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AnwBl_2013-02 43..98 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

ischen Union beim Schutz des Anwaltsgeheimnisses<br />

übereinstimmen oder divergieren und worauf Unterschiede<br />

beruhen. 6) Diese Evaluierung ist noch nicht abgeschlossen.<br />

Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache<br />

„Akzo Nobel“ 7) betrifft im Zusammenhang mit einem<br />

spezifischen unionsrechtlichen Verfahren, dem europäischen<br />

Kartellverfahren, den bei Hausdurchsuchungen<br />

(Nachprüfungen) durch Kartellbehörden praxisbedeutsamen<br />

Teilbereich der Abgrenzung beschlagnahmeimmuner<br />

Unterlagen, die iwS auf Kommunikation zwischen<br />

Rechtsanwalt und Mandanten zurückgehen und<br />

sich in der Gewahrsame des durchsuchten Unternehmens<br />

befinden. Der EuGH nimmt rund 30 Jahre nach<br />

seiner Grundsatzentscheidung in der Rechtssache<br />

AM&S 8) wesentliche Klarstellungen zum persönlichen<br />

Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Schutzes der<br />

Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und seinem<br />

Mandanten vor. Der Gerichtshof bestätigt den schon<br />

in der AM&S-Entscheidung festgehaltenen Grundsatz,<br />

dass die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen<br />

Rechtsanwalt und Mandant auf der Ebene der Europäischen<br />

Gemeinschaft geschützt werden muss. Dies,<br />

wenn die vom EuGH geforderten zwei kumulativen<br />

Kriterien vorliegen, dass nämlich der Schriftwechsel<br />

mit dem Rechtsanwalt zum einen mit der Ausübung<br />

des „Rechts des Mandanten auf Verteidigung“ in Zusammenhang<br />

stehen und es sich zum anderen um einen<br />

Schriftwechsel handeln muss, der von unabhängigen<br />

Rechtsanwälten ausgeht, die nicht durch einen Dienstvertrag<br />

an den Mandanten gebunden sind. 9) Auf unternehmensinternen<br />

Schriftverkehr von angestellten<br />

Unternehmensjuristen (inhouse counsel, Syndikusanwälte),<br />

seien diese auch, wie dies nach der Rechtsordnung<br />

einiger Mitgliedstaaten der Union möglich ist,<br />

Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, mit der Geschäftsführung<br />

