Kinderstücke von A bis Z - Verlag für Kindertheater
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junges theater<br />
WALTER KOHL<br />
Talfahrt<br />
2 D - 1 H; ab 14 Jahren; UA: Theater<br />
der Figur, Nenzing, 2007<br />
Ein Berghotel im Winter: Skiurlaubsparadies <strong>für</strong><br />
die einen, monotone Maloche <strong>für</strong> die anderen.<br />
Im Aufenthaltsraum des Personals schlagen drei<br />
Menschen die Zeit tot: Waltraud alias „Dubby<br />
Dot“, Serviererin aus dem ehemaligen deutschen<br />
Osten, die <strong>von</strong> einer eigenen Bar träumt; Klara, genannt<br />
„Claire“, die Tochter aus reichem Haus, die<br />
nur ein Praktikum machen will; und der schwarze<br />
Tellerwäscher David, der aus Afrika geflohen ist.<br />
Dubby liebt David. Die beiden haben sich <strong>für</strong> alle<br />
Fälle den Schlüssel zur Seilbahn besorgt, sollten<br />
sie es irgendwann nicht mehr aushalten auf dem<br />
Berg. Die sorglose Claire weiß nichts <strong>von</strong> gescheiterten<br />
Lebensplänen, sie will nur raus aus ihrem<br />
Dorf. Sie trinkt und flirtet und verführt David, der<br />
so gerne noch einmal an etwas glauben möchte,<br />
und sei es nur daran, dass sie es ernst mit ihm<br />
meint. Als Dubby Dot die beiden aus Eifersucht<br />
provoziert, setzt sie eine Katastrophe in Gang.<br />
Mit seiner charakteristischen kargen Präzision<br />
portraitiert Walter Kohl eine Generation, der<br />
scheinbar alle Möglichkeiten offen stehen. Wer<br />
nur mobil und flexibel genug ist, der kann es<br />
schaffen, das ist öffentlicher Konsens. Doch der<br />
Tellerwäscher bleibt in diesem Stück nur Tellerwäscher.<br />
Und allein.<br />
ritzen<br />
1 D; ab 14 Jahren; UA: Theater Greifswald, 2002<br />
„Fritzi, 14 Jahre, sitzt vor einem Computer und<br />
tauscht mit einem Chat-Partner pornographische<br />
E-Mails aus. Wenn sie auf dessen Antwort wartet,<br />
geht sie ein paar Schritte hinüber zu einer Web-<br />
Kamera. Ganz nah tritt sie an das Objektiv heran,<br />
setzt ein Messer an den Unterarm und – ritsch –<br />
schneidet sich mit einem schnellen Schnitt die Haut<br />
auf; die Kamera überträgt die Szene ins Internet.<br />
Die Zuschauer halten den Atem an, sie verfolgen<br />
die Szene live auf einer großen Bühnenleinwand.<br />
„Noch nie jemand ritzen gesehen?“, fragt Fritzi<br />
cool.“ (DIE ZEIT)<br />
„Geht am besten mit dem Stanley-Messer... Bic-Rasierer<br />
ist das zweitbeste... Es tut nicht weh. Spürst<br />
du nichts. Ein kleiner Ritsch, und rot <strong>bis</strong>t du.<br />
Nein, stimmt nicht. Tut schon weh. Soll ja wehtun.<br />
Weißt erst, dass es dich gibt, wenn du spürst.<br />
Tut gut, wenn es wehtut…“.<br />
Wanted: Lili<br />
2 H; ab 10 Jahren, frei zur UA<br />
„Wanted: Lili“ steht auf den Zetteln, die der Sohn<br />
im ganzen Ort an die Bäume pinnt. Und mit Lili<br />
sucht er seine Erinnerung an die Zeit, in der die<br />
Familie noch zusammen war. Er will wissen, warum<br />
er verlassen worden ist, weshalb seine Eltern<br />
über ihn entscheiden konnten. Mit verzweifelten<br />
Provokationen versucht der Sohn, den Vater zum<br />
Sprechen zu zwingen. Zu einem Eingeständnis,<br />
mit dem das weitere Zusammenleben vielleicht<br />
