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SZENE | Šíp-Lehre<br />
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Es ist anders, lieber Herr R.!<br />
Michal Šíp bekommt Post<br />
Leserpost gehört beantwortet. Dem Leserbrief/-mailschreiber oder der<br />
Schreiberin. Direkt. Und zwar vom Autor selbst, oder von der Redaktion.<br />
Mit einem Briefschreiber im Heft zu polemisieren, ist dagegen wegen der<br />
Waffenungleichheit unfair. Der Leserbriefschreiber ist ja mit seinen<br />
Ausführungen fertig, er hat seine Zeilen abgeschickt und kann sie nicht<br />
mehr ändern. Ich kann aber in aller Ruhe seinen Text studieren und meine<br />
Giftpfeile präparieren.<br />
Das will ich also nicht tun. Und doch kommt gelegentlich eine Zuschrift,<br />
die Gott und die Welt oder eben die Chinesen behandelt. Meine Themen!<br />
Dazu muss ich also etwas schreiben. Den Briefautor lasse ich anonym,<br />
nennen wir ihn Rudolf R. aus Radolfzell, weil das schön klingt und weil es<br />
um Chinesen geht, die so viele „R“ so gern aussprechen.<br />
Lieber Leser Rudolf R.! Sie konstatieren, dass ich, wie man öfters lesen<br />
kann, zuletzt in der Kolumne in dieser Zeitschrift 08/2012, keine chinesischen<br />
Billigprodukte mag. Richtig. Warum mag ich sie nicht? Weil mir<br />
zum Beispiel ein 3-Euro-Billigstservo einen 100-Euro-Empfänger zum<br />
Schmelzen brachte. Aber ich mag „billig“ auch deshalb nicht, weil ich,<br />
wie wir alle, etwas von der Technik verstehe und weiß, dass zum Beispiel<br />
ein Brushless aus einem gefrästen eloxierten Gehäuse, zwei Kugellagern,<br />
einer Stahlachse, Magneten und gestanzten Blechen und einer komplizierten<br />
Wicklung besteht. Wenn solche Motoren im Internet als Direktimporte<br />
für 5,– Euro stehen, dann steht für mich auch etwas anderes fest. Dieser<br />
Preis, der für den Hersteller vor Ort noch niedriger ausfällt, ist selbst bei<br />
zweifelhafter Qualität nur zu erzielen, wenn dort all das nicht gilt, was wir<br />
hier für uns ganz selbstverständlich verlangen: Erträgliche Arbeitsbedingungen,<br />
akzeptable Löhne, Umweltstandards,Entsorgung, Recycling.<br />
Nun schreiben Sie, lieber Rudolf R., noch etwas Wichtiges: Dass arme<br />
Schüler, Studenten, Lehrlinge ohne solche asiatischen Schnäppchen das<br />
Hobby aufgeben müssten. Das wäre natürlich schade. Schon vor Jahren<br />
dachte ich darüber nach, als ich, damals in einer andern Funktion, nach<br />
der Wende eine Sammlung von <strong>Modell</strong>bauartikeln organisierte und diese,<br />
als sie Lastwagendimensionen annahm, gen Osten schickte. Und im<br />
Verein, aber auch zu Hause habe ich genug arme Schüler und Studenten<br />
um mich herum. Und habe meine Zweifel, ob es wirklich die<br />
Billigschnäppchen sind, die sie bei der Stange halten. Ich könnte sie frech<br />
fragen, was ihre Hosentasche so ausbeult. Vermutlich ist es ein echt teures<br />
Schnäppchen, ein Smartphone. Auch würde ich sie fragen, ob sie wirklich<br />
eine 2,4-Giga hertz-Anlage sofort brauchen, wo zum Teil luxuriös ausgestattete<br />
35-Megahertz-Fernsteuerungen von uns, den alten reichen Säcken,<br />
billig bis umsonst abgegeben werden können. Das sind echte Schnäppchen!<br />
Vielleicht würde ich sie sogar fragen, ob sie sich vorstellen können, dass<br />
ihre billigen Hobbyartikel möglicherweise irgendwo in der chinesischen<br />
Provinz von ihren Altersgenossen hergestellt werden, die weder Zeit noch<br />
Geld für irgendein Hobby haben. Ja, ich weiß, das wäre schon ein schweres<br />
Geschütz und ich lasse den erhobenen Zeigefinger lieber weg. Es muss<br />
ja auch nicht so sein, es gibt inzwischen viele Betriebe mit guten<br />
Standards in China, die Arbeits bedingungen bessern sich dort und sie tun<br />
es umso schneller, je mehr wir Qualität verlangen und diese aber auch<br />
bezahlen. Mit Billig schnäppchen ist niemandem geholfen. Sie zu kaufen,<br />
ist natürlich nicht illegal. Nur sollte man ein wenig darüber nachdenken,<br />
was man tut. Und, mein letztes Argument: Als Perfektionist (welcher<br />
<strong>Modell</strong> bauer ist es nicht?) kann ich miserabel zusammengekloppte<br />
Billigdinge einfach nicht ertragen.<br />
Was aber gar nicht heißt, dass ich, wie Sie, lieber Rudolf R., schreiben,<br />
„bestimmt nur made in Germany“ kaufe. Nehmen wir meine Autos: Eines<br />
kam wirklich aus Wolfsburg, das nächste schon aus Turin, eines aus der<br />
japanischen Stadt, die (wirklich) Toyota heißt, weitere lieferte mir Paris.<br />
Und meine Verbrenner, E-Motoren und Elektronik? Tschechien, USA,<br />
Japan, Taiwan, auch made in Germany und natürlich China. Bin also gar<br />
nicht so wählerisch, wie Sie vermuten. Nur „Schnäppchen“ von zweifelhafter<br />
Qualität und Herkunft, die mag ich nicht. Wie sagt es der<br />
Engländer? Ich bin nicht so reich, um billige Dinge zu kaufen.<br />
128 www.modell-aviator.de