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Zeitschr. 1+2/2002 - SVG Koblenz

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Zukunftssicherung<br />

„Gemeinsame<br />

Zukunftssicherung“<br />

Betrachtungen zur<br />

Konzernethik eines Multis<br />

Es klingt wie im Märchen – nur hier ist es Wirklichkeit und die gute Fee<br />

ist auch nicht zur Stelle.<br />

Was ist geschehen? Einige Transportunternehmer<br />

haben in den letzten<br />

Wochen Post bekommen. Absender:<br />

die Siemens AG. Und es handelt sich<br />

um einen durchaus freundlichen Brief.<br />

Jeder mittelständische Transportunternehmer<br />

muss sich doch darüber<br />

freuen, wenn sich eine so große Aktiengesellschaft<br />

wie Siemens die Mühe<br />

macht, ihn – einen „wichtigen Lieferanten“<br />

– persönlich über die „Neuausrichtung<br />

des Strategischen Einkaufs“ und<br />

den erhofften Erfolg seines „Turn-around“-Programms<br />

zu informieren. Und<br />

fast ist der Unternehmer geneigt, sich<br />

entspannt zurückzulehnen, wenn er<br />

liest, dass die „strategischen Kernlieferanten“<br />

– und damit ist sicher er, der<br />

Mittelständler, der immer hohe Leistungsqualität<br />

geboten hat, gemeint –<br />

von der zukünftigen Marktstärke von<br />

Siemens „profitieren werden“.<br />

Erst der Satz, im Gegenzug solle er<br />

„sämtliche Kostensenkungspotenziale<br />

ausschöpfen und diese im Sinne einer<br />

gemeinsamen Zukunftssicherung weitergeben“,<br />

lässt unseren mittelständischen<br />

Unternehmer aufhorchen. So<br />

werde Siemens „die Zahlungsbedingungen<br />

dahingehend anpassen, dass<br />

der jeweilige Rechnungsbetrag in 90<br />

Tagen ohne Abzug von Skonto fällig<br />

gestellt wird. Zusätzlich erwarten wir<br />

von unseren strategischen Lieferanten<br />

eine Senkung der Einstandspreise um<br />

mindestens 15 Prozent.“ Und um dem<br />

Unternehmer keine allzu große Mühe<br />

zu bereiten, liegt eine kurzfristig zurück<br />

zusendende Einverständniserklärung<br />

gleich bei.<br />

Verlassen wir zunächst unseren<br />

Transportunternehmer und wenden<br />

uns dem Verlader zu. Ist ein solches<br />

Schreiben, das den Transportunternehmer<br />

offen dazu zwingen soll, aus<br />

Furcht vor dem Verlust eines wichtigen<br />

Kunden („wesentliche Einkaufsvolumina<br />

werden auf Basis Ihrer Kooperationsbereitschaft<br />

neu verteilt“) Preisdumping<br />

zu betreiben, eigentlich mit<br />

der Unternehmensethik dieses Großkonzerns<br />

vereinbar? Glaubt der „Chief<br />

Procurement Officer“ – so nennt man<br />

wohl heute unverschämte Preisdrücker<br />

etwas verbrämt – ernsthaft, Transportunternehmer<br />

verfügten noch über solche<br />

Gewinnmargen, oder ist ihm längst<br />

bewusst, dass dieser Transporteur alsbald<br />

aus dem Markt ausscheiden und<br />

durch einen anderen Dienstleister zu<br />

ersetzen sein wird? Menschenverachtung<br />

und Ausbeutung als Geschäftsprinzip?<br />

Wo liegen die im Schreiben<br />

zitierten „Kostensenkungspotenziale“?<br />

In der Flucht aus dem Standort<br />

Deutschland? In der Absenkung sozialer<br />

Standards oder gar von Verkehrssicherheitsstandards?<br />

Getreu dem Motto: Unfälle und soziale<br />

Ausbeutung sind nicht mein Problem,<br />

sondern der Markt gibt es her. An<br />

der Rettungs- und Gesundheitstechnik<br />

verdient der Konzern ohnehin ein zweites<br />

Mal. Der Zweck heiligt die Mittel?<br />

Eines fällt noch zusätzlich auf: die<br />

vom Verlader geforderte Absenkung<br />

um 15 Prozent erinnert unwillkürlich an<br />

die durch die geplante Mauterhebung<br />

zu erwartende Steigerung der Transportkosten<br />

um ebenfalls 15 Prozent.<br />

Sollte der Verlader im Sinne seiner Zukunftssicherung<br />

bestrebt sein, die zu<br />

erwartende Transportpreissteigerung<br />

im Zuge der Mauterhebung im vorhinein<br />

schon mal zu neutralisieren?<br />

© BGL-Pressemitteilung<br />

<strong>SVG</strong>R 9+10/<strong>2002</strong> 1

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