04.01.2014 Aufrufe

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

"kollektiver Traumata" (Nr. 48) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

41<br />

3.2. Möglichkeiten zur Aufarbeitung „<strong>kollektiver</strong> Traumata“<br />

3.2.1. Psychologische Bedeutung von knowledge und acknowledgement<br />

Um das Bedürfnis der Überlebenden nach der Wahrheit über die Vergangenheit zu illustrieren,<br />

wird oftmals das Theaterstück Death and the Maiden des chilenischen Autors Ariel<br />

Dorfman zitiert. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Forderung der Protagonistin Paulina -<br />

“The truth, Doctor. The truth, and I’ll let you go” -, die sie dem von ihr gekidnappten Arzt<br />

Roberto stellt, nachdem sie erkannt hat, dass er sie vor 15 Jahren während der Diktatur vergewaltigt<br />

hatte. Erst nachdem ihr bestätigt wurde, dass er wirklich ihr Peiniger gewesen war,<br />

kann sie zur Ruhe kommen.<br />

Dem Aufdecken der Wahrheit über die Ereignisse der Vergangenheit wird besonders von<br />

Angehörigen der „Verschwundenen“ große Bedeutung beigemessen, denn sie befinden sich<br />

in einem „excruciating limbo between lingering hope and full-blown grief“. 127 Aus der psychologischen<br />

Perspektive bewertet sind Trauerprozesse, wie bereits im ersten Kapitel erläutert,<br />

sehr wichtig in der Arbeit mit Traumatisierten. Gezeigt wurde, dass Traumatisierungen meist<br />

mit der Unfähigkeit zu trauern verbunden sind. Den Trauerprozess einzuleiten ist daher ein<br />

notwendiger Schritt bei der Therapie von Traumatisierten. Doch bevor mit dem Trauern<br />

begonnen werden kann, muss die Realität des Verlustes akzeptiert werden. Wahrheitskommissionen<br />

können durch das Aufdecken der Vergangenheit mit dazu beitragen, dass<br />

Angehörige den Tod des Verschwundenen realisieren. David Becker weist darauf hin, dass<br />

das Aufdecken der Fakten jedoch nur der erste Schritt ist und die Angehörigen, der letzten<br />

Hoffnung beraubt, vorerst depressiver sind als zuvor; nun haben sie die Sicherheit, dass der<br />

Verschwundene nicht mehr lebendig zurückkehren wird. So könne zwar, nachdem der<br />

Leichnam begraben worden sei, eine neue Zukunft beginnen, doch zuerst müsse der Verlust<br />

anerkannt werden. 128 Wahrheitskommissionen und andere Truth-telling-Mechanismen können,<br />

so Becker, einen offiziellen Rahmen bieten und damit bestenfalls den Prozess des<br />

Trauerns unterstützen, da sie mit dem Wissen über die Vergangenheit die Grundlage <strong>für</strong> ein<br />

Betrauern des Verlustes schaffen. 129<br />

Die bisherigen Wahrheitskommissionen waren jedoch nur in wenigen Fällen in der Lage, bei<br />

ihren Untersuchungen Neuigkeiten <strong>für</strong> die Angehörigen herauszufinden. Denn aufgrund der<br />

eingeschränkten Ressourcen und der zeitlichen Begrenzung der Arbeit ist es Wahrheitskommissionen<br />

nur in einigen ausgewählten Fällen möglich gewesen, Untersuchungen tiefergehend<br />

auszuführen. So erfahren nur die wenigsten Überlebenden, die ihre Aussage zu<br />

127 Biggar, N., Peace, 2001, S. 12.<br />

128 Vgl. Becker, D., Truth, 2006, S. 242.<br />

129 Vgl. ebd., S. 254.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!