stereoplay Studioqualität für Jedermann (Vorschau)
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wurden zwischen 1910 und 1930<br />
von den bedeutendsten Organisten<br />
der Zeit auf einer speziellen<br />
Aufnahmeorgel in Freiburg eingespielt,<br />
und sie vermitteln uns wertvolle<br />
Einblicke in eine frühe Interpretationsphase,<br />
die von der Schallplatte<br />
noch nicht erfasst wurde –<br />
so etwa das eigenwillige Bach-Spiel<br />
des 1912 verstorbenen Organisten<br />
Carl Hofner.<br />
Noch spektakulärer sind die damals<br />
von Hand kunstvoll gestanzten<br />
Unterhaltungsprogramme, die<br />
zumeist populäre Opern-Potpourris<br />
oder Ouvertüren in faszinierenden<br />
Sounds <strong>für</strong> das breite Publikum<br />
aufbereiteten. Diese teils hoch<br />
virtuosen Orgel-Arrangements zieren<br />
das erste von fünf bisher erschienenen,<br />
aufwendig edierten<br />
Doppelalben, und sie dokumentieren<br />
eindrucksvoll die fantastische<br />
Präzision der rein mechanischen,<br />
uralten Welte-Technik.<br />
Dank der hautnahen, eher trockenen<br />
Präsenz des auf die CD gebannten<br />
Stereo-Klangbildes kann<br />
man sie auch hervorragend zum<br />
Test der eigenen HiFi-Anlage nutzen.<br />
In Folge 2 erklingt ein spezielles<br />
Weihnachtskonzert, während<br />
das dritte Album ein typisches Unterhaltungsprogramm<br />
anbietet, das<br />
unsere Urgroßväter, wenn sie denn<br />
ausreichend betucht waren, während<br />
einer solchen Transatlantikpassage<br />
erleben konnten.<br />
An spezielle Orgelfans wendet<br />
sich Vol. 4 mit klingenden Porträts<br />
der großen französischen Organisten<br />
Eugène Gigout (1844 – 1925)<br />
und Joseph Bonnet (1884 –1944).<br />
Sie spielten von 1912 an gemeinsam<br />
fast 80 Rollen <strong>für</strong> das Welte-<br />
System ein.<br />
Die zuletzt erschienene Folge 5<br />
widmet sich der Musik Richard<br />
Wagners, die schon vor hundert<br />
Jahren in unzähligen Bearbeitungen<br />
das breite Publikum erfreute.<br />
Die eher elegisch gestimmte Auswahl<br />
verströmt eine besondere<br />
Aura des Andächtigen, die man<br />
Wagner schon damals zugestand.<br />
Der ätherische Orgelklang verleiht<br />
der Musik vollends eine Art metaphysischen<br />
Zauber – ein besonderer<br />
Beitrag zum Wagner-Jahr.<br />
<br />
Attila Csampai<br />
Manuel de Falla: Der Dreispitz, Nächte in spanischen Gärten u. a. Berganza, Ansermet; Haskil, Markevitch (1961/62)<br />
AUDIOPHILE SACD<br />
KLANGTIPP<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Klangdetails:<br />
Räumlichkeit:<br />
Bass:<br />
Transparenz:<br />
Praga Digitals SACD 350 964 (66:35) <br />
Letzte Aufnahme vor dem tragischen Unfall:<br />
Pianistin Clara Haskil (1895 – 1960)<br />
Der Zauber Andalusiens<br />
Manuel de Falla war der Vater der spanischen Moderne,<br />
er kombinierte den Klangzauber Ravels und Debussys<br />
mit der musikalischen Tradition seiner andalusischen<br />
Heimat. Zwei seiner wichtigsten Instrumentalwerke<br />
sind jetzt in historischen Referenz-Aufnahmen<br />
auf einer neu gemasterten Stereo-SACD beim französischen<br />
Label Praga neu aufgelegt worden, und sie haben<br />
– auch nach so langer Zeit – nichts eingebüßt von<br />
ihrer scharfen rhythmischen Prägnanz, ihrem archaischen<br />
Zauber und ihrem betörenden Farbenreichtum:<br />
Im Frühjahr 1961 dirigierte der damals 77-jährige Ernest<br />
Ansermet mit „seinem“ Orchestre de la Suisse Romande<br />
in London eine Modellaufführung des<br />
„Dreispitz“-Balletts in audiophiler Klangqualität. Für<br />
die beiden kurzen Vokalparts verpflichtete er die junge<br />
Spanierin Teresa Berganza, die damals am Anfang ihrer<br />
Weltkarriere stand. Ansermet war die Koryphäe <strong>für</strong><br />
den „Dreispitz“, hatte er doch 42 Jahre zuvor, 1919,<br />
im Londoner Alhambra-Theatre selbst<br />
die Premiere des Balletts <strong>für</strong> Diaghilevs<br />
Truppe geleitet, mit Léonide Massine<br />
in der Titelrolle und in Picassos kubistischen<br />
Bühnenbildern.<br />
Die heitere Dreiecksgeschichte um den<br />
lüsternen Corregidor und die schöne<br />
Müllerin inspirierte de Falla zu einer<br />
einzigartigen Revue altspanischer Tänze,<br />
fernab aller Postkarten-Folklore. Man spürt diese<br />
archaische Kraft des „cante jondo“ vor allem im Fandango<br />
der Müllerin und der Farruca des Müllers, deren<br />
scharfen Gitarrenklang de Falla kongenial auf das<br />
große Orchester übertragen hat. Ansermet erhielt seine<br />
Anweisungen damals direkt vom Komponisten.<br />
Auch die im Oktober 1960 enstandene Philips-Produktion<br />
der „Nächte in spanischen Gärten“ mit Clara Haskil<br />
als Klaviersolistin und dem Lamoureux-Orchester<br />
unter Igor Markevitch zählt zu den Referenzen dieses<br />
extravaganten Klavierkonzerts, das in drei nächtlichen<br />
Impressionen magische Bilder und Schauplätze aus de<br />
Fallas andalusischer Heimat beschwört. Das Klavier ist<br />
hier gitarrenähnlich eingebunden in das impressionistische<br />
Klanggewebe und setzt klare improvisatorische<br />
Gegenakzente. Es ist die letzte Aufnahme Clara Haskils,<br />
die nur wenige Wochen später an den Folgen eines<br />
tragischen Unfalls starb.<br />
Und als Zugabe gibt es de Fallas populärste<br />
Komposition, den feurig-pulsierenden<br />
Tanz Nr. 1 aus seinem frühen<br />
Operndrama „La vida breve“, das ihm<br />
1905 zum Durchbruch verhalf. Die<br />
Klangqualität der von den alten Analogbändern<br />
neu überspielten Stereo-<br />
DSD-Masters ist hervorragend, taufrisch,<br />
transparent und haptisch: kein<br />
Unterschied zu aktuellen Standards.<br />
Attila Csampai<br />
Musik max. 10 Punkte, Klang max. 10 Punkte erhältlich auf CD erhältlich auf SACD erhältlich als Download<br />
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