zur Erwachsenenbildung
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Schwerpunkt Positionen <strong>zur</strong> <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />
<strong>Erwachsenenbildung</strong> als<br />
globale Aufgabe<br />
Lynne Chisholm<br />
Schwerpunkt<br />
Zu den Schlüsselmerkmalen der <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />
europaregionaler Prägung gehören einerseits ein emanzipatorischer<br />
Bildungsauftrag und andererseits eine<br />
periphere Lage in öffentlichen Bildungssystemen – die<br />
gewöhnlich zu einer chronischen Unterfinanzierung<br />
führen. Typisch sind zudem komplexe, kleinteilige<br />
und vielfältige Angebotsstrukturen, die sich nicht nur<br />
flächendeckenden Zusammenfassungen, sondern auch<br />
starken Regulierungsmaßnahmen entziehen, zumal<br />
es unzählige Privatanbieter gibt, die zunehmend auch<br />
als Netzunternehmen und grenzüberschreitend wirken.<br />
Demgegenüber weisen Teilnahmemuster in der<br />
Regel weiterhin diverse soziale Schieflagen auf, wenngleich<br />
in manchen Ländern weniger beziehungsweise<br />
mehr ausgeprägt und auf der Grundlage stärkerer bzw.<br />
schwächerer absoluter Teilnahmequoten. Der Professionalisierungsgrad<br />
sowie – zum Teil damit verbunden<br />
– die Beschäftigungsqualität variieren, je nach Land<br />
und Teilsektor, in der Gesamtbetrachtung erfreuen sich<br />
Erwachsenenbildner/innen jedoch über weniger gute<br />
Bedingungen als Schulpädagog/innen oder Hochschullehrende.<br />
Darüber hinaus wächst der <strong>Erwachsenenbildung</strong>ssektor<br />
in Europa stetig, und zwar vor allem in zwei<br />
Richtungen: im Bereich der Basisbildung (Alphabetisierung,<br />
Grundkompetenzen inklusive digitaler Kompetenz<br />
sowie Fremdsprachen, auch für Neuankömmlinge)<br />
und im Bereich der berufsbezogenen Weiterbildung<br />
(inklusive Sozialkompetenz u.v.m. an „soft skills“).<br />
Während die Basisbildung am ehesten von öffentlichen<br />
Institutionen <strong>zur</strong> Verfügung gestellt oder zumindest<br />
von der öffentlichen Hand finanziert wird, teilen<br />
öffentliche und private Anbieter das Feld der berufsbezogenen<br />
Weiterbildung unter sich. Die allgemeine<br />
<strong>Erwachsenenbildung</strong> klassischen Zuschnitts ist hier ein<br />
wenig aus dem Blick geraten und wird sich in den kommenden<br />
Jahren sicher erneuern müssen, sowohl um von<br />
der gesellschaftspolitischen Bedeutung ihres Mandats<br />
verstärkt zu überzeugen als auch hinsichtlich der Überlegung,<br />
wie sie sich als Kernbestandteil einer ganzheitlich<br />
konzipierten <strong>Erwachsenenbildung</strong> etablieren kann.<br />
Das bedeutet vor allem die aktive Mitgestaltung einer<br />
wirklich offenen Bildungslandschaft entlang des Lebens<br />
(also „lifelong“) und im Lebensquerschnitt (also „lifewide“)<br />
mit fließenden Grenzen und flexiblen Übergängen<br />
zwischen allgemeinen und beruflichen Bildungsfeldern<br />
sowie zwischen der Erwachsenen-/Weiterbildung<br />
und der Hochschulbildung.<br />
Die Überschrift <strong>Erwachsenenbildung</strong> als globale Aufgabe<br />
kann sehr wohl in genau diesem Sinne verstanden<br />
werden, sofern unsere Augen auf die Weltregion<br />
Europa gerichtet bleiben. Im Zuge der Wahrnehmung<br />
dieser Aufgabe wären die Herausforderungen, die im<br />
einleitenden Absatz aufgeführt wurden, je nach spezifischem<br />
Kontext nachhaltig anzugehen. Und in etwa so<br />
sieht Europa aus der Vogelperspektive aus, wenn man<br />
die ganze Welt in den Blick nimmt. Europas Vielfalt<br />
verblasst, die großen gemeinsamen Linien treten hervor<br />
und angesichts der vergleichsweise komfortablen<br />
Stellung und Ausstattung der <strong>Erwachsenenbildung</strong> in<br />
der Region erscheinen ihre (zum Teil ewigen) bildungstheoretischen<br />
sowie bildungspolitischen Streitfragen als<br />
schöne Nebensache. Global betrachtet ist Europa selbst<br />
Nebensache, auf jeden Fall was Bildung in Theorie und<br />
Praxis auf der gesamten Linie angeht. Und sowieso in<br />
deutscher Sprache – selbst das Wort aller Wörter auf<br />
diesem Feld, nämlich Bildung, kann die Gemüter nicht<br />
aufregen, zumal der Begriff beziehungsweise das Konzept<br />
ohne langatmige Erläuterungen so gut wie nicht zu<br />
übersetzen ist.<br />
Wie ist denn <strong>Erwachsenenbildung</strong> als globale Aufgabe<br />
– also aus weltweiter Sicht – zu begreifen? Unübersehbar<br />
drängt sich zunächst das Ausmaß des Analphabetismus<br />
nach ganz oben auf die Tagesordnung:<br />
774 Millionen Menschen können weder lesen noch<br />
schreiben, auch wenn nicht wenige unter ihnen zumindest<br />
ein kurze Zeit <strong>zur</strong> Schule gegangen sind. Die Lage<br />
hat sich seit der unesco-Education-For-All-Erklärung<br />
im Jahr 1990 und der un-Millennium-Development-<br />
Goals-Vereinbarung im Jahr 2000 merklich gebessert.<br />
Nur nimmt die Weltbevölkerung ebenso merklich<br />
weiter zu – nicht jedoch die Ressourcen, alle wirksam<br />
zu erreichen. Analphabetismus ist in erster Linie eine<br />
Folge der individuellen und staatlichen Armut, ergo<br />
finden sich die höchsten Quoten in Süd-/Westasien<br />
und in den Ländern Afrikas südlich der Sahelzone. In<br />
zweiter Linie gehen Analphabetismus und soziale Ungleichheiten<br />
Hand in Hand. Daher besitzt die Frauenbildung<br />
eine hohe globale Priorität: mehr als drei von<br />
fünf der über 15 -Jährigen, die weltweit nicht lesen und<br />
schreiben können, sind weiblich. Die Quoten liegen in<br />
den ärmsten Ländern am höchsten. Seit kurzem bestätigen<br />
die piaac-Ergebnisse, dass selbst Europa nicht<br />
ausgenommen ist: Zwischen zirka 10 bis 30 Prozent der<br />
DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 12-2013 · NR. 250 — 21