnissen der Kommission umgehen. Arbeiten Kommissionen in einem politischen Kräftefeld,<br />
das die Arbeit der Kommission ablehnt, ist ihr Potential, eine offizielle Bestätigung des<br />
Unrechts der Vergangenheit zu erwirken, gering. Ihre Möglichkeiten, einen Beitrag zur Aufarbeitung<br />
„<strong>kollektiver</strong> Traumata“ zu leisten, sind damit immer abhängig von dem Grad, in<br />
welchem die neue Regierung dazu bereit ist, die Ereignisse der Vergangenheit als moralisch<br />
falsch zu bewerten.<br />
3.2.2. Stabilisierende Funktion materieller Reparationen<br />
In einigen Fällen, wie in Chile oder Südafrika, sind Reparationenprogramme aus der Arbeit<br />
von Wahrheitskommissionen hervorgegangen. Obwohl materielle Reparationen im politologischen<br />
Diskurs über Wahrheitskommissionen nicht an zentraler Stelle stehen, werden sie<br />
hier aufgrund ihrer psychologischen Bedeutung ausführlicher behandelt.<br />
Wie dargestellt wurde, ist die Phase der Stabilisierung in Aufarbeitungsprozessen <strong>für</strong> den<br />
weiteren Konfrontationsprozess grundlegend. In dieser Phase geht es insbesondere auch<br />
um die Stabilisierung der Lebensumstände, wie die Einrichtung einer sicheren Wohnsituation<br />
und die Schaffung finanzieller Sicherheit. Eine im Jahr 2004 <strong>für</strong> das Centre for the Study of<br />
Violence and Reconciliation durchgeführte Befragung Überlebender von Menschenrechtsverletzungen<br />
in Südafrika unterstützt diese Argumentation. 136 Die Überlebenden gaben an,<br />
dass sie nicht in der Lage seien, sich mit den Tätern zu versöhnen, solange sie immer noch<br />
an den Konsequenzen der Taten leiden würden. Die von den Befragten angegebenen Bedürfnisse<br />
umfassen neben Traumaberatung und medizinischer Versorgung auch sichere<br />
Wohnmöglichkeiten. Eine Studie über die Bedürfnisse Überlebender aus dem ehemaligen<br />
Jugoslawien weist in dieselbe Richtung. Viele der dort Befragten mit PTSD-Syndromen stehen<br />
vor einer sehr unsicheren Zukunft, meist wissen sie nicht, wo sie wohnen werden und ob<br />
sie in Zukunft genug Geld haben werden, um sich ernähren zu können. Diese prekäre finanzielle<br />
Situation betrifft insbesondere Kriegswitwen, die keine Berufsausbildung haben. Die<br />
unsichere Lage zu überwinden, wurde von den Befragten als primäres Bedürfnis angegeben,<br />
noch vor der Verurteilung der Täter. 137 In beiden Studien bestand unter den Befragten der<br />
Wunsch nach Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten zu trainieren, damit sie trotz der entstandenen<br />
körperlichen oder psychischen Behinderungen in Zukunft einer Arbeit nachgehen können.<br />
Wie bereits dargestellt, sind Empowerment-Strategien wichtig <strong>für</strong> Traumatisierte, um den<br />
Schritt hinaus in ihre Umwelt wieder zu wagen und sich selber als aktiv handelnden Menschen<br />
zu begreifen.<br />
136 Vgl. Makhalemele, O., Government, 2004.<br />
137 Vgl. Stover, E., Witnesses, 2005, S. 97.