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pdf (1104 KB) - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Werft eure Hoffnung über neue Grenzen -<br />

Reißt Euch die alte aus wie'n hohlen Zahn!<br />

Es ist nicht alles Gold, wo Uniformen glänzen!<br />

Solln sie verleumden - sich vor Wut besprenzen -<br />

Sie spucken Haß in einen Ozean!<br />

Laßt sie allein<br />

Beim Rachespein<br />

Bis sie erbrechen, was sie euch gestohlen,<br />

Das Haus, den Acker - Berg und Waterkant.<br />

Der Teufel mag sie holen!<br />

Die ganze Heimat und<br />

Das bißchen Vaterland<br />

Die trägt der Emigrant<br />

Von Mensch zu Mensch - landauf, landab<br />

Und wenn sein Lebensvisum abläuft, mit ins Grab.<br />

Walter Mehring, 1934 21<br />

Hans Sahl, Dichter und Emigrant, erinnert sich:<br />

Es gehörte Mut dazu, den Kampf gegen Hitler in einem Lande auszutragen, das sich, jedenfalls<br />

nach außen hin, zu politischer Neutralität verpflichtet hatte und wahrscheinlich nur aus<br />

Rücksicht auf den Namen Thomas Mann seine Tochter stillschweigend gewähren ließ. Erika<br />

Mann hatte in der Pfeffermühle einen Stil entwickelt, der Kunst mit Politik und Literatur geschickt<br />

vermischte. Sie schrieb ihre Texte selber und trug sie vorn an der Rampe vor. Sie hatte große,<br />

brennende Augen und einen wunderbar geformten, klassischen Kopf, der mit den in die Stirn<br />

gekämmten Haarsträhnen ein wenig an Heinrich von Kleist erinnerte. Sie war von einer<br />

Unmittelbarkeit, die überzeugte, weil sie so verblüffend kunstlos etwas beim Namen nannte, das<br />

in der Luft lag. „Warum ist es so kalt?“ sang sie. Oder das Chanson, mit dem die<br />

unvergleichliche Therese Giehse vor das Publikum trat und mit dröhnender Stimme verkündete:<br />

„Ich bin die Dummheit, hört mein Lied.“<br />

Erika Mann wirkte vor allem durch ihre Persönlichkeit. Mehr noch als dies: sie hatte eine<br />

Mission, sie war die Tochter Thomas Manns, seine Statthalterin auf Erden. Sie war sein<br />

politisches Gewissen, die letzte Instanz, an die der ewig Zaudernde und Zögernde sich wandte,<br />

wenn er nicht weiter wußte. Sie war es auch gewesen, die Thomas Mann schließlich bewog,<br />

sich von Deutschland loszusagen.<br />

21 Zitiert in: Kühn, Volker, Kleinkunststücke, Bd. 3, S. 59f. Mehring trug seinen Text 1934 beim Baseler<br />

Gastspiel der Pfeffermühle persönlich vor. Er war für Therese Giehse eingesprungen.<br />

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