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"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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hätte sie die Gelder zum einen zielführender einsetzen können und zum anderen zum<br />

Empowerment der Überlebenden beigetragen. 142<br />

Hat man in diesem Zusammenhang die erläuterten psychologischen Erkenntnisse von Macht<br />

und Ohnmacht im Hinterkopf, werden die Reaktionen der Überlebenden, die mit der<br />

Pauschalsumme bedacht wurden, verständlicher.<br />

Als positives Beispiel in diesem Zusammenhang wird Chile erwähnt. Das Reparationenprogramm<br />

umfasste hier nicht nur eine Pauschalzahlung, sondern auch eine monatliche<br />

Pension <strong>für</strong> Partner, Eltern und Kinder von Ermordeten und Verschwundenen, Stipendien <strong>für</strong><br />

Kinder Ermordeter und Verschwundener und frei zugängliche medizinische und psychologische<br />

Beratung. 143 Das dortige Reparationenprogramm gewährte den Angehörigen damit<br />

nicht nur das Gefühl finanzieller Sicherheit auch in der Zukunft, sondern der monatlich versandte<br />

Scheck stellt zudem eine sich jeden Monat wiederholende Anerkennung des Staates<br />

<strong>für</strong> das erlebte Unrecht dar. Der symbolische Wert dieses staatlichen Handels wird von vielen<br />

Betroffenen als sehr positiv erlebt. 144 Insofern sahen einige Opfer in der Anerkennung<br />

des Leids, die durch das Geld ausgedrückt wurde, eine größere Bedeutung als im materiellen<br />

Geldwert. David Becker beschreibt dies als „effektiv ein Stück Heilung im therapeutischen<br />

Sinn, weil das, was öffentlich war, wieder öffentlich wird.“ 145<br />

Es sollte an dieser Stelle dennoch nicht unerwähnt bleiben, dass das chilenische Programm<br />

oftmals deswegen kritisiert wurde, weil die Folter-Überlebenden nicht mit monetären Reparationen<br />

bedacht wurden. Sie wurden damit nicht nur von der finanziellen Entschädigung<br />

ausgeschlossen, sondern auch von der monatlichen staatlichen Anerkennung des Unrechts,<br />

das ihnen widerfahren war.<br />

3.2.3. Trauerprozesse und Exhumierungen<br />

Wie in der Darstellung der Arbeitsweisen von Wahrheitskommissionen angemerkt, gehen die<br />

Aktivitäten einiger Kommissionen über die Anhörungen von Zeugen hinaus und umschließen<br />

zusätzlich u.a. Exhumierungen. Beispielsweise führte die peruanische Wahrheitskommission<br />

zusammen mit der Staatsanwaltschaft und Gerichtsmedizinern die Aushebung von Massengräbern<br />

durch. Die Leichen wurden schließlich mit besonderen Ritualen zurück in ihre Dörfer<br />

und zu ihren Angehörigen gebracht. 146 In Guatemala führte die Comisión para el<br />

Esclarecimiento Histórico in Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen Exhumierungen<br />

und Rückführungen mit Begräbnissen und Ritualen durch. Auch die katholische Kirche versuchte<br />

die Arbeit der Wahrheitskommission mit einem da<strong>für</strong> ins Leben gerufenen Projekt zu<br />

142 Vgl. Makhalemele, O., Government, 2004.<br />

143 Vgl. ebd., 2004.<br />

144 Vgl. Hayner, P. B., Truths, 2001, S. 173.<br />

145 Vgl. Becker, D., Hass, 1992, S. 229.<br />

146 Vgl. Infostelle Peru e.V., Infostellenbericht, 2003.

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