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Ausgabe - 11 - Produktion

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14. März 2013 · Nr. <strong>11</strong> · <strong>Produktion</strong> · Trends & Reports · <strong>11</strong><br />

Schiefergasvorkommen<br />

Das Ende der erneuerbaren Energien?<br />

Thomas Isenburg und Dietmar Poll, <strong>Produktion</strong> Nr. <strong>11</strong>, 2013<br />

In den USA fällt der Gaspreis aufgrund immenser Funde von Schiefergas.<br />

Bedeutet das nun das Ende der erneuerbaren Energien – vor allem<br />

für die deutsche Industrie?<br />

Landsberg. Gerade in den Vereinigten<br />

Staaten kam es durch die<br />

Erschließung von nicht konventionellen<br />

Erdgasvorkommen in großen<br />

Tiefen, dem sogenannten<br />

‚Schiefergas‘, zu einer Angebotsverbesserung<br />

bei diesem fossilen<br />

Rohstoff. Dieses Erdgas besteht<br />

vornehmlich aus dem einfachen<br />

Kohlenwasserstoff Methan.<br />

Die USA steigerte im Jahr 20<strong>11</strong><br />

die geförderte Erdgasmenge um<br />

6,5 % auf 651 Mrd Kubikmeter bei<br />

einem Schiefergasanteil von 30 %.<br />

Damit waren sie der größte Erdgasproduzent<br />

der Welt. Jedoch ist<br />

das Schiefergas in Europa umstritten<br />

und wird bislang nicht im<br />

größeren Maßstab genutzt. Welchen<br />

Einfluss hat jedoch der sinkende<br />

Gaspreis in den USA auf die<br />

erneuerbaren Energien in Europa?<br />

Energie- und Geoexperten<br />

nehmen Stellung.<br />

Auch Europa könnte bei einer<br />

erfolgreichen Erschließung seine<br />

Ressourcensicherheit erhöhen, so<br />

die Energiestudie der Bundesanstalt<br />

für Geowissenschaften und<br />

Rohstoffe aus dem Jahr 2012. In<br />

Deutschland gibt es in Südniedersachsen<br />

und Nord-Nordrheinwestfalen<br />

Schiefergasvorkommen.<br />

Nach durchgeführten Berechnungen<br />

beträgt das Volumen 13 Billionen<br />

Kubikmeter, von denen 10 %,<br />

also 1,3 Billionen ausgebeutet werden<br />

könnten, so die Energiestudie<br />

der Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe.<br />

Schiefergas wird inzwischen<br />

weltweit als bedeutende Erdgasressource<br />

angesehen. Es soll als<br />

Brückenenergieträger beim Übergang<br />

zur angestrebten Deckung<br />

mit erneuerbaren Energien dienen.<br />

Dabei stehen jedoch auch<br />

Umweltauswirkungen der Schiefergaserschließung<br />

in der öffentlichen<br />

Diskussion.<br />

Prof. Dr. Thomas Hamacher von<br />

der TU München meint zum<br />

Schiefergasboom befragt: „Die<br />

USA werden beim Gas und beim<br />

Öl zu einem der größten Produzenten.“<br />

Hierzu hat die City Bank<br />

vorletztes Jahr eine Studie vorgelegt.<br />

Diese wird vom aktuellen BP<br />

Energieoutlook bestätigt. Der<br />

Outlook vom Januar 2013 sieht<br />

Steigerungen beim weltweiten<br />

Erdgasverbrauch bis 2030 vor.<br />

Nach Ansicht der Analysten des<br />

Mineralölkonzerns soll der Anteil<br />

der anderen fossilen Energieträger<br />

am Energiemix fallen. Insgesamt<br />

wird nach der Analyse des<br />

Outlooks der weltweite Energieverbrauch<br />

bis 2030 erheblich steigen.<br />

Dabei steigt insbesondere die<br />

Menge an verwendeten fossilen<br />

Energieträgern, jedoch auch die<br />

aus erneuerbaren Ressourcen<br />

umgewandelte Energiemenge, so<br />

die Studie des Mineralölkonzerns.<br />

In Deutschland führte das Unternehmen Exxon Mobil Probebohrung als Voraussetzung<br />

zur Gewinnung von Schiefergas im niedersächsischen Damme<br />

durch. Die Methode ist allerdings umstritten.<br />

<br />

Keine Transportinfrastruktur<br />

des Gases für den Weltmarkt<br />

Bild: ExxonMobil Central Europe Holding GmbH<br />

Schiefergas (Shale Gas) ist auch in Deutschland zu finden. Durch „Hydraulisches Fracking“ werden mit Hilfe eines Wasser-Sand<br />

