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zur Erwachsenenbildung

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Schwerpunkt Positionen <strong>zur</strong> <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />

„Handlungs-“ oder „Aktionsforschung“. Arno Bammé<br />

und Armin Spörk (2014), die diese Entwicklungen kurz<br />

skizzieren, weisen auf eine komplexe Schwierigkeit hin:<br />

Gesellschaftliche Probleme, die wissenschaftlich analysiert<br />

und gelöst werden sollen, rufen eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher, aber legitimer Sichtweisen hervor,<br />

die eines kommunikativen Konsensus bedürfen. Traditionelle<br />

Wissenschaft bringt das in verschiedenen Theorieansätzen<br />

oder „Schulen“ zum Ausdruck, die nebeneinander<br />

bestehen. Interventionswissenschaft zielt auf<br />

Partizipation der Beteiligten und Betroffenen, auf einen<br />

Balanceakt, der interpretative Flexibilität erfordert. In<br />

der Geschichte der iff (Fakultät für Interdisziplinäre<br />

Forschung und Fortbildung) ist eine Vielzahl derartiger<br />

wissenschaftlicher Vorgangsweisen konzipiert und<br />

durchgeführt worden. Grundsatzfragen und Beispiele<br />

dieses wissenschaftlichen Selbstverständnisses sind in<br />

einer aktuellen Buchpublikation, „Inter- und transdisziplinär<br />

forschen“ (Dressel, Berger, Heimerl & Winiwarter,<br />

2014), nachzulesen.<br />

Damit ist auch ein neuer Typus von Wissenschafter/<br />

innen gefordert. Anstelle des Humboldtschen Mottos<br />

„Einsamkeit und Freiheit“ tritt „Kommunikation und<br />

Handlung“. Forscher/innen mit inter- und transdisziplinären<br />

Anliegen sollten die „Geschichten“, die das Leben<br />

schreibt, verstehen, anhören und sich auf sie sowie<br />

auf die darin aufeinander bezogenen Menschen einlassen.<br />

Kommunizieren und Handeln sind ihre modernen<br />

„Tools“.<br />

Gesellschaft spüren<br />

Als Wissenschaft, personifiziert durch Professuren,<br />

hat sich <strong>Erwachsenenbildung</strong> in Österreich, etwa ein<br />

Jahrzehnt später als in Deutschland, Anfang der 1970er-<br />

Jahre etabliert (vgl. Lenz, 2013). Im Rahmen der Ausdifferenzierung<br />

von Pädagogik/Erziehungswissenschaft<br />

wurde <strong>Erwachsenenbildung</strong> als Teildisziplin solchen<br />

Instituten zugeordnet. Damit standen Fragen im pädagogischen<br />

Kontext – Didaktik, Methoden, Lehren<br />

und Lernen mit Erwachsenen – im Vordergrund. Es<br />

bestand die Vorstellung, die Universität könne, analog<br />

<strong>zur</strong> Lehrerbildung für die Höheren Schulen, künftige<br />

Praktiker/innen für die <strong>Erwachsenenbildung</strong> qualifizieren.<br />

Letzteres konnte nicht gelingen, da es in der<br />

<strong>Erwachsenenbildung</strong> nicht die entsprechende Anzahl<br />

an Berufspositionen gab und gibt. Nicht die Professionalität,<br />

sondern der Grad der „Verberuflichung“, wie es<br />

die Soziologen nennen, ist sehr bescheiden. Interdisziplinarität<br />

wurde eine Möglichkeit, Zugang zu anderen<br />

Berufsfeldern zu erschließen.<br />

Wissenschaftliche <strong>Erwachsenenbildung</strong> hat aber<br />

auch aus einem anderen Grund inter- und transdisziplinäre<br />

Orientierung entwickelt. Bildungsarbeit mit Erwachsenen<br />

macht auf ihre Lebenssituation und ihre sozialen<br />

Bedingungen aufmerksam. <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />

gilt als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen.<br />

Im Lernbedarf Erwachsener äußern sich ökonomischer<br />

