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Archivar 2/2013 (3 MByte) - Archive in NRW

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allen Messpunkten raumübergreifend vergleichen zu können.<br />

In der Praxis s<strong>in</strong>d materielle und zeitliche Ressourcen jedoch<br />

meist begrenzt. Daher kann es je nach Art und Anzahl der zur<br />

Verfügung stehenden Sensoren und zu messenden Räumlichkeiten<br />

s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, das Magaz<strong>in</strong> mit den stärksten Klimaauffälligkeiten<br />

– beispielsweise <strong>in</strong> Form von Schimmelbefall – als Hauptmessraum<br />

mit e<strong>in</strong>er größeren Anzahl Sensoren auszustatten. Die<br />

Anbr<strong>in</strong>gung sollte zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> oberer und unterer Raumhöhe<br />

erfolgen. Über wenige Referenzmesspunkte werden die Magaz<strong>in</strong>e<br />

anderer Etagen dann zum Hauptmessraum <strong>in</strong> Relation gesetzt.<br />

Die vorgestellte Messpunktpositionierung bildet die Basis für<br />

e<strong>in</strong>e begründete Reduktion der Messpunkte zur Installation e<strong>in</strong>es<br />

dauerhaft und rationell durchführbaren Messverfahrens.<br />

Aufgrund von Wärmebrücken oder fehlender Luftzirkulation<br />

können die Werte der rF im Raum und direkt an Materialoberflächen<br />

vone<strong>in</strong>ander abweichen. Für hygroskopische Materialien<br />

wie Papier ist bei der klimatischen Überwachung e<strong>in</strong>es Raumes<br />

daher zu empfehlen, zusätzlich zur rF der Raumluft auch die<br />

oberflächennahe rF direkt am Objekt zu messen. 3 Für dauerhafte<br />

Messungen im Rahmen e<strong>in</strong>es Messverfahrens eignet sich<br />

hierzu am besten e<strong>in</strong> Messsystem mit flachen Sensoren, die <strong>in</strong> das<br />

Schriftgut e<strong>in</strong>gelegt werden. Idealerweise erfolgen die Messungen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „geschlossenen System“, um verfälschende E<strong>in</strong>flüsse zu<br />

vermeiden. 4 E<strong>in</strong> solches kann bereits durch die dichte Verpackung<br />

des zu messenden Materials <strong>in</strong> Papier hergestellt werden. Damit<br />

durchgängige Messungen nicht mit Benutzungsanfragen kollidieren,<br />

können auch dauerhaft <strong>in</strong> den Magaz<strong>in</strong>en deponierte und<br />

verpackte „Schriftgut-Attrappen“ zum E<strong>in</strong>satz kommen.<br />

Def<strong>in</strong>ition relevanter Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

Nach wissenschaftlichen Kriterien def<strong>in</strong>ierte Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

ermöglichen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stufung der im Magaz<strong>in</strong> vorhandenen<br />

klimatischen Gegebenheiten für das dort gelagerte Archiv- und<br />

Bibliotheksgut als kritisch oder unkritisch. Sie bieten im Zusammenhang<br />

mit der entwickelten Auswertungssystematik zudem die<br />

Möglichkeit, Messdaten schematisch abarbeiten zu können. Die<br />

Systematik basiert auf vere<strong>in</strong>fachten Randbed<strong>in</strong>gungen mikrobiologischer,<br />

bauphysikalischer und konservatorischer Art, deren<br />

Herkunft und Zusammensetzung im Folgenden näher erläutert<br />

werden.<br />

Vere<strong>in</strong>fachte Randbed<strong>in</strong>gungen klimatechnisch behandelter Luft 5<br />

konnten aufgrund des komplexen Zusammenspiels der Mess-,<br />

Steuerungs- und Regelungstechnik (MSR-Technik) e<strong>in</strong>er Vollklimaanlage<br />

nicht bestimmt werden. Sie müssen <strong>in</strong> der Auswertungssystematik<br />

daher bis auf weiteres unberücksichtigt bleiben.<br />

Datenauswertung – Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er TAbellarischen AuswertungssysTEMATik<br />

Grundlegende Informationen<br />

Die zu entwickelnde Auswertungssystematik sollte e<strong>in</strong>e möglichst<br />

rationelle Auswertbarkeit der Messdaten ermöglichen, weshalb<br />

zunächst technische Eigenschaften der zur Verfügung stehenden<br />

M<strong>in</strong>iaturdatenlogger 6 zu berücksichtigen waren. Die M<strong>in</strong>iaturdatenlogger<br />

verfügen über e<strong>in</strong>en begrenzten <strong>in</strong>ternen Speicher<br />

der im 5 M<strong>in</strong>uten-Intervall aufgezeichneten rF- und T-Werte,<br />

der regelmäßig per USB-Schnittstelle am PC auszulesen war.<br />

Angesichts des damit verbundenen manuellen Auslese- und Auswertungsaufwandes<br />

und hoher Datenmengen erfolgte die bereits<br />

weiter oben benannte E<strong>in</strong>grenzung der Auswertungszeiträume<br />

auf witterungsbed<strong>in</strong>gte Spitzenwerte, die bei der Bestimmung<br />

kritischer Messpunkte besonders aussagekräftige Ergebnisse<br />

liefern konnten.<br />

Zur quantitativen und qualitativen Bewertung des Gefährdungsgrades<br />

von Schriftgut an e<strong>in</strong>em Messpunkt wurden den im<br />

Folgenden erläuterten Randbed<strong>in</strong>gungen Risikostufen (RS) und<br />

