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pdf (1104 KB) - Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

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Konzentrationslager - spielt 1943 in Dachau den mythischen Blutritter Adolar. Rudolf<br />

Kalmar bemerkt zu dem Auftritt Geschonnecks vor der Wachmannschaft:<br />

„Er hielt sich in der pompösen Aufmachung seiner Raubritterrolle Wort für Wort an den<br />

genehmigten Text und vermied - wie alle übrigen Mitglieder - jedes anzügliche Extempore. Aber<br />

er betonte in seinen Tiraden die Zeitwörter gegen den inneren Sinn der jeweiligen Phrase und<br />

ritardierte komplizierte Perioden, um sie plötzlich gegen den Schluß mit dem aufgeregten<br />

Fortissimo eines wütenden Hundes herauszubellen. Anstatt Soldaten sagte er beharrlich<br />

Soldatten und unterstrich bei passendem Anlaß auch noch durch hämmernde Gesten mit<br />

geballter Faust, was ihm aus der Sprachparodie allein nicht deutlich genug zu sein schien. Der<br />

Adolar des Erwin Geschonneck war die Hitler-Persiflage einer Pfeffermühle im<br />

Konzentrationslager und wurde von den Gefangenen auch als solche erkannt.“ 66<br />

Die Zauberflöte, Aida oder das berühmte Lied der Moorsoldaten - im August 1933 ist die<br />

Uraufführung im Konzentrationslager Börgermoor im Rahmen der Kabarettveranstaltung<br />

„Zirkus Konzentrazani“, 1000 Häftlinge hören zu - markieren an diesen Stätten keinen<br />

Gegensatz zwischen erhabener Kunst und Liedgut der Unterdrückten. Im dialektischen<br />

Brückenschlag ist das Wertekorsett zwischen ernster und unterhaltlich „leichter“ Kunst im<br />

Lager aufgehoben. Die Kategorien oben und unten, bildend und erhebend, haben unter<br />

den Bedingungen der Todeslager ihre normierende Wirkung eingebüßt. Es zählt vor<br />

Abfahrt des Zuges nach Auschwitz allein die Hoffnung auf Veränderbarkeit. Die Lieder der<br />

Verzweifelten sind Klänge, die auf den neuen Morgen setzen. Resignation gibt es, aber<br />

sie hat nicht das letzte Wort. Witz und selbstkritischer Humor transzendieren das Elend,<br />

schaffen mit an einer konkreten Friedensutopie.<br />

Eines der frühesten Lieder gegen den Nazi-Terror ist aus dem Lager Heuberg in<br />

<strong>Württemberg</strong> überliefert. Das Lied entsteht 1933. Auf dem Heuberg sind vor allem<br />

Sozialdemokraten und Kommunisten festgehalten. Neben den Moorsoldaten erlangt das<br />

Dachau-Lied von Jura Soyfer große Popularität. Das Lied ist im August 1938 erstmals zu<br />

hören, geschrieben an einem schweren Arbeitstag, als der Literat und Kabarettist<br />

zusammen mit dem Komponisten Herbert Zipper in der Kiesgrube Dienst leistet. Im März<br />

1940 steht das Lied im Londoner Exil-Kabarett Laterndl auf dem Programm. Jura Soyfer<br />

stirbt im Februar 1939 im KZ Buchenwald - „Typhus“ lautete die offizielle Diagnose.<br />

66 Ebd.<br />

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