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Ausgabe 0911.pdf - Theater-Zytig

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Bühne Amt Entlebuch<br />

Eine Landkarte von Gut und Bös<br />

Der Titel des Stücks alleine steht wohl<br />

nicht gerade für einen Gassenfeger. Der<br />

Name des Autors schon eher und zusammen<br />

mit dem Untertitel, einer Art Genreangabe,<br />

wird klar, dass hier ein ebenso<br />

unterhaltsamer wie anregender <strong>Theater</strong>abend<br />

aufbereitet wird. Die Bühne Amt<br />

Entlebuch hat mit der Wahl dieses 1990<br />

uraufgeführten Stücks des Basler Autors<br />

Hansjörg Schneider ein gutes Gespür<br />

gehabt: Die Gegensätze von Haben und<br />

Nichthaben und die Frage nach Gut oder<br />

Böse sind im Alltag omnipräsent. «Herz<br />

und Leber, Hund und Schwein» bietet<br />

eine ungeschminkte Darstellung was<br />

passiert, wenn ganz unterschiedliche<br />

Werte aufeinander treffen und sich Arm<br />

und Reich in die Haare geraten. Es ist<br />

aber eine Komödie und das Stück bietet<br />

denn auch beste Unterhaltung. Und ganz<br />

STückwahl ı Backstage<br />

INFOS ZUM STÜCK<br />

Herz und Leber, Hund und Schwein<br />

Komödie (Eine moderne Commedia<br />

dell’Arte) von Hansjörg Schneider<br />

Regie: Elvira Plüss<br />

Dauer: ca. 110 Minuten, ein Bühnenbild,<br />

Kostüme und Requisiten: Gegenwart, Darstellende:<br />

2D/4H. Rechte: Verlag der Autoren,<br />

Kontakt: www.buehne-amt-entlebuch.<br />

ch<br />

Kurzbeschrieb:<br />

Ein junges, bettelarmes Paar, Arlecchino<br />

und Colombina, verlässt die Heimat, um<br />

im wohlhabenden Nachbarland Arbeit und<br />

Auskommen zu finden. Dort allerdings<br />

sind sie alles andere als willkommen. Die<br />

örtliche Gesellschaft wird dargestellt durch<br />

den reichen Pantalone, den gelehrten Dottore,<br />

den machtvollen Capitano sowie<br />

die dienstfertige Lina. Da redliche Arbeit<br />

der beiden Zugewanderten weder gefragt<br />

noch gewünscht ist, lässt sich Arlecchino<br />

auf ein gewagtes Geschäft ein: Er verkauft<br />

den beiden schwerkranken Pantalone und<br />

Dottore sein Herz beziehungsweise Leber,<br />

darf es sich dafür bis zum Stichtag Martini<br />

(11. November) mit seiner Colombina gut<br />

gehen lassen. Nur dank eines «Kunstgriffs»<br />

seiner Colombina überlebt Arlecchino<br />

diesen Handel, während Pantalone mit<br />

dem Herz eines Hundes und Dottore mit<br />

der Leber eines Schweins ein neues Leben<br />

fristen dürfen.<br />

im Sinn der Commedia gewinnen dabei<br />

selbstverständlich die kleinen Leute.<br />

Die Unmittelbarkeit von Themen wie<br />

Bürgerkriege, Fremdenfeindlichkeit oder<br />

Organhandel stellen aber in der Inszenierung<br />

eines <strong>Theater</strong>stücks eine grosse<br />

Herausforderung dar. Es droht die Gefahr<br />

der Oberflächlichkeit auf der einen, und<br />

die des moralisierenden Fingerzeigs auf<br />

der anderen Seite. Die Luzerner Regisseurin<br />

Elvira Plüss lässt sich davon<br />

nicht beirren und geht den Weg, den das<br />

Stück vorgibt: Hier wird dem Publikum<br />

ein Spiegel vorgehalten, wie das Leben<br />

so spielt. Das Ganze ist aber verpackt<br />

in eine Komödie, denn schliesslich soll<br />

der Mensch auch etwas zu lachen haben,<br />

wenn er schon ins <strong>Theater</strong> geht. Oder,<br />

wie es die Regisseurin nach der Premiere<br />

sagte: «Ich will im <strong>Theater</strong> niemanden zur<br />

Betroffenheit verknurren.»<br />

Dass dieser Anspruch gelingen konnte,<br />

ist der Verdienst eines Ensembles,<br />

das sich in den Dienst des Produkts<br />

stellt. Die Besetzung des Stücks mit nur<br />

sechs Sprechrollen und die schnelle,<br />

teils akrobatische Leistungen fordernde<br />

Inszenierung stellt an Laien eine hohe<br />

Herausforderung. Dem gegenüber steht<br />

ein statischer 24-köpfiger, im schlichten<br />

Bühnenbild aber stets präsenter Chor.<br />

Die eigens komponierte und arrangierte<br />

Musik von Esther Bucher und Herbert<br />

Renggli ist dabei viel mehr als Hintergrundsound:<br />

Hier wird mit Liedern<br />

und starker Präsenz den dramatischen<br />

Aspekten in der Komödie ein weiter Raum<br />

geöffnet. In diesem Gesamtbild auf der<br />

langgezogenen, schlichten Bühne kann<br />

sich das Publikum bewegen wie «auf<br />

einer Landkarte von Gut und Böse», wie<br />

es Elvira Plüss nannte.<br />

Die Bühne Amt Entlebuch zeichnet sich<br />

in der Region aus durch eine sorgfältige<br />

<strong>Theater</strong>arbeit, die mit professioneller<br />

Unterstützung für anspruchsvolles Laientheater<br />

steht. Mit «Herz und Leber, Hund<br />

und Schwein» ist es der Truppe gelungen,<br />

die hochgesteckten Ziele zu erreichen<br />

und das Publikum für ein weiteres<br />

Experiment zu gewinnen. Dass dabei<br />

ein zeitgenössischer Schweizer Autor<br />

berücksichtigt wurde, verdient ebenfalls<br />

Anerkennung.<br />

Martin Spilker<br />

bild: zalphonse teuscher<br />

<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 0911 13

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