Gemisches tiefe Gesteinsschichten aufgebrochen, damit das Erdgas zum Bohrloch strömen kann. Chemikalien<br />

unterstützen diesen Fracking Prozess. Nur ein Teil der Zusatzstoffe ist umweltgefährdend.<br />

<br />

Bis 2008 verliefen die Gaspreisentwicklung<br />

in den USA, Asien<br />

und Europa parallel. Nach 2008 ist<br />

dieser Preis dann in den USA gefallen,<br />

während er in den anderen<br />

Regionen stieg. Jedoch gibt es<br />

bislang keine Transportinfrastruktur,<br />

die es ermöglicht, dieses<br />

Erdgas aus den USA auf dem Weltmarkt<br />

anzubieten, meint Hamacher<br />

von der TU München.<br />

Aus diesen Überlegungen heraus<br />

sagt der Physiker auch, dass<br />

diese Veränderungen kurzfristig<br />

wenig Auswirkungen auf den europäischen<br />

oder asiatischen Gasmarkt<br />

haben. Was mittel und langfristig<br />

passiert ist jedoch offen.<br />

Auch werden energieintensive<br />

Branchen wie die Stahl-, Aluminium-<br />

und Grundstoffindustrie auf<br />

die reduzierten Energiekosten in<br />

den Vereinigten Staaten von Amerika<br />

schauen und günstige Standortfaktoren<br />

sehen. Auf die Auswirkungen<br />

auf den Klimaschutz antwortet<br />

Hamacher vorsichtig: „Sicher<br />

hat die Substitution von Kohlekraftwerken<br />

durch Gaskraftwerke<br />

einen positiven Effekt für die<br />

Kohlendioxidemissionen. Jedoch<br />

stehen auch insgesamt mehr fossile<br />

Rohstoffe zur Verfügung.“<br />

Prof. Dr. Ralf Littke vom Lehrstuhl<br />

der RWTH Aachen für Geologie,<br />

Geochemie und Lagerstätten des<br />

Erdöls und der Kohle meint zu den<br />

Umweltrisiken befragt, dass in den<br />

Vereinigten Staaten, etwa 35 000<br />

Bohrungen abgeteuft und gefrackt<br />

worden seien. Diese fördern das<br />

Erdgas aus großen Tiefen, oft um die<br />

3 000 Meter, wobei die Ressourcen<br />

in Staaten wie Texas im Besitz des<br />

Landeigentümers sind. In Europa<br />

wäre der Staat der Eigentümer.<br />

Kurzfristig Energie liefern<br />

und Spitzenlasten abdecken<br />

Kritiker, auch politisch motiviert,<br />

monieren, dass die Erdbebengefahr<br />

steige und zur Förderung<br />

des Gases notwendige Chemikalien<br />

in das Grundwasser gelangen<br />

können. Hierzu befragt<br />

antwortet Littke: „Die Erdbebengefahr<br />

schätze ich vergleichbar mit<br />

der Situation im Ruhrgebiet durch<br />

den Kohlebergbau ein. Diese Beben<br />

werden an der Erdoberfläche<br />

kaum wahrgenommen und stellen<br />

keine unmittelbare Gefährdung<br />

dar.“ Bezüglich der Trinkwasserbelastung<br />

meint der Geologe: „Es<br />

werden beim Frackverfahren Chemikalien<br />

in Tiefen von einigen<br />

tausend Metern eingeleitet, während<br />

die Grund- und Trinkwasservorräte<br />

nur einige Meter unter der<br />

Erdoberfläche liegen. Deshalb<br />

schätze ich die Gefährdung durch<br />

Einträge aus der Landwirtschaft<br />

wie Düngemittel und Biozide und<br />

aus industriellen und kommunalen<br />

Quellen höher ein.“<br />

Zu den Vorteilen des erhöhten<br />

Erdgasangebotes in den Vereinigten<br />

Staaten befragt, bemerkt Littke<br />

die Vorteile von Gaskraftwerken,<br />

denn diese können kurzfristig<br />

elektrische Energie liefern und<br />

damit Spitzenlasten abdecken.<br />

Bei dem Austausch der Kohle<br />

durch Gas als Primärenergieträger<br />

wird deutlich weniger Kohlendioxid<br />

frei. Im Vergleich zur Braunkohle<br />

ist das dann ungefähr nur<br />

die Hälfte an freigesetztem Koh-<br />

Regierung will Fracking in Deutschland zulassen<br />

Die Bundesregierung will die umstrittene<br />

Gas- und Ölförderung aus<br />

tiefen Gesteinsschichten nur unter<br />

strengen Auflagen in Deutschland<br />

zulassen. Bundesumweltminister<br />

Peter Altmaier (CDU) und Bundeswirtschaftsminister<br />

Philipp Rösler<br />

