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"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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der definiert werde, werde das Gefühl gestärkt, dass der Schmerz nicht allein ertragen werden<br />

müsse. 154<br />

Wie dargestellt, sind Trauerprozesse auch <strong>für</strong> das Verständnis <strong>kollektiver</strong> symbolischer<br />

Traumatisierungen zentral. Die Unfähigkeit eines Kollektivs, seine Verluste zu betrauern,<br />

kann dazu führen, dass Generationen später das kollektive symbolische Trauma einen Teil<br />

der Identität der Großgruppe ausmacht. Monumente können den Trauerprozess zu einem<br />

Ende bringen, indem sie als „psychologischer Container“ <strong>für</strong> die gebliebenen ungelösten<br />

Affekte der gemeinsamen Trauer dienen. Durch die Empfehlungen, die Wahrheitskommissionen<br />

am Ende ihrer Arbeit aussprechen, können sie den Bau von Monumenten<br />

unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag zu Großgruppentrauerprozessen leisten.<br />

Insbesondere dann, wenn eine Gesellschaft mehrheitlich aus Bystanders bestand, können<br />

Schuldgefühle die Ursache <strong>für</strong> die Unfähigkeit zu trauern sein. Trauer wäre dann gleichbedeutend<br />

mit der Übernahme der Verantwortung <strong>für</strong> die Verbrechen. Indem Wahrheitskommissionen<br />

die offizielle Anerkennung der Verantwortung erwirken können, helfen sie<br />

dabei trotz der Schuldgefühle einen Trauerprozess zu beginnen.<br />

Neben der Bedeutung der Trauerprozesse werden in Stover und Shigekanes Arbeit die aktivierenden<br />

Elemente von Exhumierungsprozessen herausgearbeitet. Denn die Erfahrung in<br />

verschiedenen Ländern habe gezeigt, dass es positive Ergebnisse haben kann, die Angehörigen<br />

in die Arbeit der Exhumierungen einzubeziehen. Die Partizipation an dieser Art von<br />

Arbeit wirke sich positiv auf die typischen Gefühle der Hilflosigkeit und Schuld aus. 155<br />

Als eindrucksvolles Beispiel führen Stover und Shigekane die Erfahrungen in Guatemala an.<br />

Nachdem die Bewohner der Gemeinden zu Beginn der Exhumierungen meist distanziert zu<br />

den Wissenschaftlern gewesen seien, hätten sie nach einigen Tagen oftmals den Willen gezeigt,<br />

aktiv mitzuarbeiten. So hätten Dorfbewohner Mahlzeiten <strong>für</strong> die Wissenschaftler gekocht,<br />

dabei geholfen, die Erde aus den Massengräbern zu schaufeln und am Abend die<br />

ausgehobenen Gräber mit Planen bedeckt und die Geräte und Schaufeln zurück in das Dorf<br />

getragen. In vielen Fällen seien nicht nur die Angehörigen zu den Aushebungsstätten gekommen,<br />

sondern auch komplette Dorfgemeinschaften. Für die Familien der Verschwundenen<br />

sei die Mitarbeit von sehr großer Bedeutung gewesen, denn nach jahrzehntelanger<br />

Verweigerung von Informationen seitens Militär und Polizei hätten sie endlich wieder die<br />

Möglichkeit gehabt, ein Stück Macht wiederzugewinnen und dabei zu helfen, das Schicksal<br />

der Verschwundenen zu klären. 156<br />

154 Vgl. Stover, E./Shigekane, R., Exhumation, 2004, S. 96.<br />

155 Vgl. ebd.<br />

156 Vgl. Stover, E./Shigekane, R., Exhumation, 2004, S. 88.

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