christliche werte in wirtschaft und gesellschaft - Professorenforum
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Wenn wir die gesamte abendländische Entwicklung vom <strong>christliche</strong>n Theismus bis zur<br />
Postmoderne überblicken, so können wir e<strong>in</strong>en roten Faden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Zwangsläufigkeit der Entwicklung erkennen. Schrittweise wird Gott aus dem Universum, aus<br />
dem Erkenntnisprozeß <strong>und</strong> aus der Ethik verdrängt. Gleichzeitig steigert sich der Mensch von<br />
Stufe zu Stufe <strong>in</strong> immer größere Ichbezogenheit, Ichgröße <strong>und</strong> Hybris bis zum alle<strong>in</strong>igen<br />
Bezugspunkt e<strong>in</strong>er totalen Relativierung von Realität, Wahrheit <strong>und</strong> Ethik. Es bedarf ke<strong>in</strong>er<br />
besonderen prophetischen Gabe um vorherzusehen, daß die moralische <strong>und</strong> <strong>in</strong>tellektuelle<br />
Anarchie, zu der diese Entwicklung tendiert, nicht von Dauer se<strong>in</strong> kann, sondern <strong>in</strong> der<br />
Diktatur e<strong>in</strong>es Übermenschen enden muß, der dann wieder auf Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeit von<br />
Werten <strong>und</strong> Lehren bestehen wird, allerd<strong>in</strong>gs von Werten <strong>und</strong> Lehren, die total auf ihn selbst<br />
bezogen s<strong>in</strong>d: relativ <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlich zugleich.<br />
Weltanschauung im Abendland nahm also e<strong>in</strong>e Entwicklung, die - durch immer lückenlosere<br />
naturwissenschaftliche Erklärung allen Geschehens - Gott <strong>und</strong> jegliche Transzendenz immer<br />
entbehrlicher ersche<strong>in</strong>en ließ. Angesprochen auf die Existenz Gottes erklärte e<strong>in</strong><br />
weltberühmter Physiker: "Ich brauche e<strong>in</strong>e solche Hypothese nicht". Dies führte bei vielen zu<br />
e<strong>in</strong>er Negation jeglicher Transzendenz <strong>und</strong> damit letztlich auch e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung, wie wir<br />
gesehen haben.<br />
Das wäre nicht nötig, denn auch e<strong>in</strong>e lückenlose naturwissenschaftliche Erklärung kann<br />
Transzendenz nicht falsifizieren, wie wir ebenfalls gesehen haben. Sie kann auch nicht<br />
ausschließen, daß e<strong>in</strong> Geschehen, das lückenlos strengen Naturgesetzen folgt, dennoch von<br />
e<strong>in</strong>em persönlichen, transzendenten Gott bewirkt wird. Wenn wir etwa me<strong>in</strong>en, die<br />
Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es neuen Menschenlebens biologisch lückenlos zu verstehen,<br />
so läßt sich dennoch ke<strong>in</strong>eswegs ausschließen, daß e<strong>in</strong> persönlicher transzendenter Gott<br />
diesen Prozeß bewirkt <strong>und</strong> steuert <strong>und</strong> so erneut als Schöpfer tätig wird. Die<br />
naturwissenschaftliche Erklärung betrifft nur die äußere Schale des Geschehens, das<br />
Wesentliche liegt viel tiefer <strong>und</strong> stammt aus der Transzendenz. Der berühmte Physiker<br />
Jordan hat schon vor Jahrzehnten geschrieben, daß nur "e<strong>in</strong>e sehr dünne Decke der<br />
Kausalität" über dem Geschehen liege, da ja lückenlose Kausalität <strong>in</strong> der modernen Physik<br />
ohneh<strong>in</strong> passe ist.<br />
Man kann also sagen: folgt e<strong>in</strong> Geschehen lückenlos naturwissenschaftlichen Gesetzen, so<br />
bedeutet dies nur, daß sich der transzendente Gott "im Regelfall" an die von ihm selbst<br />
aufgestellten Naturgesetze hält. Allerd<strong>in</strong>gs hat er auch jederzeit die Möglichkeit, davon<br />
abzuweichen <strong>und</strong> "W<strong>und</strong>er" zu tun, während die Naturwissenschaft es mit dem "Regelfall" zu<br />
tun hat. Wir könnten daher auch angesichts der modernen Naturwissenschaft getrost zum<br />
<strong>christliche</strong>n Theismus mit se<strong>in</strong>em offenen Universum zurückkehren, <strong>in</strong> das Gott jederzeit<br />
e<strong>in</strong>greifen kann.<br />
9.4. Christliche Weltsicht <strong>und</strong> die S<strong>in</strong>nfrage<br />
9.4.1. Der ursprüngliche S<strong>in</strong>n der Schöpfung<br />
Nach <strong>christliche</strong>r Lehre ist der persönliche Gott der Schöpfer <strong>und</strong> Erhalter des Universums.<br />
Die Existenz des Universums <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere des Menschen empfängt ihren S<strong>in</strong>n durch die<br />
Gottesbeziehung. Paulus formuliert: von ihm (Gott) <strong>und</strong> durch ihn <strong>und</strong> zu ihm h<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d alle<br />
D<strong>in</strong>ge (Rö 11, 36). Insbesondere der Mensch ist darauf angelegt, zu se<strong>in</strong>em Schöpfer, der ihn