Risikofaktoren (RF) zugewiesen. Der Gefährdungsgrad lässt sich<br />

bei den mikrobiologischen und bauphysikalischen Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

nach der allgeme<strong>in</strong>en Formel „RS x RF“ bestimmen.<br />

Bei den auf den Grenzwertempfehlungen der DIN ISO 11799<br />

beruhenden konservatorischen Randbed<strong>in</strong>gungen werden die<br />

Risikofaktoren zusätzlich mit der Tagesanzahl <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

Wochenzeitraums multipliziert, welche Unter- oder Überschreitungen<br />

der Grenzwerte aufweisen.<br />

Ausgehend von der Annahme, dass trotz des unterschiedlich<br />

gearteten Gefahrenpotentials für das Schriftgut im Maximalfall<br />

e<strong>in</strong>e quantitative Gleichgewichtung der e<strong>in</strong>bezogenen Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

möglich se<strong>in</strong> sollte, wurden für jede Randbed<strong>in</strong>gung<br />

140 Punkte als höchster zu erreichender Zahlenwert festgelegt. Da<br />

<strong>in</strong> die Risikobewertung e<strong>in</strong>es Messpunktes alle Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>fließen, können an e<strong>in</strong>em Messpunkt daher maximal 420<br />

Punkte – drei mal 140 Punkte – als höchster Gefährdungsgrad<br />

erreicht werden. Die Systematik ist so gestaltet, dass e<strong>in</strong> Messpunkt<br />

bereits ab 100 Punkten als kritisch e<strong>in</strong>gestuft wird und<br />

die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong> dauerhaftes Messverfahren <strong>in</strong> Erwägung<br />

gezogen werden kann.<br />

Randbed<strong>in</strong>gungen für den mikrobiologischen<br />

Bereich<br />

Das Überschreiten mikrobiologischer Randbed<strong>in</strong>gungen bedeutet<br />

die unmittelbare Gefährdung des Schriftguts durch drohenden<br />

Schimmelbefall, weshalb ihnen der maximale Risikofaktor<br />

zugewiesen wurde. Die def<strong>in</strong>ierten Randbed<strong>in</strong>gungen stammen<br />

aus e<strong>in</strong>em von Sedlbauer 7 entwickelten verallgeme<strong>in</strong>erten Isoplethensystem,<br />

welches mikrobiellen Befall von Bauteilen unter<br />

verschiedenen Feuchte- und Temperaturbed<strong>in</strong>gungen vorhersagt.<br />

Es zeigt u. a. die notwendigen Temperaturen zur vollständigen<br />

Sporenauskeimung <strong>in</strong> Abhängigkeit von Zeitraum und relativer<br />

Feuchte für verschiedene Nährsubstratgruppen an. Da auch Tapeten<br />

untersucht wurden, ist die Übernahme des Isoplethensystems<br />

für das <strong>in</strong> <strong>Archive</strong>n und Bibliotheken vorherrschende Material<br />

Papier möglich.<br />

2 Bauphysikalische Raumluftparameter <strong>in</strong> Magaz<strong>in</strong>räumen – Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es Messverfahrens am Beispiel des Landesarchivs Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen,<br />

Masterthesis von Johanna Kraemer, HAWK Hildesheim 2012, Betreuer: Prof.<br />

Dr.-Ing. Hans-Peter Leimer, Prof. Dipl.-Rest. Ulrike Hähner (beide HAWK)<br />

Rest. Matthias Frankenste<strong>in</strong> (LAV <strong>NRW</strong>).<br />

3 Meier, Christ<strong>in</strong>a; Petersen, Kar<strong>in</strong>: Schimmelpilze auf Papier – E<strong>in</strong> Handbuch<br />

für Restauratoren. Tönn<strong>in</strong>g, Lübeck und Marburg 2006, S. 20-23.<br />

4 Ebd., S. 23.<br />

5 Bei den vier thermodynamischen Luftbehandlungsfunktionen e<strong>in</strong>er Vollklimaanlage<br />

handelt es sich um das Kühlen, Entfeuchten, Erwärmen und<br />

Befeuchten der Luft.<br />

6 M<strong>in</strong>iaturdatenlogger 174H, Fa. Testo AG.<br />

7 Sedlbauer, Klaus: Vorhersage von Schimmelpilzbildung auf und <strong>in</strong> Bauteilen,<br />

Dissertation, Universität Stuttgart 2001.<br />

<strong>Archivar</strong> 66. Jahrgang Heft 02 Mai <strong>2013</strong>

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