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Nicola<br />
Karlsson<br />
23<br />
Talents<br />
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V Heike Blümner<br />
Foto Tatjana Bilger<br />
!ie schreibt man einen<br />
Roman, der sich aus den eigenen<br />
Erfahrungen und<br />
Beobachtungen des Berliner Nachtlebens<br />
speist? Bereits vor acht Jahren hat Nicola<br />
Karlsson mit ihrem Debüt Tessa (Graf<br />
Verlag) begonnen. Damals noch in guter<br />
alter Künstlerpose: „Nachts mit einer<br />
Flasche Wein in die Tasten hauen“, sagt sie.<br />
Weit kam sie damit nicht, und auch sonst<br />
hätte einiges schiefgehen können: Das<br />
Thema Exzess und Existenzfragen befeuert<br />
ja bekanntlich viele Erstlingswerke, von<br />
denen die meisten gar nicht erst aus der<br />
Versenkung auftauchen. Zum Glück gab<br />
Karlsson nach einigen Jahren Pause Tessa<br />
eine zweite Chance, die sich jetzt, da der<br />
Roman fertig ist, auf ganzer Strecke<br />
auszahlt. Die gleichnamige Titelheldin, die<br />
man sofort ins Herz schließt, obwohl sie<br />
die Nerven beim Lesen überstrapaziert,<br />
wankt einen Sommer lang von einer Beziehungskatastrophe<br />
zum nächsten Psychodrama.<br />
Nüchtern ist sie dabei nie. Beängstigende<br />
Mengen von Wein, Wodka und<br />
Psychopharmaka werden durch den übersäuerten<br />
Magen in ihre Blutbahn gepresst;<br />
Kokain wird großzügig obendrauf gestreut.<br />
Damit ist die Handlung im Großen und<br />
Ganzen umrissen. Der Roman ist aber vor<br />
allem ein kleines Sprach- und Empathiewunder.<br />
Karlsson schildert ein Destillat aus<br />
Verzweiflungstaten und klingt trotzdem<br />
stellenweise absurd komisch. Und sie schafft<br />
es, dass Tessas Leben weder unterschwellig<br />
glamourös noch moralisch verwerflich<br />
erscheint, aber eben auch nicht gleichgültig<br />
lässt. Vielleicht gelang das kleine Wunder,<br />
weil Karlsson irgendwann ihren Arbeitsrhythmus<br />
revidierte: „Ich bin jeden Morgen<br />
um sechs Uhr aufgestanden, habe eine<br />
Stunde geschrieben und bin dann zur Arbeit<br />
gegangen“, sagt sie. Von der Tessa-Urfassung<br />
ist nur noch das erste Kapitel übrig<br />
geblieben. Ein Hinweis für alle Jungautoren<br />
mit bewegtem Nacht- und Privatleben, dass<br />
die Bukowski-Methode wohl doch<br />
überbewertet wird.