Zeitschr. 1+2/2002 - SVG Koblenz
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Trends und Meinungen<br />
AKTUELLE EREIGNISSE<br />
Insolvenzen im<br />
1. Halbjahr <strong>2002</strong><br />
Die Creditreform hat die neuesten<br />
Zahlen und Schätzungen der Insolvenzen<br />
im ersten Halbjahr <strong>2002</strong> vorgelegt.<br />
Im ersten Halbjahr <strong>2002</strong> wurde im<br />
Vergleich zum ersten Halbjahr 2001 ein<br />
rapider Zuwachs der Gesamtinsolvenzen<br />
beobachtet. Die Gesamtinsolvenzen<br />
stiegen demnach gegenüber dem<br />
entsprechenden Vorjahreszeitraum um<br />
42,9 Prozent auf 34.600, dabei in<br />
Westdeutschland sogar um 48,4 Prozent<br />
auf 26.300, in Ostdeutschland um<br />
27,9 Prozent auf 8.300. Grund für diesen<br />
starken Zuwachs war nicht der Anstieg<br />
der Unternehmensinsolvenzen,<br />
sondern vor allem ein dramatisches<br />
Ansteigen der Verbraucherinsolvenzen.<br />
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen<br />
stieg im ersten Halbjahr <strong>2002</strong><br />
deutlich an. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />
wurde in Deutschland ein<br />
Anstieg um 25,2 Prozent auf 18.800<br />
festgestellt. Auch hier fällt der Anstieg<br />
im Westen Deutschlands stärker aus<br />
als im Osten: in Westdeutschland wird<br />
ein Zuwachs von 27,8 Prozent auf<br />
13.600 Insolvenzfälle verzeichnet, in<br />
Ostdeutschland von 18,7 Prozent auf<br />
5.200.<br />
Auffällig ist dabei, dass vor allem die<br />
kleinen Unternehmen Insolvenz anmelden<br />
müssen. In Westdeutschland fallen<br />
59,1 Prozent (im Vorjahreszeitraum:<br />
55,9 Prozent) auf Unternehmen mit bis<br />
zu 5 Mitarbeitern, in Ostdeutschland<br />
fallen 56,6 Prozent (43,4 Prozent) in<br />
diese Betriebsgrößenklasse. In der<br />
Summe fallen über 80 Prozent der Insolvenzen<br />
auf Betriebe mit bis zu 20<br />
Mitarbeitern, und das sowohl in Westdeutschland<br />
als auch in Ostdeutschland.<br />
Auffällig ist weiterhin, dass die<br />
Kategorie „Unternehmen älter als 10<br />
Jahre“ die größte lnsolvenzgruppe darstellt.<br />
In Westdeutschland war im ersten<br />
Halbjahr <strong>2002</strong> jedes dritte insolvente<br />
Unternehmen älter als 10 Jahre<br />
(33,1 Prozent), in Ostdeutschland jedes<br />
fünfte (21,1 Prozent). Allerdings ist<br />
in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen,<br />
dass in der Summe nach wie<br />
vor rund die Hälfte aller insolventen Betriebe<br />
nicht älter als sechs Jahre wird.<br />
Die Creditreform nennt als Insolvenzursachen<br />
die dürftige Ertragslage, die<br />
sinkenden Eigenkapitalquoten sowie<br />
die negativen Wirkungen von Forderungsverzögerungen<br />
und Forderungsverlusten.<br />
Werden die Unternehmenspleiten<br />
nach Branchen betrachtet, so wird im<br />
ersten Halbjahr <strong>2002</strong> vor allem der<br />
Handel und der Dienstleistungssektor<br />
stark getroffen. Die Insolvenzen im Bereich<br />
Handel stiegen dabei im Vergleich<br />
zum Vorjahreszeitraum um 39 Prozent<br />
(Dienstleistungen: 33,7 Prozent). Der<br />
Bausektor schneidet im ersten Halbjahr<br />
relativ gut ab (+ 4,8 Prozent). Dabei<br />
überrascht, dass er im Osten sogar<br />
rückläufige Insolvenzzahlen vorzuweisen<br />
hat (– 1,6 Prozent). Der geringe Zuwachs<br />
der Bauinsolvenzen dürfte allerdings<br />
nicht auf eine finanzielle und<br />
konjunkturelle Erholung dieses Sektors<br />
zurückzuführen sein. Vielmehr erlebt<br />
der Bau seit mehreren Jahren eine<br />
