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HiFi-Klassiker Tonbandmaschine<br />
Das im Vergleich zur Revox A77 etwas großzügigere Chassis schaffte mehr Freiraum vor dem Kopfträger, sodass Schneidearbeiten mit der<br />
B77 deutlich bequemer vonstatten gingen. Die Cinch-Buchsen <strong>für</strong> die Ein- und Ausgänge (rechts) lagen allerdings recht eng nebeneinander.<br />
Drei Köpfe, drei Motoren, ein<br />
robustes Druckguss-Chassis,<br />
Hinterbandkontrolle und Platz<br />
sparender Senkrechtbetrieb mit<br />
großen Spulen – ihr kompromissloses<br />
Konzept machte die<br />
B77 damals absolut unangreifbar.<br />
Sie war die einzige Bandmaschine,<br />
die die Technik von<br />
Studiogeräten ohne Wenn und<br />
Aber in den Heimbereich transferierte.<br />
Klar, dass sie mit weit<br />
über 2000 D-Mark deutlich mehr<br />
kostete als die Konkurrenz.<br />
Aufgrund ihrer flexiblen<br />
Technik-Plattform erschloss<br />
sich die B77 unendlich viele<br />
Einsatzbereiche – so gab es<br />
Anfang der 80er-Jahre 61 unterschiedliche<br />
Varianten. Die<br />
im HiFi-Bereich wichtigsten<br />
waren die Halb- und Viertelspur-Ausführungen<br />
mit 9,5 und<br />
19 cm/s Bandgeschwindigkeit.<br />
Interessant <strong>für</strong> besonders<br />
Ambitionierte waren die B77<br />
DOL mit integriertem Dolby-<br />
B-Kompander zur Rauschunterdrückung<br />
sowie die hier gezeigte,<br />
semiprofessionelle B77<br />
HS mit den Bandgeschwindigkeiten<br />
19 und 38 cm/s. 1981<br />
bekam die B77 dann eine Profi-<br />
Schwester: die PR99. Bei<br />
gleichem Laufwerk bot sie kalibrierbare,<br />
symmetrische Einund<br />
Ausgänge nach Studionorm<br />
und als MK-II-Ausführung einen<br />
Autolokator, um Passagen<br />
gezielter anzufahren.<br />
Kleine Schwächen<br />
Es war aber nicht alles positiv:<br />
Die 77er-Baureihen hatten auch<br />
Schwächen. Die größte: Die<br />
Wickelmotoren arbeiteten bei<br />
Aufnahme und Wiedergabe mit<br />
konstantem Drehmoment. Daher<br />
war der Bandzug bei voller<br />
linker Spule am geringsten. Unter<br />
un günstigen Bedingungen<br />
neigten 77er- und 99er-Modelle<br />
daher am Bandanfang zu<br />
(leichten) Instabilitäten in Sachen<br />
Pegel und Phasenlage.<br />
Mit abnehmendem Wickeldurchmesser<br />
stieg jedoch der<br />
Bandzug allmählich auf relativ<br />
hohe Werte an. Das führte dazu,<br />
dass die Bandgeschwindigkeit<br />
zum Bandende hin leicht nachgab,<br />
wenn die Anpresskraft der<br />
Gummiandruckrolle ein wenig<br />
zu knapp eingestellt war.<br />
Während es unterschiedli che<br />
Schneidkennlinien-Entzerrungen<br />
bei der Schallplattenwiedergabe<br />
gibt, existieren auch<br />
bei Bandmaschinen zwei Standards:<br />
die amerikanische NABsowie<br />
die europäische CCIR/<br />
DIN-Norm. Da B77- und PR-<br />
99-Modelle in beiden Ausführungen<br />
erhältlich waren, hier<br />
eine Orientierung: Die mildere<br />
NAB-Entzerrung (IEC II) bietet<br />
etwas mehr Dynamikreserven<br />
im Hochtonbereich und ist daher<br />
günstiger <strong>für</strong> Heimtongeräte<br />
mit den niedrigeren Bandgeschwindigkeiten<br />
9,5 und 19<br />
cm/s. Die CCIR-Entzerrung<br />
(IEC I) hingegen rauscht weniger<br />
und ist daher bei Studiomaschinen<br />
mit 38 cm/s die bessere<br />
Wahl, da bei diesem Tempo<br />
die Höhendynamik des Bandes<br />
ausreichend groß ist.<br />
Doch egal, ob CCIR/DIN<br />
oder NAB: Durch sorgfältiges<br />
Einmessen und/oder gezielten<br />
Bauteiletausch lässt sich aus<br />
den Revox-77ern und -99ern<br />
noch jede Menge Rauschabstand<br />
und Klang herausholen,<br />
da sie wegen ihrer eher „zahmen“<br />
Werkseinstellung über<br />
reichlich Headroom verfügen.<br />
Generell gilt: Eine technisch<br />
weniger anspruchsvolle, da<strong>für</strong><br />
exzellent eingemessene Maschine<br />
klingt meist besser als<br />
eine theoretisch überlegene bei<br />
nicht optimaler Justage – eine<br />
optimierte B77/PR99 zieht<br />
daher an einer deutlich aufwendigeren,<br />
nicht gewarteten Revox<br />
A700 klanglich locker vorbei.<br />
Ohnehin ist erstaunlich, welche<br />
Reserven die 77er-Plattform<br />
bietet. So baute die britische<br />
Firma ITAM auf Basis des A77-<br />
Laufwerks eine ausladende<br />
8-Spur-Halbzoll-Maschine.<br />
Ersatzteile via Internet<br />
Sieht die Ersatzteillage bei vielen<br />
berühmten Bandmaschinen<br />
mehr als prekär aus, können<br />
Revox-Piloten der Zukunft relativ<br />
gelassen entgegensehen.<br />
Verschleißteile sind zwar nicht<br />
gerade Schnäppchen, aber erhältlich.<br />
Darüber hinaus ist das<br />
Internet eine wahre Fundgrube<br />
<strong>für</strong> Revox-Fans und -Tüftler:<br />
Eine sehr gute Anlaufstelle samt<br />
Forum <strong>für</strong> einen ersten Überblick<br />
bietet das Portal www.<br />
studerundrevox.de. Und wer<br />
nicht selbst Hand anlegen<br />
möchte, kann sich an eine der<br />
noch zahlreich vorhandenen<br />
Service-Werkstätten oder direkt<br />
an Revox wenden.<br />
Jürgen Schröder ■<br />
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