möglich sein würde. Der Junge ist traurig, desorientiert<br />
und voller Aggression gegen sich und den<br />
Vater. Aber er will seine Suche nicht aufgeben.<br />
Wer Lili ist? Auf jeden Fall ist sie ein Teil <strong>von</strong> ihm.<br />
JONA MANOW<br />
Irgendein Spiel<br />
3 D - 2 H; ab 14 Jahren; auch <strong>für</strong><br />
Jugendclub geeignet; frei zur UA<br />
Klassenfahrt: ‚kein‘ Alkohol, da<strong>für</strong> Gemeinschaftsspiele<br />
… Franz, Ludwig, Antonia, Johanna<br />
und Amadea sind irgendwie in eine Gruppe eingeteilt<br />
worden, sind irgendwie auch befreundet.<br />
Aber weder wissen sie genau, worin das Spiel<br />
eigentlich besteht, noch – so zeigt es sich – kennen<br />
sie einander gut genug. Auf dem imaginären<br />
Spielbrett kommen sie einander näher, entfernen<br />
sich, kreuzen, küssen und überwerfen sie sich. Sie<br />
spielen ihre Rollen und mit ihren Motiven – der<br />
Abgeklärte, der Einsame, die Hingebungsvolle,<br />
die Nüchterne, die Unnahbare. Nach und nach<br />
wird deutlich, dass man in der Liebe alles zugleich<br />
sein darf, vielleicht sein muss.<br />
Jona Manow lässt seine jugendlichen Figuren<br />
offen und manchmal fast ungeschützt miteinander<br />
sprechen. Es sind liebenswürdige junge Menschen,<br />
die im Großen und Ganzen darauf achten,<br />
freundlich miteinander umzugehen. Keine<br />
‚Typen‘ also, sondern junge Menschen, die aufwachsen<br />
in einer Welt, in der scheinbar alles möglich<br />
ist und jede Identität gewählt und verhandelt<br />
werden kann. Damit aber ist das Spiel noch lange<br />
nicht gewonnen, denn Selbstzweifel und Maskerade<br />
sind die Kehrseiten dieses Gewinns. Und die<br />
Liebe ist noch immer das Spiel, in dem es nicht<br />
darum vampiru: geht, Kresch die Theater, meisten Krefeld Trümpfe © Eike auf Rolle der Hand<br />
zu haben, sondern darum, wie wir einander die<br />
Hand reichen können: „Hold my hand, Chuck“,<br />
sagte Lucy einst zu Charlie Brown.<br />
PER NILSSON<br />
So lonely<br />
Für die Bühne bearbeitet <strong>von</strong> Michael Müller<br />
nach der Übersetzung ins Deutsche <strong>von</strong> Birgitta<br />
Kicherer; 1 D - 1 H (Doppelbesetzungen);<br />
ab 14 Jahren; UA: GRIPS Theater, Berlin, 2011<br />
Die erste Einstellung: Es ist Samstagabend; ein<br />
Junge sitzt allein in einer Wohnung vor einer<br />
Reihe <strong>von</strong> Gegenständen, neben ihm steht ein<br />
schweigendes Telefon. So beginnt die Erzählung<br />
einer Liebe, einer unglücklichen Liebe. Station <strong>für</strong><br />
Station lässt der Junge sie Revue passieren – als<br />
drehe er tatsächlich einen Film. Jedes Ereignis<br />
wird in der Kameraeinstellung schmerzhaft deutlich<br />
– all die Andeutungen des Mädchens Ann-<br />
Katrin zum Beispiel, die er so gerne überhören<br />
wollte. Ann-Katrin, die er Herztrost nennt, seine<br />
erste Liebe! Mit der er seine erste Nacht erlebt hat,<br />
der keine weiteren folgen sollten, weil Ann-Katrin<br />
es eigentlich schon <strong>von</strong> Anfang an gesagt hat. Der<br />
Junge zerstört nacheinander alles, was ihn mit<br />
dem Mädchen verbindet, alle. Am Ende der Reihe<br />
stehen die blauen Tabletten, die er schlucken<br />
wird, damit sie sehen soll, wie sehr er sie geliebt<br />
