Archivar 2/2013 (3 MByte) - Archive in NRW
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Anforderungen an die ordnungsgemäße<br />
AKTENführung<br />
E<strong>in</strong>e Handreichung des Staatsarchivs<br />
der Freien und hANsestadt<br />
Hamburg für die Führungskräfte<br />
<strong>in</strong> der Verwaltung<br />
Im Jahre 2007 beschrieb e<strong>in</strong> Beitrag <strong>in</strong> „Der <strong>Archivar</strong>“ die Vorbereitung,<br />
Durchführung und Nachbereitung e<strong>in</strong>er Behördenumfrage<br />
zum Stand der Schriftgutverwaltung <strong>in</strong> der hamburgischen<br />
Verwaltung. 1 Seit dieser Behördenumfrage hat das Staatsarchiv<br />
die Beratung der Behörden <strong>in</strong>tensiviert und <strong>in</strong>zwischen auch<br />
grundsätzliche Überlegungen zu e<strong>in</strong>em tragfähigen Records<br />
Management e<strong>in</strong>gebracht. 2<br />
Der geme<strong>in</strong>same Nenner von Behörden und Staatsarchiv ist die<br />
aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes hergeleitete Sicherung<br />
von Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns.<br />
Registraturgut übernimmt diese Aufgabe <strong>in</strong> Hamburg für e<strong>in</strong>en<br />
Zeitraum von <strong>in</strong> der Regel bis zu 30 Jahren, das daraus erwachsene<br />
Archivgut auf ewig. Entspricht das Registraturgut nicht<br />
den rechtsstaatlichen Anforderungen, so wird dieser Makel bei<br />
der Umwidmung zu Archivgut nicht geheilt. Und soweit sich<br />
e<strong>in</strong> Geschehen gar nicht <strong>in</strong> Akten abbildet, ist es <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />
verlässlich nachvollziehbar. 3 Ke<strong>in</strong>e Akte, ke<strong>in</strong> Archivgut. Den vornehmlich<br />
auf die Aussonderung gerichteten und zudem sprachlich<br />
Distanz ausdrückenden Begriff der „Vorfeldarbeit“ nutzt das<br />
Staatsarchiv nicht. Angesichts ihrer Tiefe und Wirkung wird die<br />
Beratung als Querschnittsaufgabe verstanden, die aus der Mitte<br />
der Verwaltung heraus für die Verwaltung wahrgenommen wird. 4<br />
Die hier abgedruckte Handreichung ist e<strong>in</strong>e Form der Beratung<br />
und richtet sich an die Führungskräfte auf allen Ebenen <strong>in</strong> der<br />
hamburgischen Verwaltung. Diese s<strong>in</strong>d letztlich für die Qualität<br />
der Aktenführung <strong>in</strong> ihren Bereichen verantwortlich, auch <strong>in</strong>dem<br />
sie ihren Mitarbeitenden bei zunehmender Aufgabenverdichtung<br />
die Zeit verschaffen, die Geschehnisse <strong>in</strong> Akten abzubilden.<br />
Die Handreichung wurde im so genannten „FHHportal“, e<strong>in</strong>er<br />
verwaltungs<strong>in</strong>ternen Sharepo<strong>in</strong>t-Anwendung, platziert und der<br />
L<strong>in</strong>k den Leitungen der Organisationsabteilungen zur Weitergabe<br />
<strong>in</strong> ihren Behörden übermittelt. Zeitgleich erhielten die behördlichen<br />
Innenrevisionen, die Registraturen sowie Multiplikatoren<br />
(z. B. Ausbildungsleitungen) ebenfalls e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die<br />
Handreichung. Dass die verschiedenen Empfängerkreise erreicht<br />
wurden, zeigen die <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>gegangenen Anrufe und Mails<br />
aus den Behörden. Insofern konnte auf diese Weise auch der Kontakt<br />
zwischen Staatsarchiv und Behörden gestärkt werden.<br />
Die Handreichung umfasst acht Seiten, wobei nach Abzug von<br />
Deckblatt und Quellenangaben fünf Seiten Text übrig bleiben. Sie<br />
