pdf (1104 KB) - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg
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Mit dem Wechsel von der Großen Koalition zur sozialliberalen Regierungsmannschaft im<br />
September 1969 hat sich auch das Selbstverständnis vieler Kabarettisten geändert.<br />
Einige Künstler setzen auf die neuen politischen Akzente, doch ist ihnen damit gleichzeitig<br />
der Boden zur Kritik an den Bonner Verhältnissen entzogen. Willy Brandt formuliert mit<br />
Egon Bahr die neue Deutschland-Politik und mahnt zur Versöhnung, die Akteure der Ära<br />
Adenauer hat es auf die Oppositionsbänke verschlagen. Das ist für das Strauß- und CDUfixierte<br />
Kabarett in Deutschland nicht eben lustvoll, weil der Stein des Anstoßes zunächst<br />
im Abseits liegt. Zu kabarettistischem Mißmut ist freilich kein ernstlicher Anlaß: im<br />
sozialdemokratischen Frühling wachsen die Skandale heran, der Sauerteig fürs gute<br />
Kabarett. Mit den Berufsverboten, die sich die Regierung Brandt leichtfertig aufschwatzen<br />
läßt, mit der Einengung der Grundrechte im RAF-Fieber wuchert unversehens wieder<br />
neuer Stoff heran. Willy Brandt taugt nicht als Figur fürs Kabarett, allenfalls für die<br />
zahlreichen Stimmenimitatoren, die sich schon lange an Herbert Wehner und dem<br />
Bayern-König Strauß üben. Der Konsens über das, was Kabarett soll und was es kann,<br />
schwindet. Die Kabarettisten sprechen selbstkritisch von Krise, die Revolution ist erst<br />
einmal vertagt. Hannelore Kaub vom Bügelbrett beschreibt die Krise in der Krise.<br />
Das Kabarett ist tot, es lebe das Cabaret!<br />
Wir können noch so bös-satirisch<br />
bis zum Tag St. Nimmerlein<br />
gegen Notstandsrecht und Springer<br />
und den Krieg in Vietnam sein.<br />
Gegen atomare Rüstung,<br />
gegen Staat und Parlament,<br />
das perfekte Koalieren,<br />
gegen das Establishment.<br />
Gegen Waffenlieferungen<br />
an das Pattakos-Regime -<br />
Kabaretts, die dürfen so was.<br />
Links zu sein ist legitim!<br />
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