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pdf (1104 KB) - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Hans Sahl, Das Exil im Exil, 1990 22<br />

Witz als Widerstand - Werner Finck provoziert die Nazis in der<br />

Katakombe<br />

Der Apothekersohn aus Görlitz kommt auf Umwegen 1928 nach Berlin. Als ausgebildeter<br />

Schauspieler spricht er Verse und Reime; zunächst im literarisch-politischen Kabarett Die<br />

Unmöglichen, im Larifari, dann im Küka, dem Künstler-Kaffee in der Budapester Straße.<br />

Einen ersten Zusammenstoß mit der politischen Wirklichkeit erlebt Werner Finck bei der<br />

Parodie auf ein jiddisch-russisches Theaterstück. Es kommt zum Skandal. Das<br />

vorwiegend jüdische Publikum bei den Unmöglichen erzwingt die Absetzung der Nummer.<br />

Jahre später, 1935 im Konzentrationslager Esterwege, drängt die SS-Leitung den<br />

Conferencier Finck, die Nummer auch dort hinter Stacheldraht vorzutragen. Der Künstler<br />

erinnert sich: „Ich bedauerte, daß ich den Text völlig vergessen hätte und daß er mir<br />

wahrscheinlich erst wieder einfallen werde, wenn die Juden nicht mehr verfolgt und<br />

vernichtet werden.“ 23<br />

Werner Finck läßt sich nicht vereinnahmen. Er verstummt nicht im Konzentrationslager<br />

und er erkennt vor der sogenannten Machtergreifung die aufziehenden Gefahren. Dabei<br />

ist seine Kritik eher verhalten und von sarkastischer Noblesse. Das, was er zu kritisieren<br />

hat, nennt er chiffriert beim Namen, ohne daß er dabei sein Gesicht je in Haß verzerrt.<br />

Politische Aufklärung ist bei ihm auf allen Bühnen, die er bespielt, ein humanes Geschäft.<br />

Seine Worte zerstören nicht, sie desavouieren und demaskieren. Sie beschreiben die<br />

törichte Dumpfheit der Herrenmenschen und ihre schamlose Ideologie.<br />

Nach dem Krieg beklagt Werner Finck, daß die Mehrheit der Kabarettisten in der<br />

Weimarer Republik den aufziehenden Faschismus unterschätzt hätten, sich selbst nimmt<br />

er dabei keineswegs aus. Doch der „Fall Werner Finck“ belegt eindrücklich den genutzten<br />

Spiel- und Oppositionsraum unter den Bedingungen der Diktatur. Die Sticheleien des<br />

22 Sahl, Hans,1990, S. 40f.<br />

23 Finck, Werner, 1972, S. 43.<br />

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