internationale mathematische nachrichten - Ãsterreichische ...
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SIEGFRIED GROSSER<br />
1931–1998<br />
Mein Kollege und Freund O. Univ. Prof. Mag. Dr. Siegfried Grosser<br />
wurde in Bodenbach an der Elbe im Sudetenland geboren. Im Sommer 1945<br />
wurde die Familie von dort vertrieben. Sie gelangte auf einer Fußwanderung<br />
über Schlesien, Bayern und Oberösterreich schließlich nach Gmünd in<br />
Niederösterreich, wo sie eine neue Heimat fand.<br />
Siegfried Grosser besuchte das Gymnasium in Gmünd und legte im Jahre<br />
1950 die Matura mit Auszeichnung ab. Im Herbst dieses Jahres begann er<br />
mit dem Studium der Mathematik und Physik im Mathematischen Institut<br />
der Universität Wien in der Strudlhofgasse. Wir beide lernten einander in<br />
einer Vorlesung über Differentialgleichungen kennen, die der von uns so verehrte<br />
Lehrer Johann Radon im WS 1952/ 53 abhielt. Wir hatten die Gnade<br />
der Geburt, bei Johann Radon, dem letzten der großen Mathematiker der<br />
Universität Wien in der Folge von Boltzmann, Schrödinger, Gödel und Hahn<br />
bis Radon, Analysis zu lernen, nicht nur in der Vorlesung ”<br />
Differentialgleichungen“<br />
im WS 1952/53 sondern auch in ”<br />
Differentialgeometrie“ im SS<br />
1953.<br />
Johann Radon stammte aus Tetschen am anderen Ufer der Elbe, gegenüber<br />
von Bodenbach. Manchmal, nach einem Kolloquium von Grosser<br />
bei Radon, stopfte Radon seine Pfeife und sagte: ”<br />
Setzen wir uns gemütlich<br />
nieder und plaudern wir über Tetschen-Bodenbach!“<br />
Siegfried Grosser hat sich sein Studium und sein Wohnen im Asylverein<br />
der Universität in der Porzellangasse durch eine Überfülle von Nachhilfestunden<br />
selbst finanziert. In dieser Zeit hat er auch autodidaktisch die<br />
altgriechische Sprache erlernt.<br />
Unter der Leitung von Herrn O. Univ. Prof. Dr. N. Hofreiter arbeitete<br />
er an einer Hausarbeit mit dem Titel ”<br />
Approximationssätze von Liouville-<br />
Thue-Siegel“. Nach Ablegung der Lehramtsprüfung wurde es ihm in Wien zu<br />
eng, und er wanderte in die damals von uns allen so sehr bewunderten USA<br />
aus, und zwar in Jahre 1959. Er fühlte sich in Wien zu wenig mathematisch<br />
herausgefordert. Er begann dann mit seinem Studium an der University of<br />
California in Berkeley und vollendete es unter der <strong>mathematische</strong>n Leitung<br />
von G. P. Hochschild mit dem Ph. D. (philosophiae doctor) in Jahre 1965.<br />
Es sei hinzugefügt, daß ein Ph. D. in Berkeley sicher schwieriger zu erreichen<br />
ist als eine Habilitation in Österreich.<br />
Zwei Jahre von 1965 bis 1967 lehrte er als Instructor an der Cornell<br />
University in Ithaca, N. Y., bevor er es in den Jahren bis 1973 zum Associate<br />
Professor (with tenure) an der University of Minnesota in Minneapolis<br />
brachte. Diese Stadt und die Universität dort betrachtete er wohl als seine<br />
zweite Heimat.<br />
Im Jahre 1973 nahm er einen Ruf als Ordinarius für Mathematik an der<br />
Universität Wien an und brachte seine reiche Erfahrung in moderner Algebra<br />
und Topologie (Topologische Gruppen), aber auch in Didaktik der Mathematik<br />
nach Wien. Im Jahre 1982 wurde er zum Ordinarius für Mathematik<br />
und Didaktik der Mathematik ernannt. Diesen beiden Fächern widmete er<br />
sich mit viel Aufmerksamkeit und Ausdauer bis zu seinem plötzlichen Tod<br />
am 8. Jänner 1998 auf einer Fahrt mit seiner Familie zu seinem geliebten<br />
Elternhaus in Gmünd in Niederösterreich.<br />
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