stellt die Verschriftlichung e<strong>in</strong>es Vortrages dar, den die Verfasser<strong>in</strong><br />
vor Ort <strong>in</strong> den Behörden anbietet. Auch der Vortrag ist auf die<br />
zeitlichen Belange <strong>in</strong>sbesondere höherer Führungskräfte ausgerichtet<br />
und überschreitet <strong>in</strong> der Regel 40 M<strong>in</strong>uten nicht.<br />
Sowohl der Vortrag als auch die Handreichung gehen auf diejenigen<br />
Fragen e<strong>in</strong>, welche <strong>in</strong> der Verwaltungspraxis am meisten<br />
„drücken“: Was ist angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten<br />
e<strong>in</strong>e Akte und wann ist sie vollständig? Wie ist mit SMS<br />
umzugehen? Dabei werden diese Fragen nicht immer e<strong>in</strong>deutig<br />
beantwortet, sondern es werden Wege zu ihrer bereichsspezifischen<br />
Klärung aufgezeigt.<br />
In der behördenübergreifenden Beratungstätigkeit konzentriert<br />
sich das Staatsarchiv <strong>in</strong>zwischen auf die Führungskräfte. Ohne<br />
ihre Mitwirkung werden die verkrusteten Strukturen, die für den<br />
Qualitätsabfall im Umgang mit Akten verantwortlich s<strong>in</strong>d, nicht<br />
aufzubrechen se<strong>in</strong>. Kommen beispielsweise Registraturkräfte aus<br />
e<strong>in</strong>er Fortbildungsveranstaltung, so benötigen sie „transferförderliche<br />
(…) Rahmenbed<strong>in</strong>gungen“ 5 , da sie anderenfalls bei der<br />
Umsetzung ihres neuen Wissens auf Widerstand stoßen werden.<br />
Die Akte ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der Handreichung als organisatorisch-rechtliches<br />
Konzept, als e<strong>in</strong>e Verknüpfung von Aufzeichnungen. Dies<br />
ist e<strong>in</strong> neuer Kernbegriff, der nicht mehr beliebig austauschbar<br />
ist, weil auch er e<strong>in</strong> Konzept repräsentiert. Je mehr für die Führungskräfte<br />
die konzeptionelle Dimension des Themas erkennbar<br />
wird, desto eher s<strong>in</strong>d sie erfahrungsgemäß bereit, ihrer Verantwortung<br />
gerecht zu werden.<br />
Irmgard Mummenthey, Hamburg<br />
1 Julia Brüdegam, Hendrik Eder und Irmgard Mummenthey: Die gefühlte<br />
Misere <strong>in</strong> greifbaren Zahlen: Schriftgutverwaltung <strong>in</strong> der Freien und Hansestadt<br />
Hamburg. Ausgangssituation – Standards – Perspektiven. In: Der<br />
<strong>Archivar</strong> 60 (2007) H. 1, S. 29-33.<br />
2 Irmgard Mummenthey, Überlegungen zu Records Management <strong>in</strong> der hamburgischen<br />
Verwaltung, <strong>in</strong>: Standards und Normen im Alltag der <strong>Archive</strong>.<br />
44. Rhe<strong>in</strong>ischer Archivtag, 10.-11. Juni 2010 <strong>in</strong> Bonn-Bad Godesberg (Archivhefte<br />
41) Bonn 2011, S. 30-35. Die Impulse gaben vor allem die Veröffentlichungen<br />
von Marc Schaffroth und Peter Toebak.<br />
3 Vgl. dazu Udo Schäfer: Quod non est <strong>in</strong> actis, non est <strong>in</strong> mundo. Zur Funktion<br />
öffentlicher <strong>Archive</strong> im demokratischen Rechtsstaat. In: Alles was Recht<br />
ist. Archivische Fragen – juristische Antworten. 81. Deutscher Archivtag <strong>in</strong><br />
Bremen (Tagungsdokumentation zum Deutschen Archivtag, Band 16), S. 58-<br />
78, hier <strong>in</strong>sbes. S. 71-74.<br />
4 Vgl. ebd., S. 74-77.<br />
5 Reg<strong>in</strong>e Kuglstatter: Multiplikatoren – Mogelpackung oder Wunderwaffe?<br />
Was das Multiplikatorenpr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> der betrieblichen Bildung tatsächlich<br />
leisten kann, Hamburg 2012, S. 9.<br />
<strong>Archivar</strong> 66. Jahrgang Heft 02 Mai <strong>2013</strong>