pdf (1104 KB) - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg
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sehn“) im Konzentrationslager Dachau zu Tode kommt, beschneidet der<br />
Propagandaminister nochmals entscheidend das Kabarettgeschehen. 1941 ist auch das<br />
Jahr, in welchem Goebbels die weitere Verbreitung von Lili Marleen zu verhindern sucht<br />
und sich dann letztlich geschlagen gibt. Sein Hinweis, die Verse seien zu „makaber“, die<br />
Musik zu „sentimental“, verfängt nicht, er muß klein beigeben. Es ist das Jahr, in dem die<br />
Propaganda nochmals gestrafft wird. Karl Valentin, von den Nationalsozialisten schon<br />
1936 mit Film-Zensur belegt, verabschiedet sich erst einmal von der Wort- und<br />
Darstellungskunst und verdingt sich bis Ende des Krieges als Schreiner, Scherenschleifer<br />
und fabriziert Nudelwalker für den Haushalt. Im Radio dominieren Marschmusik und das<br />
reine Propaganda-Hörspiel. Unterhaltung abseits des cui bono duldet der Minister nicht.<br />
Im Film setzt sich mehr und mehr das krude Propagandakonstrukt durch. Veit Harlans<br />
Machwerk von 1940 „Jud Süß“ ist hierfür ebenso ein Beleg, wie das „dokumentarische“<br />
Lügenprodukt „Der ewige Jude“ (1940) von Fritz Hippler oder Liebeneiners „Ich klage an“<br />
(1941), ein Film der unverhohlen das Mordprogramm an Behinderten und Kranken<br />
rechtfertigt. In diesem Abschnitt der ideologischen Bündelung und verschärfter<br />
Indoktrination unterbindet Goebbels schließlich die freie Conférence im Kabarett. 52 Das<br />
Spiel mit Personen und ihre Erwähnung ist dadurch eingeschränkt. Bezeichnend, daß die<br />
Anordnung in der Presse nicht diskutiert werden darf.<br />
Es ist davon auszugehen, daß der Befehl kaum flächendeckend zu überprüfen ist,<br />
geschweige denn eingehalten wird. Ob im Frontkabarett Der Knobelbecher, das von 1942<br />
bis 1944 die Truppe bei Laune hält 53 , oder auf der Wehrmachtsbühne Die Platzpatrone in<br />
Neapel 1943, die Ausklammerung der Conférence ist in der Tat nicht praktikabel und dient<br />
vor allem der vorbeugenden Disziplinierung der verbliebenen Amüsierbetriebe zwischen<br />
Dänemark, Rußland, Frankreich und Italien. Die Durchhaltekabaretts unterstehen seit<br />
Beginn des Krieges dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und dem<br />
Propagandaministerium. Ursula Herking, Wolfgang Neuss, der in der Heimat verstoßene<br />
Werner Finck und auch der spätere Insulaner-Chef Günter Neumann sorgen für stramme<br />
Landserunterhaltung. Illusionen über das künstlerische Niveau dieser Truppenbetreuung<br />
braucht man sich nicht zu machen, die Frontklamotte als Normalmaß setzt sich durch.<br />
52 Zitiert in: Hippen, Reinhard, 1988, S. 74.<br />
53 Vgl. Murmann, Geerte, 1992.<br />
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