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Musik Klassik<br />

Die Geschichte der reproduzierten<br />

Musik ist viel<br />

älter als die Schallplatte<br />

und ist eng mit der Schweiz verbunden:<br />

Schon im 18. Jahrhundert<br />

baute man im Jura Musikdosen<br />

und Plattenspielkästchen und<br />

in Genf klingende Schnupftabakdosen.<br />

Und nur unweit der Grenzen,<br />

im badischen Breisgau, residierte<br />

Ende des 19. Jahrhunderts<br />

der weltweit führende Hersteller<br />

von selbst spielenden Musikautomaten,<br />

die Freiburger Firma Welte<br />

& Söhne. Dort wurde 1905 das<br />

legendäre „Welte-Mignon-Repro -<br />

duktionsklavier“ entwickelt, das<br />

die Kunst großer Pianisten zum<br />

ersten Mal auf gestanzten Papierrollen<br />

festhielt. 1911 wurde die<br />

Technik auch auf eine große Orgel<br />

übertragen, und bald konnte<br />

man solche riesigen, unbezahlbar<br />

teuren Orgelautomaten in Millionärsvillen,<br />

in Nobelhotels und<br />

Kaufhäusern bestaunen.<br />

Eines der größten Exemplare<br />

dieser „Welte-Philharmonie-Orgel“,<br />

ein 16-Fuß-Ungetüm mit<br />

über 2000 Pfeifen, wurde 1914<br />

sogar in den Ozeanriesen „Britannic“,<br />

dem Schwesterschiff der legendären,<br />

zwei Jahre zuvor gesunkenen<br />

„Titanic“ eingebaut. Doch<br />

kam sie da vermutlich nie zum<br />

Einsatz: Nach Ausbruch des Ersten<br />

Weltkriegs wurde die „Britannic“<br />

von der britischen Marine beschlagnahmt<br />

und die Orgel wieder<br />

ausgebaut. Als englisches Lazarettschiff<br />

lief die „Britannic“<br />

Monate später in der Ägäis auf<br />

eine deutsche Seemine und sank,<br />

ohne einen zivilen Passagier befördert<br />

zu haben. Die Schiffsorgel<br />

überlebte, wurde von der Firma<br />

Wenn Geister<br />

Orgel spielen<br />

Das „Museum <strong>für</strong> Musikautomaten“ im Schweizer<br />

Kanton Solothurn beherbergt die größte jemals<br />

gebaute automatische Schiffsorgel, die vor 100<br />

Jahren in einen Luxusliner eingebaut wurde. Seit<br />

kurzer Zeit steht sie auch im Mittelpunkt einer<br />

audiophilen CD-Edition, die die auf Papierrollen<br />

festgehaltene Kunst großer Organisten aus der<br />

Vergangenheit wieder zum Leben erweckt. Attila<br />

Csampai berichtet.<br />

Welte zurückgekauft und ging<br />

dann durch verschiedene private<br />

Hände, bevor sie zum Herzstück<br />

des 1979 neu gegründeten „Museums<br />

<strong>für</strong> Musikautomaten“ in<br />

Seewen nahe bei Basel wurde.<br />

Die gleichermaßen sensationelle<br />

wie mysteriöse Vorgeschichte der<br />

„Britannic Orgel“ kam aber erst<br />

vor wenigen Jahren ans Tageslicht,<br />

als Techniker des Museums bei<br />

Restaurierungsarbeiten an einer<br />

unzugänglichen Stelle den mehrfach<br />

ins Holz eingestanzten Hinweis<br />

„Britanik“ entdeckten. Diese<br />

späte Entdeckung ihres maritimen<br />

Mythos und die Nähe zu historisch<br />

bedeutsamen Untergangsszenarien<br />

verliehen dem nun aufwendig<br />

restaurierten Instrument das nötige<br />

mystische Flair, das Schiffe<br />

und Orgeln seit jeher verbindet:<br />

So mag es geklungen haben, wenn<br />

Captain Nemo auf der „Nautilus“<br />

Orgel spielte.<br />

Die Seewener „Britannic Orgel“<br />

bietet auch eine unschätzbare Hilfe<br />

<strong>für</strong> die Musikforschung: Denn sie<br />

dient heute als Abspielgerät <strong>für</strong> die<br />

weltweit größte Sammlung von historischen<br />

Orgelrollen, die das Museum<br />

seit einigen Jahren ebenfalls<br />

besitzt. Beim überwiegenden Teil<br />

des 1500-teiligen Konvoluts handelt<br />

es sich um sogenannte Masterrollen<br />

aus dem Bestand der untergegangenen<br />

Firma Welte: Sie<br />

bieten eine verblüffende, ja sensationelle<br />

Klangqualität, die bislang<br />

nur den Besuchern des Museums<br />

vorbehalten war. Doch seit Kurzem,<br />

dank einer beim Label Oehms<br />

aufgelegten CD-Edition („The<br />

Britannic Organ“), kann man<br />

sie auch in den heimischen vier<br />

Wänden in audiophiler Klangqualität<br />

erleben. Die meisten Rollen<br />

The Britannic Organ – Die Welte-Philharmonie-Orgel<br />

im Museum <strong>für</strong> Musikautomaten, Seewen, CH<br />

Vol. 1 – Rare Historic Welte Rolls (2 CDs)<br />

Vol. 2 – A Christmas Voyage<br />

Vol. 3 – Musik auf hoher See (2 CDs)<br />

Vol. 4 – Eugène Gigout and Joseph Bonnet (2 CDs)<br />

Vol. 5 – Richard Wagner on Welte (2 CDs)<br />

Original-Aufnahmen 1910 – 1930; Transfer auf CD: 2011<br />

Oehms Classics OC 840, 841, 842, 843, 844 (einzeln erhältlich)<br />

146 3/13 <strong>stereoplay</strong>.de

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