starke Konsolidierungsphase. Die geringen<br />
Insolvenzzuwächse sind daher<br />
wohl eher in einem langsamen Ausbluten<br />
der gesamten Baubranche begründet.<br />
Ungeachtet dessen ist der Anteil<br />
der insolventen Bauunternehmen an<br />
den gesamten Unternehmensinsolvenzen<br />
mit 24,2 Prozent aber nach wie vor<br />
hoch. Damit kommt jedes vierte Pleiteunternehmen<br />
aus dem Bausektor.<br />
Spitzenreiter ist der Dienstleistungssektor<br />
mit einem Anteil von 42 Prozent<br />
am gesamten Insolvenzaufkommen.<br />
Ebenfalls von großem Interesse<br />
sind die Arbeitsplatzverluste, die durch<br />
Unternehmensinsolvenzen entstehen.<br />
In den letzten fünf Jahren gingen im<br />
Durchschnitt rund 500.000 Arbeitsplätze<br />
durch Unternehmenspleiten verloren.<br />
Für das erste Halbjahr <strong>2002</strong><br />
schätzt die Creditreform die Arbeitsplatzverluste<br />
auf 310.000. Dies<br />
entspräche einem Zuwachs von 24<br />
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.<br />
Die Verbraucherinsolvenzen nahmen<br />
im ersten Halbjahr im Vergleich<br />
Fahr’ rechts –<br />
und die Straße<br />
wird breiter!<br />
zum Vorjahreszeitraurn um 96 Prozent<br />
auf 14.500 zu und haben sich damit<br />
nahezu verdoppelt. In Westdeutschland<br />
konnte gar ein Anstieg um 133<br />
Prozent auf 11.700 festgestellt werden,<br />
in Ostdeutschland um 46,6 Prozent auf<br />
2.800.<br />
Nach Angaben der Creditreform ist<br />
diese dramatische Entwicklung im ersten<br />
Halbjahr unter anderem auf die<br />
Änderungen des Insolvenzrechts zurückzuführen,<br />
das zum 1. Dezember<br />
2001 eine weitere Reformierung erfahren<br />
hat:<br />
Die Reformierung erlaubt nun auch<br />
völlig mittellosen Antragstellern und<br />
Schuldnern eine Stundung der Verfahrenskosten,<br />
um so eine Befreiung der<br />
Restschuld zu erhalten. Dies hat zwei<br />
Konsequenzen, die die Zahl der Verbraucherinsolvenzen<br />
im ersten Halbjahr<br />
in der Statistik erhöhen. Einerseits<br />
sanken die Verbraucherinsolvenzen in<br />
der zweiten Jahreshälfte des Vorjahres,<br />
als sich diese Möglichkeit der Stundung<br />
bereits abzeichnete. Durch die<br />
Abarbeitung dieser Fälle im ersten<br />
Halbjahr <strong>2002</strong> wird die Statistik der Verbraucherinsolvenzen<br />
dadurch künstlich<br />
aufgebläht. Andererseits werden<br />
nun viele persönlich haftende Gesellschafter,<br />
über deren Unternehmen bereits<br />
ein Regelinsolvenzverfahren erging,<br />
über die neuen Regelungen<br />
versuchen, sich auch persönlich durch<br />
eine Stundung der Verfahrenskosten<br />
von Restschulden zu befreien. Damit<br />
werden auch Regelinsolvenzverfahren<br />
den Verbraucherinsolvenzen zugerechnet,<br />
falls es sich beim Antragsteller<br />
um eine natürliche Person handelt. Bisher<br />
erschien diese Gruppe unter den<br />
„sonstigen Insolvenzen“.<br />
Allerdings weist die Creditreform<br />
darauf hin, dass ungeachtet der Änderung<br />
im Insolvenzrecht die Verbraucherinsolvenzen<br />
in den nächsten Jahren<br />
nach ihrer Einschätzung weiter<br />
zunehmen werden. In den letzten acht<br />
Jahren habe sich die Zahl der überschuldeten<br />
Haushalte von 770.000 auf<br />
2,8 Millionen erhöht. Dies entspricht<br />
einem Zuwachs von 363 Prozent.<br />
Weiterhin habe Deutschland nach<br />
Großbritannien die zweithöchste Rate<br />
überschuldeter Privatpersonen vorzuweisen.<br />
Quelle: BDA-Rs XI/21 v. 17.07.02<br />
<strong>SVG</strong>R 9+10/<strong>2002</strong> 3