hat. Zoom: das Telefon schweigt noch immer.<br />
„So lonely“ ist das Drehbuch einer ersten großen<br />
und jungen Liebe. Die beiden Hauptfiguren sind<br />
überhaupt nicht cool oder abgeklärt, ebenso wenig<br />
ist es ihre Sprache. Der Junge trägt sein Herz<br />
auf der Zunge und in der offenen Hand zugleich.<br />
Er zitiert nicht nur ohne Scheu seine eigenen<br />
Gedichte, sondern verschweigt überhaupt keine<br />
einzige der scheinbaren Peinlichkeiten, die uns<br />
plötzlich unterlaufen, wenn wir ganz unerfahren<br />
mitten in die großen Gefühle geraten. „So lonely“<br />
ist also im besten Sinne ein ‚untypisches‘ Jugendstück;<br />
es handelt nicht <strong>von</strong> Gewalt oder misslingender<br />
Ichwerdung. Es handelt <strong>von</strong> der Liebe<br />
und der Suche nach des Herzens Trost.<br />
„Mit großem Verständnis <strong>für</strong> die Ängste und Sehnsüchte<br />
Jugendlicher wird hier Theater betrieben,<br />
das zu jeder Zeit seine Figuren ernst und in Schutz<br />
nimmt und doch die nötige Leichtigkeit im Spiel nie<br />
vermissen lässt.“ (JURYBEGRÜNDUNG DES IKARUS)<br />
Deutscher Jugendliteraturpreis 1997<br />
IKARUS 2011 <strong>für</strong> die beste Jugendtheaterproduktion<br />
in Berlin<br />
MEG ROSOFF<br />
Just in Case<br />
Aus dem Englischen <strong>für</strong> die Bühne bearbeitet<br />
<strong>von</strong> Stefan Schroeder; 2 D - 3 H; ab 14 Jahren;<br />
UA: Junges Schauspiel am Deutschen Theater<br />
Göttingen, 2009<br />
Was wäre, wenn wir nur einen Wimpernschlag<br />
<strong>von</strong> der Katastrophe entfernt wären? Als David<br />
Case seinen kleinen Bruder im letzten Augenblick<br />
vor dem Sturz aus dem Fenster retten kann, gerät<br />
sein Leben aus den Fugen. Das Schicksal hat ein<br />
Auge auf ihn geworfen, das spürt er genau. Wie<br />
aber kann man dem eigenen Schicksal entkommen?<br />
David geht in Deckung: er ändert seinen<br />
Namen in Justin - Justin Case. Er trägt <strong>von</strong> nun<br />
an seltsame Klamotten, die das noch seltsamere<br />
Mädchen Agnes <strong>für</strong> ihn aussucht. Er erfindet sich<br />
einen Windhund, zur Sicherheit. Und dann beginnt<br />
Justin zu laufen, in der Hoffnung, schneller<br />
sein zu können als all die tödlichen Gefahren, die<br />
auf ihn lauern. Wenn aber, wie sein Freund Peter<br />
sagt, Wissenschaft oft schon <strong>von</strong> einer falschen<br />
Grundannahme ausgeht, dann könnte es gut sein,<br />
dass er dabei dem Schicksal geradewegs in die<br />
Arme läuft. Und das erwartet ihn ganz ruhig mit<br />
der größtmöglichen Explosion.<br />
„Mit schwarzem Humor, aber voller Wohlwollen<br />
ihren Figuren gegenüber, erzählt Meg Rosoff<br />
vom Drama des Erwachsenwerdens und der Suche<br />
nach Identität. (...) Die Autorin verhält sich<br />
wie das Schicksal: Sie ist unberechenbar, ruppig,<br />
manchmal zynisch und manchmal zärtlich, sie<br />
opfert schon mal einen Radfahrer oder lässt einen<br />
Modedesigner über die Klinge springen. Und sie<br />
beherrscht das Timing. Wenn sie das Schicksal<br />
sagen lässt:<br />
„Jeder Komiker, Tennisspieler oder Koch kann es<br />
bestätigen: Entscheidend ist immer der richtige<br />
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