des Unternehmens, dessen Dienstnehmer<br />

sie sind, erstreckt sich der unionsrechtliche Anwaltskommunikationsschutz<br />

nicht. 10)<br />

Ausgehend von den an den EuGH in den Rechtssachen<br />

AM&S und Akzo Nobel jeweils aus dem Vereinigten<br />

Königreich herangetragenen Sachverhalten hat<br />

in Bezug auf die Beschlagnahmeimmunität von Dokumenten<br />

der Vertraulichkeitsschutz gemäß dem common-law-Konzept<br />

des „Legal Professional Privilege“<br />

Eingang in den unionsrechtlichen Schutz der anwaltlichen<br />

Verschwiegenheit gefunden. Gegenstand der<br />

folgenden Überlegungen soll nicht die in der Literatur<br />

überwiegend diskutierte, vom EuGH verneinte<br />

Erstreckung des Berufsgeheimnisschutzes materiae<br />

personae auf Syndikusanwälte 11) sein, sondern mit einem<br />

Blick auf die näheren Konturen eines eventuellen<br />

„acquis communautaire des Berufsgeheimnisschutzes“<br />

die Frage nach Folgerungen für den Schutz der<br />

anwaltlichen Verschwiegenheit nach österreichischem<br />

Recht.<br />

II. „Legal Professional Privilege“/<br />

anwaltliches Berufsgeheimnis<br />

1. Vorbemerkung<br />

Wie Hellwig frühzeitig analysiert hat, 12) geht hinsichtlich<br />

der Grundlagen der Berufsrechte und -pflichten<br />

der Rechtsanwälte der englische Rechtskreis von einer<br />

fundamental unterschiedlichen Position gegenüber jener<br />

des romanischen Rechtskreises, aber auch des deutschen<br />

und österreichischen Rechts aus. Während das<br />

englische Recht in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht<br />

entscheidend auf die vertraglich disponible Basis<br />

des Mandatsvertrags abstellt und nicht zuletzt deshalb<br />

Einschränkungen durch den Gesetzgeber in Form<br />

von Meldepflichten oder Melderechten der Anwälte liberaler<br />

gesehen werden, steht in den kontinentaleuropäischen<br />

Rechtsordnungen die spezifische institutionelle<br />

Funktion des Anwaltes als Garant des Rechtsstaates<br />

und „Mitgestalter der Rechtspflege“ 13) im Vordergrund,<br />

und daraus resultierend, eine Verortung der<br />

Pflicht – mit daraus resultierenden Rechten – beim An-<br />

6) Siehe dazu in Dal (Hrsg), Le Secret Professionel de l’avocat dans la<br />

jurisprudence Européenne – Legal professional privilege and European<br />

Case Law [Larcier 2010], die aus Anlass des 50-jährigen Bestehens<br />

des CCBE veröffentlichte Zusammenstellung der Rechtslage in<br />

20 Mitgliedsländern der EU einschließlich der Schweiz.<br />

7) EuGH 14. 9. 2010, C-550/07 p ÖKZ 2011, 43 = d<strong>AnwBl</strong> 2010, 796.<br />

8) Siehe FN 4.<br />

9) Erwägungsgründe 40 und 41 des Urteils FN 7; s auch Erwägungsgründe<br />

54 ff der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom<br />

29. 4. 2010.<br />

10) Siehe Erwägungsgrund 57 des Urteils in FN 7: Der formale Akt der<br />

Zulassung eines unternehmensangehörigen Juristen als Rechtsanwalt<br />

und die standesrechtlichen Bindungen, die für diesen aus dieser<br />

Zulassung folgen, würden nichts an der wirtschaftlichen Abhängigkeit<br />

und an der persönlichen Identifizierung des in einem Beschäftigungsverhältnis<br />

stehenden Anwaltes mit seinem Unternehmen ändern.<br />

Die Nichterstreckung des persönlichen Anwendungsbereiches<br />

des Berufsgeheimnisschutzes auf angestellte Unternehmensjuristen<br />

ist in Österreich im Hinblick auf § 21 g RAO und § 5 RL-BA anders<br />

als in Ländern, nach deren System Rechtsanwälte, freilich stets unter<br />

eingeschränkten Bedingungen, ein Dienstverhältnis mit einem Klienten<br />

eingehen dürfen, bislang nicht kontroversiell diskutiert. Dem vermittelnden<br />

Kompromissvorschlag des CCBE (Rat der Europäischen<br />

Anwaltschaften), die Beurteilung des Vertraulichkeitsschutzes nach<br />

dem jeweiligen Recht des zugelassenen Rechtsanwaltes auszurichten,<br />

soweit eine nationale Rechtsordnung eben Syndikusanwälte zulässt,<br />

folgte der Gerichtshof nicht; s dazu auch Saupe, Der Fall Akzo<br />

Nobel – ein EuG-Urteil zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, <strong>AnwBl</strong><br />

2007, 512; Marx, Der EuGH und das Berufsgeheimnis der Syndici,<br />

d<strong>AnwBl</strong> 4/2010, VI.<br />

11) Zu Fragen der persönlichen Reichweite des „Anwaltsprivilegs“ infolge<br />

des Urteiles Akzo Nobel des EuGH s etwa Schnichels/Resch, Das Anwaltsprivileg<br />

im europäischen Kontext, EuZW 2011, 47 mwN;<br />

Gruber, Das „Anwaltsprivileg“ im Wettbewerbsrecht, ÖZK 2010,<br />

103; Hummer, Akzo: Keine wirkliche Erweiterung des Anwaltsprivilegs,<br />

ecolex 2007, 871.<br />

12) Hellwig, Unterschiede der nationalen Berufsrechte, <strong>AnwBl</strong><br />

20<strong>02</strong>,190 ff, 194 ff.<br />

13) Erwägungsgrund 48 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott<br />

vom 29. 4. 2010, C-550/07 P.<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>02</strong><br />

„Legal Professional Privilege“ vs Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />

Autorin: RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien<br />

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