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Rechtsextremismus in Deutschland

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argumente · rechtsextremismus <strong>in</strong> deutschland<br />

Parlamentariern aber auch gute Zeugnisse, so seien die Mitglieder des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses<br />

unter Leitung von Sebastian Edathy „hervorragend vorbereitet“ und es werde „vorbehaltlos“<br />

ermittelt, von der L<strong>in</strong>ken bis zur CSU. Leitartikler Arno Widmann lobt: „Wenn er so weiter macht, bleibt<br />

er – zu me<strong>in</strong>em Bedauern – der Ort, an dem der <strong>Rechtsextremismus</strong> <strong>in</strong> der Bundesrepublik am besten<br />

bekämpft wird.“ Die SPD-Fraktion ist im NSU-Untersuchungsausschuss neben Edathy noch durch Eva<br />

Högl, Sönke Rix, Iris Gleicke, Daniela Kolbe und Aydan Özoğuz vertreten.<br />

Migrantentreffpunkte und Moscheen auf Stadtplänen markiert<br />

Noch im Sommer 2011 campten die drei Neonazi-Terroristen erneut auf Fehmarn, e<strong>in</strong> Jahr zuvor mieteten<br />

sie sich wochenlang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ferienhaus nahe dem holste<strong>in</strong>ischen Neustadt e<strong>in</strong>. Immer fanden sie schnell<br />

Anschluss. Niemand wunderte sich über Uwe Böhnhardts „f<strong>in</strong>stere“ Tätowierungen oder den Umstand,<br />

dass er e<strong>in</strong> Nachtsichtgerät dabei hatte.<br />

Im Brandschutt der Zwickauer Wohnung fanden sich später unzählige Stadtpläne, manche mit handschriftlichen<br />

E<strong>in</strong>tragungen, Markierungen von Kulturvere<strong>in</strong>en, Moscheen oder ähnlichem. Listen von Banken aus<br />

Mecklenburg-Vorpommern waren auch darunter. Doch <strong>in</strong> ihrer privaten Umgebung galt vor allem Beate<br />

Zschäpe als hilfsbereit und freundlich. Gern trank nicht nur der Nachbar mit dem Kübelwagen oder der<br />

mit dem Hitler-Bild im Wohnzimmer e<strong>in</strong> Glas We<strong>in</strong> mit „Diddlmaus“, wie sie im Haus <strong>in</strong> Zwickau genannt<br />

wurde. Manche Frauen wunderten sich über die schwarze Kleidung der jungen Frau, das merkwürdige<br />

Dreiecksverhältnis oder die wochenlangen Abwesenheiten, aber niemand fragte nach.<br />

Das mörderische Trio verband Privates und Politisches. Lud Kameraden <strong>in</strong> den Urlaub e<strong>in</strong>. Spendierte se<strong>in</strong>em<br />

treuen Unterstützer Holger G. aus Niedersachsen e<strong>in</strong>en Rundflug über Usedom oder nahm mit ihm<br />

im Urlaub an e<strong>in</strong>em Skatturnier teil. Zu „Systemchecks“ tauchten die drei immer wieder bei denen auf,<br />

die Geld für sie deponiert hatten. Neben Beate Zschäpe stehen zwölf weitere weibliche und männliche<br />

Neonazis als mutmaßliche Unterstützer im Visier der<br />

Generalbundesanwaltschaft, Medien berichten gar<br />

über e<strong>in</strong> Netzwerk von bis zu 100 Rechten, doch die<br />

öffentliche Wahrnehmung beschränkt sich zunehmend<br />

auf das Terror-Trio.<br />

Identitäten und Pässe von Kameraden benutzt<br />

Tatsächlich waren Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt<br />

immer Teil des braunen Sumpfes. Sie sozialisierten<br />

»Die Mordserie war e<strong>in</strong> Anschlag auf unsere Demokratie.<br />

Die Gefahr des <strong>Rechtsextremismus</strong> wurde bei Polizei,<br />

Verfassungsschutz, Justiz sowie <strong>in</strong> Politik und Medien<br />

nicht erkannt.«<br />

Dr. Eva Högl, MdB<br />

Sprecher<strong>in</strong> der Arbeitsgruppe des NSU-Untersuchungsausschusses<br />

der SPD-Bundestagsfraktion<br />

sich politisch <strong>in</strong> den rassistisch aufgeheizten 1990er-Jahren, <strong>in</strong> Zeiten von Asylrechtsverschärfungen und<br />

Pogromen von Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen, radikalisierten sich mit der zunehmenden USamerikanisch<br />

geprägten „White Power-Ideologie“ und deren Aufrufen zum bewaffneten Kampf. Nahmen an<br />

Aufmärschen und Schulungen teil. Orientierten sich Ende der 1990er-Jahre wohl an brutalen rassistischen<br />

Nagelbombenanschlägen aus dem Spektrum des <strong>in</strong>ternationalen „Blood & Honour“-Netzwerkes, erfuhren,<br />

dass verurteilte Neonazi-Straftäter als „nationale Märtyrer“ verehrt wurden, lasen Schriften über kle<strong>in</strong>ste<br />

Terrorzirkel und den „führerlosen Widerstand“. Das Terror-Trio war nicht ohne Hilfe abgetaucht, benutzte<br />

Identitäten und Pässe von Kameraden, Krankenkassenkarten von Kamerad<strong>in</strong>nen, mietete rund 50 Mal<br />

Fahrzeuge an und fuhr jahrelang durch Europa. Es war mitnichten isoliert.<br />

Bis 2002 traf sich der Neonazi-Terrorist Uwe Böhnhardt auch mit se<strong>in</strong>en Eltern, Uwe Mundlos besuchte<br />

bis Sommer 2011 mehrmals se<strong>in</strong>e Heimatstadt Jena und Beate Zschäpe soll mit e<strong>in</strong>er Kamerad<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

öffentlichen Fest gegangen se<strong>in</strong> oder sich mit Freunden getroffen haben. Tatsächlich lebte der NSU nie<br />

im Untergrund, urteilt die Journalist<strong>in</strong> Mely Kiyak <strong>in</strong> ihrer Kolumne für die „Frankfurter Rundschau“, sie<br />

schreibt: „Er war sichtbar. Menschen starben sichtbar“. Ernüchternd Kiyaks Fazit: „Das Wort Rassismus<br />

lebt im Untergrund. Rassismus ist die Ursache für Mord und Zerstörung, aber auch die Ursache für skandalös<br />

geführte Ermittlungen.“<br />

40 Jahre Rechtsterrorismus <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben das Vorhandense<strong>in</strong> rechtsterroristischer Strukturen jahrzehntelang<br />

geleugnet oder kle<strong>in</strong> geredet. Gebetsmühlenartig hat es <strong>in</strong> den Verfassungsschutzberichten bis 2010 geheißen,<br />

es seien „ke<strong>in</strong>e rechtsterroristischen Strukturen feststellbar“. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es aber<br />

über Jahrzehnte Gruppierungen und so genannte E<strong>in</strong>zeltäter aus dem rechtsextremen Milieu gegeben, von denen<br />

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