Druck, soziale Notlagen und Zwang zum Lernen genauso,<br />

wie der Wunsch nach Aufklärung über den oder<br />

nach Teilhabe am gesellschaftlichen Wandel.<br />

Das ganze Leben<br />

<strong>Erwachsenenbildung</strong>, die gesellschaftliche Einbettung<br />

und Bedingtheit ernstnahm, sich damit auch auseinandersetzte<br />

und sie verändern wollte, konnte als<br />

kritische Sozialwissenschaft nur inter- und transdisziplinär<br />

agieren. Da aber für das Leben Erwachsener auch<br />

die Erfahrungen in der Kindheit, z. B. die Qualität der<br />

Grundbildung, die soziale und kulturelle Herkunft, Berufswahl<br />

und Erfahrungen im Arbeitsleben aber ebenso<br />

das Altern eine Rolle spielen, entwickelte sich bald die<br />

Frage nach dem Lebenslauf in seiner Bedeutung für die<br />

Erforschung menschlicher Bildung und menschlichen<br />

Lernens.<br />

Das Konzept „lebenslanges Lernen“ unterstützt die<br />

wissenschaftliche Perspektive, die ganze Lebensspanne<br />

im Hinblick auf Bildungs- und Lernprozesse zu untersuchen.<br />

Dies ergänzend neige ich zu einer Konzeption,<br />

die <strong>Erwachsenenbildung</strong> nicht allein zu einer erziehungswissenschaftlichen<br />

Domäne erklärt, sondern die<br />

sich interdisziplinär und problemorientiert als Wissenschaft<br />

vom Menschen versteht. Eine solche erweiterte<br />

Perspektive, habe ich bemerkt, ist nicht alleine meine<br />

Idee. Bedingungen, Entwicklungen und Erfordernisse<br />

der modernen Gesellschaft bringen ähnliche Ansichten,<br />

wenn auch unterschiedlich akzentuiert, hervor. Dieter<br />

Lenzen, Erziehungswissenschafter und Hochschulmanager,<br />

entgrenzt die Pädagogik. Er will den Unterschied<br />

„Kind – Nichtkind“ zugunsten des ganzen Lebenslaufes<br />

auflösen und in theoretischer Hinsicht Individual-, Sozial-<br />

und Kulturwissenschaft einbeziehen. Kommunikation<br />

wird das entscheidende Medium.<br />

Es entsteht dadurch anstelle der Pädagogik ein Integrationsfach<br />

für Lebenslaufspezialist/innen, die sich<br />

um die Humanontogenese kümmern.<br />

Bernhard Rathmayr greift dies in seinem aktuellen<br />

Versuch, Erziehungswissenschaft zu bestimmen, auf.<br />

Er spricht wieder vom „Gegenstand“ der Erziehungswissenschaften<br />

(die Mehrzahl ist beabsichtigt), die er zu<br />

Wissenschaften des Lebenslaufes erklärt: “Gegenstand<br />

der Erziehungswissenschaften ist dezidiert nicht mehr<br />

nur das Kind und seine Erziehung, sondern das Insgesamt<br />

der Prozesse menschlicher Existenz im Laufe des<br />

ganzen Lebens.“ (Rathmayr, 2012, S. 181).<br />

Kampf, Konkurrenz, Konzentration<br />

Diese Entgrenzung, die neue Orientierung, neue<br />

Kooperationen und neue Organisationsformen erfordert,<br />

birgt vielleicht auch den Wunsch nach Allmacht<br />

und Omnipotenz, oder auch nur das mir verständliche<br />

Anliegen den Geltungsbereich pädagogischer, pardon,<br />

erziehungswissenschaftlicher Aussagen zu erhöhen.<br />

Forschungspolitisch betrachtet entspricht es der Tendenz<br />

Großforschungsbereiche zu etablieren, weil ihnen<br />

im internationalen Wettbewerb größere Effizienz zugeschrieben<br />

wird. Seit einigen Jahren versuchen alle österreichischen<br />

Universitäten ihre Forschungen in wenigen<br />

– drei bis fünf –Schwerpunkten zu bündeln und international<br />

zu vernetzen.<br />

Forschung unterliegt den Gesetzen des internationalen<br />

ökonomischen Wettbewerbs – reorganisierte<br />

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 12-2013 · NR. 250 — 25

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