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AnwBl_2013-02 43..98 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

unbeteiligten Dritten und anderen Klienten abzusichern.<br />

55)<br />

Ein objektiv zunächst begründbarer Mittäter-Verdacht<br />

gegen den Anwalt, weswegen eine Hausdurchsuchung<br />

in einer Anwaltskanzlei zulässigerweise angeordnet<br />

werden kann, kann sich als unbegründet erweisen;<br />

die Erteilung von Rechtsrat im Zusammenhang mit<br />

Fragen oder Sachverhalten, die später Gegenstand behördlicher<br />

oder gerichtlicher Untersuchungen werden,<br />

darf für sich genommen noch nicht eine Beitragstäterschaft<br />

des Anwaltes begründen. Es ist sorgsam abzugrenzen,<br />

dass durch ein Unter-Verdacht-Stellen eines<br />

Rechtsanwalts durch Ermittlungsbehörden weder in einem<br />

Verfahren nach europäischem Recht noch in einem<br />

Verfahren nach nationalem Recht letztlich unumkehrbare<br />

Eingriffe in den Grundrechtekern des Berufsgeheimnisschutzes<br />

oder Umgehungen desselben stattfinden.<br />

Jegliche Einschränkung erfordert zwingend<br />

eindeutige, klare, vorhersehbare gesetzliche Sicherstellungsmechanismen<br />

unter Beiziehung unabhängiger<br />

Geheimnisschutzzeugen mit gerichtlicher Nachprüfbarkeit<br />

und mit entsprechenden Beweisverwertungsverboten<br />

im Falle eines unzulässigen Eingriffs.<br />

IV. Folgen der Akzo Nobel-<br />

Entscheidung?<br />

Da die – grundlegenden – Aussagen des EuGH in der<br />

Rechtssache Akzo Nobel zu Nachprüfungsbefugnissen<br />

der Kommission im Konflikt mit dem anwaltlichen<br />

Vertraulichkeitsschutz das spezifische unionsrechtliche<br />

Kartellverfahren betreffen, ergibt sich wegen des<br />

Grundsatzes der nationalen Verfahrensautonomie<br />

mangels einer einschlägigen Unionsregelung keine unmittelbare<br />

rechtliche Folgewirkung für das nationale<br />

Kartellverfahren. Auch nicht, darüber hinausgehend,<br />

für das nationale Recht betreffend den Schutz des Berufsgeheimnisses.<br />

Der EuGH weist ausdrücklich darauf<br />

hin, dass der Vollzug des Wettbewerbsrechtes der<br />

Union und das nationale Kartellrecht unter unterschiedlichen<br />

Aspekten beurteilt würden, sodass die Regelungen<br />

betreffend den Schutz der Vertraulichkeit der<br />

Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant nach<br />

Maßgabe dieser Zuständigkeitsverteilung und der für<br />

den jeweiligen Bereich geltenden Regelungen Unterschiede<br />

aufweisen. 56) Unterschiede, zu welchen sich die<br />

betroffenen Unternehmen nach Auffassung des EuGH<br />

„nach Maßgabe der Zuständigkeiten dieser Behörden und<br />

ihrer konkreten Befugnisse hinsichtlich der Beschlagnahme<br />

von Unterlagen sachgerecht orientieren“ könnten, sodass<br />

der Grundsatz der Rechtssicherheit es nicht gebiete,<br />

auf die beiden parallelen Verfahrensschienen in Bezug<br />

auf die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen<br />

Rechtsanwalt und Mandant die gleichen Kriterien anzuwenden.<br />

57)<br />

Freilich löst diese aus Sicht des Unionsrechtes korrekte,<br />

dem Subsidiaritätsprinzip und der nationalen<br />

Verfahrensautonomie entsprechende Abgrenzung, die<br />

den Ball für den nationalen Verschwiegenheitsschutz<br />

zurück ins nationale Recht spielt, nicht die aus innerstaatlichem<br />

Verfassungsrecht und der Grundrechteüberlagerung<br />

folgende Frage, inwieweit bei einem im<br />

Wesentlichen mit dem Unionsrecht identischen materiellen<br />

Sach-(Kartell-)recht eine Schutzdivergenz, insbesondere<br />

eine allfällige Unterschreitung im Schutzniveau,<br />

Bestand haben kann. Nationale Schutzkonzepte<br />

haben Konvergenzprobleme aus Sicht des Grundrechterahmens<br />

zu lösen.<br />

In Bezug auf die verfahrensrechtliche Absicherung<br />

des Berufsgeheimnisses ist für Österreich allgemein anzumerken,<br />

dass zwar grundsätzlich „Deckungsgleichheit“<br />

zwischen der Verschwiegenheitspflicht des § 9<br />

RAO und der verfahrensrechtlich korrespondierenden<br />

Absicherung des Aussageverweigerungsrechtes (– und<br />

den weiteren, davon abgeleiteten Aspekten wie die Beschlagnahmeimmunität<br />

–) besteht, 58) sich jedoch bedingt<br />

durch unterschiedliche historische Entwicklung<br />

und Besonderheiten der einzelnen Verfahrensordnungen<br />

das grundsätzlich insgesamt hohe Schutzniveau<br />

als ein Puzzle unterschiedlich formulierter, nach dem<br />

jeweiligen Wortlaut der Formulierung möglicherweise<br />

unterschiedlich weit reichender, insoweit auslegungsund<br />

analogiebedürftiger Regeln darstellt. 59)<br />

Im österreichischen Kartellverfahren zeigen sich in<br />

Bezug auf Beschlagnahmesicherheitsschutzmechanismen<br />

und generell in Bezug auf den Schutz des Berufsgeheimnisses<br />

Defizite: Sowohl im KartG als auch im<br />

WettbG fehlen eindeutige Vorschriften, wie dem Erfordernis<br />

des Schutzes der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />

Rechnung zu tragen ist; auch Vorschriften, welche<br />

zumindest das LLP iS der Rsp der EuGH sichern.<br />

Hinzu kommt, dass zwei verschiedene Verfahrensordnungen<br />

zu beachten sind: das Verfahren außer Streitsachen,<br />

soweit unmittelbar der Anwendungsbereich des<br />

KartG betroffen ist (§ 38 KartG), und (eingeschränkt)<br />

das AVG für Ermittlungen der Kartellbehörde (§ 11<br />

Abs 2 WettbG). Es fehlt in § 12 WettbG für die Hausdurchsuchung<br />

in den Räumen einer Anwaltskanzlei<br />

eine ausdrückliche § 121 Abs 2 StPO korrespondierende<br />

Regelung, wonach bei einer solchen Durchsuchung<br />

in den der Berufsausübung gewidmeten Räumen<br />

von Amts wegen ein Vertreter der Rechtsanwaltskammer<br />

beizuziehen ist. § 12 WettbG verweist in Abs 4<br />

nur auf einzelne, seit der Strafprozessreform 2004<br />

überdies nicht mehr in Geltung stehende Bestimmun-<br />

55) Vgl EGMR in Petri Sallinen/Finland; Iliya Stefanov/Bulgarien.<br />

56) Erwägungsgründe 1<strong>02</strong> f Urteil EuGH 14. 9. 2010, C-550/07 P.<br />

57) Erwägungsgründe 104 f Urteil EuGH 14. 9. 2010, C-550/07 P.<br />

58) Siehe dazu ausf Prochaska-Marchried, aaO 138.<br />

59) Ähnlich Schur, aaO.<br />

64<br />

„Legal Professional Privilege“ vs Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />

Autorin: RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>02</strong>

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