Ausgabe - 11 - Produktion
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8 · Unternehmen & Märkte · <strong>Produktion</strong> · 14. März 2013 · Nr. <strong>11</strong><br />
INTERVIEW<br />
KURT D. BETTENHAUSEN, DIETER WESTERKAMP, VDI/VDE-GESELLSCHAFT (GMA)<br />
VDI/VDE puzzelt mit an Industrie 4.0<br />
SABINE SPINNARKE, PRODUKTION NR. <strong>11</strong> , 2013<br />
Der Vorsitzende der VDI/VDE-Gesellschaft (GMA), Kurt D. Bettenhausen<br />
und ihr Geschäftsführer, Dieter Westerkamp, schildern exklusiv in <strong>Produktion</strong><br />
die Rolle ihrer Gesellschaft bei der Realisierung von Industrie 4.0.<br />
INTELLIGENTE FABRIK<br />
INDUSTRIE 4.0<br />
Welche Rolle spielt die GMA<br />
beim Thema Industrie 4.0?<br />
Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen: Das<br />
Thema Industrie 4.0 ist ein übergreifendes<br />
Thema. In der Messund<br />
Automatisierungstechnik fangen<br />
die Hersteller, Anwender und<br />
Forschungseinrichtungen nicht<br />
bei null an; Wir haben in der Gesellschaft<br />
Mess- und Automatisierungstechnik<br />
verstärkend spezielle<br />
Fachausschüsse eingerichtet.<br />
Ein Fachausschuss beschäftigt<br />
sich ganz konkret mit Cyber Physical<br />
Systems in der Automation, ein<br />
anderer beschäftigt sich mit der<br />
technischen Regelsetzung für Referenzarchitekturen.<br />
Das wichtigste<br />
Anliegen der GMA ist es, eine<br />
neutrale Plattform zu bieten, auf<br />
der sich Hersteller und Anwender<br />
von Automatisierungstechnik und<br />
Forschungseinrichtungen treffen<br />
können. Denn nur durch den<br />
technischen Dialog im vorwettbewerblichen<br />
Umfeld entstehen<br />
neue Ideen und werden Anforderungen<br />
formuliert, weit bevor es<br />
zu eigentlichen Produkten kommt.<br />
GMA<br />
Die VDI/VDE-Gesellschaft Messund<br />
Automatisierungstechnik<br />
(GMA) ist eine gemeinsame Fachgesellschaft<br />
des VDI und des VDE<br />
(Technisch-Wissenschaftlicher Verband<br />
der Elektrotechnik Elektronik<br />
Informationstechnik), in der die gemeinsamen<br />
Aktivitäten der beiden<br />
Organisationen im Bereich der<br />
Mess- und Automatisierungstechnik<br />
konzentriert sind.<br />
Wie ist der Stand der Dinge bezüglich<br />
verbandsübergreifender<br />
Aktivitäten?<br />
Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp: Es<br />
ist vorgesehen, dass die drei Verbände<br />
ZVEI, VDMA und Bitkom<br />
eine gemeinsame Geschäftsstelle<br />
zur Industrie 4.0 führen, um die<br />
deutschen Aktivitäten zu fokussieren.<br />
Der VDI und andere werden<br />
in die Aktivitäten eingebunden<br />
werden – je nach Fachgebiet und<br />
Kompetenz. Wir werden auf der<br />
inhaltlichen Seite einer der beteiligten<br />
Verbände sein. Der erste<br />
Schritt ist getan, jetzt warten wir<br />
auf die Implementierung.<br />
Das Projekt heißt ja ‚Industrie 4.0‘,<br />
daher sind hier zunächst einmal<br />
die Industrieverbände aufgerufen.<br />
Es wird sich aber zeigen, dass weitere<br />
Kompetenzen benötigt werden.<br />
Wir bringen als neutrale<br />
Plattform auch die Forschungsund<br />
die Hochschulseite mit ein.<br />
Werden denn diesmal alle an<br />
einem Strang ziehen?<br />
Westerkamp: Jedes Unternehmen<br />
muss für sich ein paar Jahre vorausdenken;<br />
ich glaube nicht, dass<br />
dabei heute alle dasselbe sehen.<br />
Aber viele haben begriffen, dass<br />
wir es letztendlich gemeinsam<br />
umsetzen müssen. Jetzt geht es darum<br />
die vielen unterschiedlichen<br />
Perspektiven konvergent zusammenbringen.<br />
Jeder Hersteller ist<br />
meines Erachtens gewillt, das auf<br />
der Plattform der Verbände zu tun.<br />
Bettenhausen: Betrachtet man die<br />
Wertschöpfungsketten in der Anlagenautomation,<br />
sieht man, dass<br />
