AnwBl_2013-02 43..98 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Abhandlungen<br />
im Einzelfall nicht kongruent beantwortet werden mag,<br />
ist, welche Wirkungen eine rechtsgeschäftliche Entbindung<br />
des Mandanten in ihrer Querverbindung auf die<br />
jeweils zugunsten des Rechtsanwaltes bestehenden verfahrensrechtlichen<br />
Schutzmaßnahmen für das Berufsgeheimnis<br />
hat. Dies betrifft etwa das Zeugnisverweigerungsrecht<br />
in Verfahren, oder als im Ergebnis weitere<br />
Ausprägung desselben, die Einsichtnahme- bzw Beschlagnahmefreiheit<br />
von Urkunden.<br />
Soweit diesbezüglich unter Hinweis auf älteres<br />
Schrifttum in Österreich die Auffassung vertreten wird,<br />
dass eine gültige Entbindung das Recht des Rechtsanwaltes<br />
auf Aussageverweigerung beseitige, 22) ist dieser<br />
Ansicht für Österreich entgegenzutreten:<br />
Das nach der österreichischen Rechtsordnung einem<br />
Rechtsanwalt gesetzlich eingeräumte allgemeine Aussageverweigerungsrecht<br />
darüber, was ihm in dieser seiner<br />
Eigenschaft „anvertraut“ (§ 321 Abs 1 Z 4 ZPO) oder,<br />
noch weitergehend, „bekannt“ (§ 157 Abs 1 Z 2 StPO)<br />
wurde, ist nicht durch eine negative Tatbestandsvoraussetzung<br />
des Fehlens einer (vertraglichen) Entbindung<br />
beschränkt. Wenn, soweit ersichtlich, einzig<br />
§ 321 Abs 1 Z 3 ZPO, der das allgemeine Zeugnisverweigerungsrecht<br />
für alle „staatlich anerkannten“ Verschwiegenheitspflichten<br />
regelt, einen Hinweis auf eine<br />
Entbindungsmöglichkeit enthält, ist dies einerseits<br />
nur die Klarstellung, dass das Entschlagungsrecht jedenfalls<br />
in Anspruch genommen werden darf, „solange<br />
hievon nicht gültig entbunden wurde“. Andererseits wird<br />
§ 321 Abs 1 Z 3 ZPO durch den insoweit weiteren<br />
Schutzumfang der lex specialis des § 9 RAO einschließlich<br />
des dort normierten Umgehungsverbotes überlagert.<br />
23) Ändert eine rechtsgeschäftliche Entbindung, zivilrechtliche<br />
Gültigkeit unterstellt, iS der gefestigten<br />
Rsp und Standesauffassung nichts an der weiter bestehenden<br />
und auch disziplinär sanktionierten berufsrechtlichen<br />
eigenen Prüfpflicht des Anwaltes, ob der<br />
Mandant im Falle der Geheimnispreisgabe ins Gewicht<br />
fallende Nachteile erleiden könnte, deren dieser sich<br />
nicht ohne weiteres bewusst sein mag, und folgt daraus,<br />
dass gegebenenfalls die Aussage auch gegen den Willen<br />
des Mandanten zu verweigern ist, 24) brächte ein Wegfall<br />
des Zeugnisentschlagungsrechtes auf der verfahrensrechtlichen<br />
Seite den Anwalt in ein unauflösliches Dilemma.<br />
Art 6 und 8 EMRK ebenso wie das in § 9 Abs 3<br />
RAO normierte direkte und indirekte Umgehungsverbot<br />
verbieten es, das dem Rechtsanwalt aus übergeordneten<br />
Rechtsstaatlichkeitsinteressen eingeräumte eigene<br />
Zeugnisverweigerungsrecht qua Entbindung durch den<br />
Mandanten zu unterlaufen und auszuhebeln. Der Anwalt<br />
darf zwar im Falle einer gültigen Entbindung nach<br />
Maßgabe des Ergebnisses seiner eigenen Prüfung nach<br />
§ 9 RAO uU als Zeuge aussagen, er kann aber im Hinblick<br />
auf seine dennoch bestehende Schweigepflicht<br />
nicht dazu verhalten werden. Daraus folgt weiters, dass<br />
weder die Weigerung des Mandanten zu entbinden,<br />
noch die Berufung des Anwaltes auf sein Aussageverweigerungsrecht<br />
trotz einer ins Treffen geführten Entbindung<br />
Gegenstand einer nachteiligen Beweiswürdigung<br />
sein darf. 25)<br />
