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AnwBl_2013-02 43..98 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

<strong>2013</strong>, 56<br />

„Legal Professional Privilege“ vs Schutz<br />

der anwaltlichen Verschwiegenheit *)<br />

Zu den Folgen der Entscheidung Akzo Nobel des EuGH für die<br />

österreichische Rechtslage<br />

Von RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien. Prunbauer & Romig, Präsidentin des CCBE 2012 und Vizepräsidentin<br />

des Österreichischen <strong>Rechtsanwaltskammertag</strong>es.<br />

I. Einleitung<br />

Das Recht und – damit verbunden – die Pflicht der<br />

Rechtsanwälte, alle den Mandanten betreffenden Angelegenheiten<br />

vertraulich zu behandeln und das Berufsgeheimnis<br />

zu wahren, ist ein unverzichtbares Kernelement<br />

der Rechtsstaatlichkeit und ein allen Anwaltschaften<br />

Europas, ja darüber hinaus weltweit gemeinsames<br />

Grundprinzip („core principle“), 1) unerlässlich für die<br />

Rechtspflege, den Zugang zum Recht, das Grundrecht<br />

auf ein faires Verfahren sowie den Schutz des Privatlebens.<br />

Wenngleich weder die EMRK noch das Unionsrecht<br />

ausdrücklich auf das anwaltliche Berufsgeheimnis Bezug<br />

nehmen, besteht doch ein in allen Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union und auch durch die Rechtsprechung<br />

des EGMR anerkannter, grundrechtlich<br />

verbürgter, in manchen Ländern ausdrücklich in der<br />

Verfassung 2) abgesicherter Schutz der Vertraulichkeit<br />

der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und seinem<br />

Mandanten. Jedem muss es möglich sein, sich völlig<br />

frei an einen Rechtsanwalt zu wenden, zu dessen beruflichen<br />

Aufgaben es gehört, unabhängige Rechtsberatung<br />

all denen zu erteilen, die danach fragen. 3) Mit<br />

den Worten der Generalanwältin Kokott: „Der Schutz<br />

des Anwaltsgeheimnisses hat im Unionsrecht den Rang<br />

eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes mit Grundrechtscharakter“.<br />

4) Wer sich an einen Rechtsanwalt wendet,<br />

soll sich zu Recht darauf verlassen dürfen, dass die unter<br />

die anwaltliche Verschwiegenheit fallenden Informationen<br />

nicht offengelegt werden. Die Wahrung des Berufsgeheimnisses<br />

gehört zu den zentralen Berufspflichten<br />

jedes Rechtsanwaltes. 5)<br />

Der Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit bedarf<br />

einer entsprechenden Konkretisierung auf Verfahrensebene.<br />

Diese umfasst verschiedene Aspekte wie<br />

Aussageverweigerungsrecht des Anwalts, Schutz vor<br />

Abhörung und vor Überwachung, Geheimnisschutzmaßnahmen<br />

bei Durchsuchungen von Orten, Gegenständen<br />

oder Personen, Beschlagnahmefreiheit von<br />

Unterlagen oder sonstigen Datenträgern mit geschützter<br />

Information, Umgehungsverbote, Verwertungsverbot.<br />

Grundlagen, Lösungsansätze, Art und Reichweite<br />

des Schutzes des anwaltlichen Berufsgeheimnisses differieren<br />

in den Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union bei im Kern gleichem angestrebtem Rechtsschutzziel<br />

je nach Rechtskreis, Rechtssystem und<br />

Rechtstradition, zum Teil bloß in Einzelheiten oder<br />

nur scheinbar, zum Teil nicht unbeträchtlich. Kenntnis<br />

über Unterschiede in Reichweite und Schutzvoraussetzungen<br />

gegenüber dem „gewohnten“ eigenen nationalen<br />

System ist für den grenzüberschreitend tätigen<br />

Rechtsanwalt ebenso wie für den nur national tätigen<br />

Rechtsanwalt, welcher mit Anwälten aus verschiedenen<br />

Staaten zusammenarbeitet, von erheblicher praktischer<br />

Relevanz, aber auch von standesrechtlicher Bedeutung.<br />

Art 5.2.2 des CCBE Code of Conduct, welcher gem<br />

Art XIV Abs 2 RL-BA auch für österreichische Rechtsanwälte<br />

verbindlich ist, hält fest, dass bei der Zusammenarbeit<br />

von Rechtsanwälten aus mehreren Mitgliedstaaten<br />

beide Seiten die sich möglicherweise aus den<br />

verschiedenen Rechtssystemen, Berufsorganisationen,<br />

Zuständigkeiten und Berufspflichten ergebenden Unterschiede<br />

zu berücksichtigen haben. Der CCBE befasst<br />

sich mit der näheren Prüfung, in welchen Punkten<br />

die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen der europä-<br />

*) Dieser Beitrag ist in der FS Gerhard Benn-Ibler, Verlag Manz (2011)<br />

erschienen.<br />

1) Vgl nur Charta der Grundprinzipien der Europäischen Rechtsanwälte,<br />

verabschiedet auf der Vollversammlung des CCBE vom 24. 11. 2006<br />

in Brüssel, veröffentlicht unter www.ccbe.eu und<br />

www.rechtsanwaelte.at<br />

2) Siehe etwa Spanien und Portugal in Dal (Hrsg), Le Secret Professionel<br />

de l’avocat dans la jurisprudence Européenne – Legal professional<br />

privilege and European Case Law [Larcier 2010], eine aus Anlass<br />

des 50-jährigen Bestehens des CCBE veröffentlichte Zusammenstellung<br />

der Rechtslage zum anwaltlichen Berufsgeheimnis in 20 Mitgliedsländern<br />

der EU einschließlich der Schweiz.<br />

3) EuGH 18. 5. 1982, C-155/79, AM & S Europe Ltd vs Kommission, Slg<br />

1982, 1575; zum Schutz der Berufsverschwiegenheit in der Rsp des<br />

EGMR unter Art 6 und 8 EMRK s insb Spielmann, Das anwaltliche Berufsgeheimnis<br />

in der Rechtsprechung des EGMR, <strong>AnwBl</strong> 2010, 346<br />

mwN; vgl auch Rosbaud, Zur Durchsuchung einer Anwaltskanzlei<br />

im Kartellverfahren, wbl 2010, 433 mwN.<br />

4) Erwägungsgrund 47 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott<br />

vom 29. 4. 2010 zu Rs C-550/07 P.<br />

5) § 9 RAO; Art 2.3. der Berufsregeln der Europäischen Rechtsanwälte<br />

(CCBE Code of Conduct).<br />

56<br />

„Legal Professional Privilege“ vs Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />

Autorin: RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>02</strong>

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