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"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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stellen, welche Funktion das Kommunizieren über ein Ereignis hat. 76 Wie erläutert, können<br />

das kontrollierte Wiedererleben und die Übersetzung der wortlosen Bilder in Sprache dabei<br />

helfen, eine traumatische Erfahrung im Bewusstsein der Menschen besser zu organisieren.<br />

Grundlage <strong>für</strong> Pennebakers Untersuchung waren die Reaktionen auf die Ermordung John F.<br />

Kennedys in Dallas. Während das ganze Land die Stadt <strong>für</strong> die Ermordung verantwortlich<br />

machte, reagierte Dallas als Gemeinwesen so, als wäre nichts passiert. Gleichzeitig mit der<br />

Verleugnung dieser Vergangenheit hätten sich Anzeichen von starkem Stress bei den Stadtbewohnern<br />

gezeigt. 77 In Dallas wurde, im Gegensatz zu den meisten anderen Städten in den<br />

USA, in den folgenden Jahren nichts getan, um der Ermordung Kennedys zu gedenken. Dieses<br />

Phänomen zeigt sich im Übrigen auch in der Stadt Memphis, Tennessee, nach der Ermordung<br />

Martin Luther Kings. Es wurden keine Gedenkstätten errichtet und keine Schulen,<br />

Straßen oder öffentliche Gebäude nach ihm benannt. In Dallas, genau wie in Memphis,<br />

wurde erst 25 Jahre später eine Erinnerungsstätte geschaffen. 78<br />

Um eine Antwort auf die Frage zu finden, ob diese Daten lediglich einen Zufall darstellen,<br />

untersuchte Pennebaker in einer Studie die Monumente, die in den letzten 100 Jahren in den<br />

USA als Erinnerungsplätze <strong>für</strong> Ereignisse errichtet worden sind. Verglichen wurde die<br />

Zeitspanne, die zwischen dem Ereignis und der Errichtung des Monuments lag. Das Ergebnis<br />

dieser Studie zeigt, dass Kollektive dazu tendieren, Monumente entweder sofort nach<br />

dem Ereignis zu errichten, was jedoch nicht <strong>für</strong> die Mehrheit zutrifft, oder in 20- bis 30-<br />

Jahreszyklen nach dem Ereignis. Interessant ist hierbei zum einen die Zeitspanne, zum anderen<br />

die Tatsache, dass die Entwicklung danach in Zyklen verläuft und sich Phasen der<br />

Konfrontation mit dem Ereignis und Phasen der Vermeidung abwechseln. 79<br />

Eine Erklärung stellt <strong>für</strong> Pennebaker die Priorität der Stabilisierung dar. Zum einen seien die<br />

Überlebenden unmittelbar nach dem Ereignis meist erst einmal mit dem Wiederaufbau materieller<br />

Schäden und dem Sicherstellen der grundlegenden Notwendigkeiten des Lebens<br />

beschäftigt. Zum anderen sieht Pennebaker in der verzögerten Errichtung von Gedenkstätten<br />

einen psychologischen Vermeidungsprozess des Kollektivs. Mit der Zeit werde jedoch<br />

die Gruppe derer, die gegen den Aufbau eines Monuments sind, immer kleiner, so dass<br />

sich nach etwa zwei Jahrzehnten ein Konsens über die Anerkennung des vergangenen<br />

Ereignisses herausbilden könne. 80<br />

Bemerkenswert ist dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass es hier um Aushandlungsprozesse<br />

innerhalb gesellschaftlicher Machtstrukturen geht, deren Dynamik sich im<br />

Laufe der Zeit verändern kann. Daher funktioniert die Verwendung der Trauma-Begrifflichkeit<br />

76 Vgl. Pennerbaker, J./Banasik, B., Creation, 1997, S. 4.<br />

77 Vgl. ebd., S. 10.<br />

78 Vgl. ebd., S. 12.<br />

79 Pennerbaker, J./Banasik, B., Creation, 1997, S. 12.<br />

80 Ebd., S. 16.

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