3. Ad „Legal Professional Privilege“ (LLP)<br />
a) Allgemein<br />
Das LLP hingegen ist ein im common law infolge der<br />
verfahrensrechtlichen Disclosure-Besonderheiten aus<br />
einer privilegierten Beweisregel entwickeltes, sohin im<br />
Verfahrensrecht verortetes Vertraulichkeitsschutzkonzept,<br />
wonach bestimmte Dokumente und Unterlagen, die<br />
Kommunikation zwischen dem Anwalt und seinem<br />
Mandanten enthalten, unter bestimmten Voraussetzungen<br />
nicht vor- und offengelegt werden müssen.<br />
Hintergrund ist derselbe Schutzgedanke, der auch<br />
dem „secret professionel“-Konzept zugrundeliegt: Zugang<br />
zu Rechtsrat und Verteidigung in Verfahren muss<br />
jedermann unbeeinflusst und frei von Sorge darüber<br />
möglich sein, dass das, was mit dem Rechtsanwalt ausgetauscht<br />
wird, jemals zum Nachteil in einem Verfahren<br />
gegen ihn verwendet werden könnte:<br />
„The rationale underlying LLP is the fundamental<br />
requirement that a man should not be inhibited in speaking<br />
freely and frankly to his lawyer by concern that<br />
what he says may subsequently be disclosed to his prejudice.“<br />
26)<br />
Das Recht, LLP in Anspruch zu nehmen, ist ein absolutes<br />
Recht 27) und ein Recht des Klienten:<br />
22) Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte (2010) 51 unter<br />
Hinweis auf Harbich, <strong>AnwBl</strong> 1983, 677; die als Beleg für diese Ansicht<br />
zitierte E der OBDK 14. 10. 1991, Bkd 92/89 <strong>AnwBl</strong> 1993,<br />
429 (Anm Strigl) trägt eine solche Schlussfolgerung nicht. Im Gegenteil<br />
wurde die potenziell die Gefahr eines Finanzstrafverfahrens für<br />
den ehemaligen Klienten begründende Zeugenaussage des Anwaltes<br />
trotz einer behaupteten konkludenten Entbindung unter Hinweis auf<br />
das absolut zu schützende Vertrauen des Klienten als Disziplinarvergehen<br />
der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes und<br />
der Berufspflichtenverletzung beurteilt; Strigl verweist darauf, dass<br />
eine Entbindung überhaupt nur für „anvertraute“ Angelegenheiten,<br />
nicht aber für sonst in der Eigenschaft als Rechtsanwalt bekannt geworden<br />
der Verschwiegenheitspflicht unterliegende, Tatsachen in<br />
Frage komme.<br />
23) Siehe Schur, aaO 258 mwN.<br />
24) Prochaska-Marchried, aaO 138; Bkd 92/83 <strong>AnwBl</strong> 1993, 429 (Anm<br />
Strigl).<br />
25) Siehe auch Prochaska-Marchried, aaO FN 24.<br />
26) Lord Philips in Re v McE (2009) UHKL 15; UK Länderbericht in Dal<br />
(Hrsg), aaO 201.<br />
27) Vgl Lord Scott in Three Rivers District Council v Governor and the<br />
Bank of England (No 5): „. . . if a communication or document qualifies<br />
for legal professional privilege, the privilege is absolute. It cannot<br />
be overridden by some supposedly greater public interest. It can<br />
be waived by the person, the client entitled to it and it can be overridden<br />
by statute . . . but it is otherwise absolute . . . . Certainly in<br />
this country legal professional privilege, it is attracted by a particular<br />
communication between lawyer and client or attached to a particular<br />
document, cannot be set aside on the ground that some other<br />
Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>02</strong><br />
„Legal Professional Privilege“ vs Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />
Autorin: RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien<br />
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