(FDP) haben sich auf einen entsprechenden<br />

Verordnungsentwurf geeinigt.<br />

In dem Entwurf wird ein Verbot des<br />

sogenannten Fracking in Trinkwasserschutzgebieten<br />

vorgeschlagen.<br />

Dazu soll es eine Änderung des<br />

Wasserhaushaltsgesetzes geben. Zudem<br />

soll es bei allen neuen Vorhaben<br />

eine Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

geben.<br />

Altmaier hatte zuletzt immer wieder<br />

betont, er sehe nur sehr begrenzte<br />

Chancen für das Fracking in einem<br />

dicht besiedelten Land wie Deutschland.<br />

Auch Kanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) äußerte sich skeptisch. Bei der<br />

neuen Fördertechnik wird mit hohem<br />

Druck unter Einsatz von Wasser,<br />

Sand und Chemikalien das Gestein<br />

so aufgebrochen, dass das Gas<br />

entweichen kann.<br />

Zwar hatte das Umweltbundesamt<br />

(UBA) in einer Studie 2012 geschätzt,<br />

dass sich allein mit den vermuteten<br />

Schiefergasvorkommen der<br />

deutsche Gasbedarf für 13 Jahre decken<br />

ließe. Da aber 14 % der Fläche<br />

als Wasserschutzgebiete ausgewiesen<br />

sind, dürfte das Potenzial weit<br />

geringer sein.<br />

Der Bundesrat hatte gefordert, den<br />

Einsatz umweltgefährdender Substanzen<br />

beim Fracking so lange komplett<br />

zu verbieten, bis die Risiken<br />

restlos geklärt sind. Altmaier hatte<br />

stets betont, dass er nur ein äußerst<br />

begrenztes Potenzial für Fracking in<br />

Deutschland sieht. Von einem Boom<br />

wie in den USA könne daher auf absehbare<br />

Zeit keine Rede sein.<br />

Bild: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

lendioxid bei der gleichen erhaltenen<br />

Energiemenge, erklärt der<br />

Aachener Hochschullehrer.<br />

Prof. Dr.-Ing. Hermann Josef<br />

Wagner leitet den Lehrstuhl für<br />

Energiesysteme der Ruhr Universität<br />

Bochum. Nach den Auswirkungen<br />

für die erneuerbaren Energien<br />

befragt antwortet der Hochschullehrer:<br />

„Der amerikanische<br />

Präsident will bis 2025 den Ausbau<br />

Akzeptanzprobleme wegen<br />

der vielen Bohrungen<br />

der erneuerbaren Energien um<br />

25 % steigern. Dieses wird er unabhängig<br />

vom Öl- und Gaspreis<br />

durch Fördergelder und steuerliche<br />

Anreize versuchen.“ Damit die<br />

USA keine Erdöl- und Erdgasimporte<br />

benötigen, müssen die Fördermengen<br />

in Texas noch erheblich<br />

gesteigert werden, meint Wagner<br />

weiter. Dabei kann es irgendwann<br />

wegen der vielen Bohrungen,<br />

die notwendig sind, einmal zu<br />

Akzeptanzproblemen kommen.<br />

Jedoch werden auch inzwischen<br />

Tankschiffe, die für den Öl- und<br />

Gasimport in die USA nötig waren,<br />

nicht mehr verwendet.<br />

Wagner kann sich vorstellen,<br />

dass die USA die technisch veralteten<br />

Kernkraftwerke nicht modernisiert,<br />

wie vorgesehen, sondern<br />

durch Gaskraftwerke ersetzt.<br />

Dieses hätte einen negativen Effekt<br />

auf die Treibhausgasemissionen,<br />

da der Strom aus Kernkraftwerken<br />

kohlendioxidfrei ist. Die<br />

Frage danach ob dieses auch für<br />

Europa ein gangbarer Weg ist, beantwortet<br />

Wagner mit nein, weil<br />

dieser Kontinent andere Rahmenbedingungen<br />

hat. Auch stoßen die<br />

häufigen Bohrungen in Europa auf<br />

Akzeptanzprobleme. Wagner hält<br />

Gasimporte aus den USA nach<br />

Europa für unrealistisch.<br />

Fazit:<br />

Es ist davon auszugehen, dass<br />

der Einfluss auf erneuerbare Energien<br />

zumindest in Europa kurzfristig<br />

gering ist. Jedoch haben energieintensive<br />

Branchen wie die<br />

Chemieindustrie, die günstiger<br />

werdenden Energiepreise in den<br />

USA bereits bemerkt und sehen<br />

dort Standortvorteile.

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