dort zwangsläufig viele Player zusammenspielen.<br />
Jeder einzelne<br />
Beitrag muss als ein Puzzlestein<br />
verstanden werden, der am Ende<br />
des Tages ein Gesamtbild ergibt.<br />
Im Vordergrund steht die Diskussion<br />
und Suche nach neuen Lösungen.<br />
Ein gegenseitiges Abschotten<br />
sehe ich nicht.<br />
Wird es auch Standards geben?<br />
Westerkamp: Die Richtlinie VDI/<br />
VDE 2182 zum Thema IT-Security<br />
zum Beispiel beschreibt eine Vorgehensweise,<br />
wie man IT-Security<br />
auf Dauer erreichen und halten<br />
kann. Es handelt sich um einen<br />
risikobasierten Ansatz, der zyklisch<br />
zu wiederholen ist. Auch<br />
hier haben alle relevanten Verbände<br />
zusammengearbeitet.<br />
Ähnliches zeichnet sich bei Industrie<br />
4.0 ab: einen Standard,<br />
der bis zum Ende ausdefiniert<br />
wird, kann es nicht geben – allein<br />
aufgrund der Schnelllebigkeit der<br />
IT-Themen.<br />
Wie sieht denn Industrie 4.0<br />
ohne Standards aus?<br />
Westerkamp: Vor einer möglichen<br />
Standardisierung werden erste<br />
Implementierungen im Feld zu<br />
finden sein. In dem Ideenwettstreit<br />
um die beste Lösung wird es<br />
eine De-facto-Standardisierung<br />
durch Implementierung am Markt<br />
geben. Die Lösung, die der Kunde<br />
eher akzeptiert, wird häufiger implementiert<br />
werden. Letztendlich<br />
gewinnen wir so Geschwindigkeit.<br />
Wir reden bei Industrie 4.0 über<br />
eine sehr hohe Komplexität und<br />
Dynamik; die vielen zusammengehörenden<br />
Bestandteile lassen<br />
eine große Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten<br />
zu.<br />
...aber ein Standard würde doch<br />
vieles leichter machen...?<br />
Bettenhausen: Ähnlich wie beim<br />
Links- und Rechtsverkehr werden<br />
sich vielleicht zwei oder drei Lösungen<br />
am Markt etablieren. Fragen<br />
Sie heute die Automobilindustrie,<br />
ob wir Rechts- und Linkslenker<br />
brauchen, würde sich die Industrie<br />
auf eine Variante einigen.<br />
Auf dem Weg zur Standardisierung<br />
von Industrie 4.0 wird es die eine<br />
oder andere Diskussion geben, die<br />
im Zweifelsfall auch einige Zeit beanspruchen<br />
wird – verantwortliches<br />
Handeln wird bedeuten, diese<br />
zeitliche Verzögerung auf ein<br />
Minimum zu reduzieren.<br />
Ist das Thema Industrie 4.0 in<br />
Die Interviewpartner Dr.<br />
Kurt D. Bettenhausen,<br />
Vorsitzender der VDI/<br />
VDE-Gesellschaft Messund<br />
Automatisierungstechnik<br />
– kurz GMA –<br />
(rechts) und Geschäftsführer<br />
Dipl.-Ing. Dieter<br />
Westerkamp. Bild: GMA<br />
den Firmen schon präsent?<br />
Westerkamp: Es gibt Firmen, die<br />
das Thema Industrie 4.0 für sich<br />
verstanden haben, andere eben<br />
nicht. Auch wenn gerade sozusagen<br />
die Sau Industrie 4.0 durchs<br />
Dorf getrieben wird, sind es erst 20<br />
bis 30 % der Hersteller, bei denen<br />
das Thema angekommen ist. In<br />
spätestens zwei Jahren sieht die<br />
Welt anders aus.<br />
..und wie sieht die Welt dann<br />
aus?<br />
Bettenhausen: In diesem Konzert<br />
werden auch Netzdienstleister immer<br />
wichtiger. Denn die Daten<br />
und Informationen müssen<br />
schließlich durch irgendwelche<br />
Kanäle fließen und das bringt<br />
Player mit ins Spiel, die heute auf<br />
der Landkarte der Automatisierer<br />
und <strong>Produktion</strong>stechnik-Hersteller<br />
noch nicht oder nicht umfangreich<br />
vorhanden sind.<br />
Am Ende werden wir zurückschauend<br />
feststellen, dass es sich<br />
um eine Evolution und nicht um<br />
eine Revolution gehandelt haben<br />
wird – wir haben eine hervorragende<br />
Ausgangsbasis und werden<br />
und entsprechend positiv weiter<br />
entwickeln.<br />
EMBEDDED MARKET<br />
Embedded Systems: Eine Computing-Welle rollt heran<br />
