zur Erwachsenenbildung
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Rezensionen<br />
Catherina Vana<br />
Was ist Neurodidaktik und was kann die<br />
Sprachdidaktik von dieser lernen, was Lehrende<br />
nicht schon längst wussten? Diesen<br />
Fragen geht die Linguistin Marion Grein in<br />
„Neurodidaktik. Grundlagen für Sprachlehrende“<br />
nach. Ihr Buch bietet Fremdsprachenlehrenden<br />
eine kompakte und verständliche<br />
Einführung in die neurobiologischen<br />
Grundlagen des Lernens, die sie anhand<br />
verschiedener Lernendengruppen und -variablen<br />
detailliert darstellt und die sie für die<br />
konkrete unterrichtspraktische Anwendung<br />
aufbereitet.<br />
Das Feld der Neurodidaktik untersucht<br />
das Lernen aus Perspektive der Hirnforschung.<br />
Im Zentrum stehen das Gehirn und<br />
seine Stoffwechselprozesse, die Aufschluss<br />
über den Lernprozess geben können. Dieser<br />
Marion Grein: Neurodidaktik.<br />
Grundlagen für<br />
Sprachlehrende<br />
Ismaning: Hueber, 2013, 96 Seiten.<br />
funktioniert aus neurobiologischer Sicht<br />
durch den Aufbau von festen Verbindungen<br />
zwischen den Neuronen im Gehirn beziehungsweise<br />
dem Cortex (Großhirnrinde).<br />
Für das Sprechen und das Erlernen von Sprache<br />
sind alle Bereiche des Cortex zuständig.<br />
Auch die Synapsen spielen eine wichtige<br />
Rolle beim Lernen, da sie für die Weiterleitung<br />
von Reizen und Neurotransmittern beziehungsweise<br />
chemischen Stoffen zwischen<br />
den Neuronen zuständig sind.<br />
Nach dieser neurobiologischen Einführung<br />
stellt die Autorin in den weiteren Kapiteln<br />
das Sprachenlernen vor der Geburt und<br />
im Kleinkindalter sowie die Bedeutung der<br />
verschiedenen Gedächtnisformen und des<br />
idealen Neurotransmitter-Cocktails für das<br />
Sprachenlernen dar. Als ideal wird hierbei<br />
eine biochemische Zusammensetzung gesehen,<br />
bei der sich anregende und hemmende<br />
Neurotransmitter gegenseitig im Gleichgewicht<br />
halten.<br />
Die Bedeutung dieser neuronalen Prozesse<br />
setzt die Autorin immer wieder in Beziehung<br />
<strong>zur</strong> unterrichtlichen Praxis und zum<br />
Lernen und stellt fest, dass die Art und Weise,<br />
wie Inhalte vermittelt werden, einen großen<br />
Einfluss darauf hat, ob Inhalte gespeichert<br />
und welche Neurotransmitter ausgeschüttet<br />
werden. Detailliertere Darstellungen sind für<br />
einige Lernendengruppen vorhanden, wie<br />
z. B. Mehrsprachige oder lernungewohnte<br />
Lernende, sowie für den Einfluss individueller<br />
Lernendenvariablen wie zum Beispiel<br />
Motivation, Alter und Geschlecht. Als besonders<br />
interessant für Lehrende erweisen<br />
sich die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten<br />
für den Fremdsprachenunterricht, die<br />
z. B. auf den Einsatz verschiedener Medien<br />
oder den Stellenwert von Pausen und Wiederholung<br />
eingehen. Grein schließt mit der<br />
Feststellung, dass im Rahmen der neurowissenschaftlichen<br />
Forschung sowohl neue<br />
Erkenntnisse gewonnen, als auch bereits aus<br />
der Lernpsychologie bekannte bestätigt wurden.<br />
Die Neurodidaktik trägt somit entscheidend<br />
dazu bei, den Lernprozess nachvollziehbarer<br />
zu machen, ihn zu evaluieren und<br />
zu optimieren. //<br />
Werner Lenz<br />
Ein Buch, für das man sich Zeit lassen sollte:<br />
Es zeigt autobiographisch, wie ein junger<br />
Mensch in die Verhältnisse und Stimmungen<br />
des Gemeinwesens hineinwächst – auch das<br />
Private ist politisch!<br />
In sanften Pinselstrichen „erfindet“ Urs<br />
Widmer die ersten dreißig Jahre seines Daseins.<br />
Witzig und ironisch blickt der Autor,<br />
1938 in Basel geboren, mit dem Mut <strong>zur</strong> Lücke<br />
auf seinen Lebenslauf. Der Zweite Weltkrieg<br />
prägt das erste Jahrzehnt, er tobt bis <strong>zur</strong><br />
Urs Widmer: Reise an<br />
den Rand<br />
Zürich: Diogenes 2013, 352 Seiten.<br />
nahen Grenze, verirrte Bomben fallen in der<br />
Nähe, Fluggeschwader dröhnen, die Familie<br />
flieht auf das Land. Der junge Urs findet<br />
Freunde, erlebt Trennungen, wünscht sich<br />
statt der neugeborenen Schwester lieber ein<br />
Fahrrad und sagt von der von ihm vergessenen<br />
Zeit in der Volksschule: Die Schuljahre<br />
gingen halt so hin.<br />
Auch wenig angenehme Erinnerungen<br />
an die Schule im zweiten Dezennium. Wir<br />
hören mehr über die Familie und Widmers<br />
erste Erfahrungen mit Mädchen, seine Bubenspiele<br />
und das Radfahren – ja, und über<br />
sein Bestreben ein Bub zu bleiben, durch das<br />
Tragen kurzer Hosen. Erste Erfahrungen in<br />
der Fremde: Autostopp nach Süden, Reisen<br />
mit der Vespa, ein Semester in Montpellier.<br />
Das dritte Jahrzehnt, 1958–1968 startet<br />
Widmer an der Uni Basel. Bemerkenswerte<br />
Lehrer wie Muschg oder Jaspers beeindrucken<br />
ihn – leidenschaftliche Intellektuelle,<br />
die, wie er meint, heute an den Hohen Schulen<br />
selten geworden sind.<br />
Widmer schildert seine Liebesabenteuer,<br />
verbringt ein Jahr in Paris, sehnt sich zwar,<br />
aber ist noch nicht bereit für das „glasklare<br />
Erwachsensein“, nämlich eine Familie zu<br />
gründen. Am Ende des Jahrzehnts hat er eine<br />
Frau fürs Leben, eine Wohnung in Frankfurt<br />
und eine Lektorenstelle beim Suhrkamp-Verlag<br />
gefunden. Das Manuskript seines ersten<br />
Romans ist abgeschlossen.<br />
Die gesellschaftlichen Betrachtungen, die<br />
jedem Jahrzehnt nachgestellt sind, und seine<br />
Erinnerungen schließt Widmer mit dem<br />
Satz: Eine neue Zeit hat begonnen. //<br />
52 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 12-2013 · NR. 250