SABINE SPINNARKE<br />
PRODUKTION NR. <strong>11</strong> , 2013<br />
Der Embedded-Markt wächst<br />
weiterhin rasant. Neue Geschäftsmodelle,<br />
Innovationen, aber auch<br />
immer größere Sicherheitsrisiken<br />
sind die Folgen. Mit all diesen<br />
Aspekten beschäftigte sich die<br />
Fachmesse embedded world.<br />
NÜRNBERG. Die unglaubliche Zahl<br />
von einer Billion Dollar jährlich<br />
gab das amerikanische Marktforschungsinstitut<br />
IDC jüngst als den<br />
jährlichen Umsatz aller Embedded-Hersteller,<br />
Software-Schmieden<br />
und Systemhäuser an. 1,8<br />
Milliarden Systeme würden allein<br />
in diesem Jahr ausgeliefert werden.<br />
Innerhalb der nächsten vier Jahre<br />
soll der Markt sich sogar noch verdoppeln.<br />
Ein Großteil aller Innovationen<br />
heutzutage basieren auf den<br />
kleinen eingebetteten Systemen.<br />
Allein in der Automobil-Industrie<br />
beruhen 80 % aller Entwicklungen<br />
auf eingebetteten Systemen.<br />
„Es freut mich sehr, dass das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen<br />
einen Sonderpreis erhält“, gratuliert Dr. Roland Fleck, NürnbergMesse. Bild: Sp<br />
Ein Großteil dieses Wachstums<br />
wird laut IDC von hochentwickelten<br />
eingebetteten Systemen für<br />
Cloud-Anwendungen getrieben.<br />
Diese werden noch schnellere<br />
Chips und weiterentwickelte Betriebssysteme<br />
haben, besser vernetzt<br />
sein und über zusätzliche<br />
Analyse-Fähigkeiten verfügen. Ihr<br />
Anteil wird in zwei Jahren über 33 %<br />
aller ausgelieferten elektronischen<br />
Systeme betragen – momentan<br />
sind es 19 %, so die IDC-Analysten.<br />
Nachlesen lassen sich diese Prognosen<br />
in der Studie ‚Intelligent<br />
Systems: The Next Big Opportunity‘.<br />
Mario Morales, Vice President<br />
des IDC Halbleiter Analyse Programms<br />
dazu: „IDC glaubt, dass<br />
die neue Generation intelligenter<br />
Systeme und ihre ‚Ökosysteme‘ eine<br />
enorm große Reichweite erreichen<br />
werden und die nächste<br />
Welle des Computings für etwa fünf<br />
Jahre auslösen.“ Morales meint,<br />
dass gerade die Cloud-Anwendungen<br />
und Tools für den Umgang mit<br />
der enormen Menge an Nutzer-<br />
Daten ein hohes Geschäftspotenzial<br />
bergen würden.<br />
Viele weitere Anwendungsmöglichkeiten<br />
von embedded systems<br />
konnte Ende März auf der Fachmesse<br />
embedded world sehen.<br />
ARM beispielsweise kam auf die<br />
Idee, eingebettete Systeme über<br />
Handynetze miteinander kommunizieren<br />
zu lassen. Die Kommunikation<br />
erfolgt ohne das Eingreifen<br />
von Menschen. Großflächige Netze<br />
sind so möglich, wie beispielsweise<br />
ökologische Überwachungen.<br />
Die Entwickler haben ihre<br />
Lösung auf der Grundlage eines<br />
Vodafone-Sticks auf der embedded<br />
world vorgestellt, offengelegt<br />
und damit den ‚embedded<br />
AWARD‘. gewonnen. Die Einladung<br />
zur Nachnutzung und Weiterentwicklung<br />
wird mit Sicherheit<br />
neue Produktideen generieren<br />
und das ‚Internet of Things‘ weiter<br />
voranbringen. Einen Sonderpreis<br />
erhielt dieses Jahr das Fraunhofer<br />
Embedded Award für Enpirion,<br />
ARM, iSystem und Fraunhofer<br />
Institut für Integrierte Schaltungen,<br />
IIS, für ein wartungsfreies und<br />
energieautarkes, drahtloses Multi-<br />
Hop-Sensornetz. Je mehr Geräte<br />
aber am Netz hängen und standardisierte<br />
Protokolle nutzen, umso<br />
höher wird das Sicherheitsrisiko<br />
gegenüber Angriffen von Hackern<br />
oder fahrlässigen Nutzern: „Die<br />
neue Spielweise der Hacker sind<br />
embedded systems, denn hier<br />
kann man richtig Schaden anrichten“,<br />
mahnt auch Professor Matthias<br />
Sturm, HTWK Leipzig, Vorsitzender<br />
des Fachbeirates der embedded<br />
world.