AnwBl_2013-02 43..98 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Abhandlungen<br />
„The principle that runs through all [the authorities]<br />
is that a man must be able to consult his lawyer in confidence,<br />
since otherwise he might hold back half the<br />
truth. The client must be sure that what he tells the lawyer<br />
in confidence will never be revealed without his<br />
consent. Legal professional privilege is thus much more<br />
than an ordinary rule of evidence, limited in its application<br />
to the facts of a particular case. It is a fundamental<br />
condition on which the administration of justice as a<br />
whole rests.“ 28)<br />
Da LLP ein Mandantenrecht bezogen auf bestimmte,<br />
sich für LLP qualifizierende Dokumente<br />
oder äquivalente Unterlagen für Zwecke der Rechtsberatung<br />
oder der Vertretung in Verfahren ist (- weswegen<br />
anstelle der sich in der deutschsprachigen Literatur<br />
für LLP-Fälle einbürgernden Bezeichnung<br />
„Anwaltsprivileg“ eher der Begriff „Urkundenprivileg“<br />
angebracht wäre –), folgt daraus auch, dass ein<br />
Dokument nicht allein deshalb geschützt bzw „privilegiert“<br />
ist, weil es irgendwann in die Gewahrsame<br />
eines Anwaltes oder diesem zur Kenntnis gelangt 29)<br />
und auch nicht geschützt ist, wenn es ursprünglich<br />
ohne jeden Bezug auf ein Verfahren erstellt wurde,<br />
aber später einem Anwalt für Zwecke eines Verfahrens<br />
ausgehändigt wird. 30)<br />
Unter dem Oberbegriff LLP werden zwei Unterkategorien<br />
unterschieden: Einerseits das „legal advice privilege“,<br />
welches im Wesentlichen die Kommunikation<br />
zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten im Zusammenhang<br />
mit der Anfrage um Erteilung von<br />
Rechtsrat schützt, und andererseits das „litigation privilege“,<br />
welches in einem gewissen weiteren Umfang Dokumente<br />
im Zusammenhang für eine Beweisführung in<br />
Verfahren (nach gewissen Kriterien, einschließlich solcher,<br />
die nicht von einem Anwalt verfasst werden) von<br />
der Offenlegungspflicht immunisiert. Grundsätzlich ist<br />
ein Dokument, das einmal für LLP „privilegiert“ ist,<br />
immer geschützt; das LLP erstreckt sich sodann nicht<br />
nur auf das ursprünglich ins Auge gefasste, sondern<br />
auch auf andere Verfahren. 31) Dies mit der – sehr –<br />
maßgeblichen Einschränkungswirkung eines Verzichtes<br />
des Mandanten.<br />
Angesichts des aus Beweisregeln unter den Aspekten<br />
des notwendigen Schutzes vertraulichen Rechtsrates<br />
und der Rechtsverteidigung im Verfahren nach dem<br />
common law Richterrecht entwickelten LLP besteht<br />
umfangreiches, für einen Rechtsanwalt aus einem<br />
Blickwinkel eines kontinentalen, insbesondere des<br />
österreichischen Berufsgeheimnisschutzes möglicherweise<br />
überraschendes case-law dazu, welche Art von Urkunden<br />
unter welchen Umständen, in bzw ab welchem<br />
Zeitraum, für welche Verfahren unter welchem Personenkreis<br />
solcherart „privilegiert“ sind und welche Prüfschritte<br />
einzuhalten sind, um letztlich die Qualifikation<br />
einer Urkunde für das LLP – und damit deren Nichtoffenlegung<br />
– durch eine gerichtliche Entscheidung<br />
herbeizuführen, ohne dass zuvor durch unbefugte Einsicht<br />
oder Beschlagnahme der Schutzzweck des LLP<br />
vereitelt wird. Relevant ist der Zusammenhang der Erstellung<br />
des Dokuments in Verbindung mit rechtlichem<br />
Rat zur Ausübung der Rechteverteidigung im<br />
Gegensatz zu sonstigen Dokumenten allgemein geschäftlicher<br />
oder strategischer Natur; von Bedeutung<br />
ist auch, wer aller Anwalt ist, (noch) dem Kreis des Anwaltes<br />
oder Klienten zuzuordnen oder einem Klienten<br />
gleichzustellen ist. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben<br />
sich, wenn etwa ein Dokument für mehrere verschiedene<br />
Zwecke, einschließlich solcher, auf welche<br />
sich das LLP nicht erstreckt, erstellt wurde oder wenn<br />
fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt fairerweise ein letztlich<br />
zu LLP führender Zweck festgestellt werden<br />
kann. 32) Abzugrenzen ist, inwieweit Korrespondenz<br />
zwischen mehreren Verfahrensparteien untereinander<br />
schutzfähig ist.<br />
Das LLP als absolutes Recht des Klienten kennt nur<br />
wenige Ausnahmen: Einerseits den (vertraglichen) Verzicht<br />
(waiver) des Mandanten – ein in seiner Reichweite<br />
sehr bedeutsamer Unterschied gegenüber Systemen<br />
des kontinentalen Berufsgeheimnisses einschließlich<br />
der österreichischen Auffassung. Da das LLP ein Recht<br />
des Mandanten und dieser der Herr seines Vertraulichkeitsschutzes<br />
mit Verzichtmöglichkeit ist, mag dieser in<br />
bestimmten Konstellationen umgekehrt auch eine vertragliche<br />
Verpflichtung zur Offenlegung haben, welche<br />
auf das LLP negativ durchschlägt. 33) Bis zu einem Verzicht<br />
des Mandanten hat der Rechtsanwalt des englischen<br />
Rechtskreises gleich wie in allen anderen Mitgliedstaaten<br />
die Vertraulichkeit (confidentiality) zu<br />
wahren, soweit ihn nicht eine gesetzliche Berichtspflicht<br />
trifft oder er Melde- oder Berichtsrechte hat. 34)<br />
Verzichtet der Mandant auf sein LLP, kann sich der<br />
higher public interest requires that to be done.“; UK Länderbericht in<br />
Dal (Hrsg), aaO.<br />
28) Lord Taylor C.J in Re v Derby Magistrates’ Court Ex p. B (1996) A.<br />
C.487.<br />
29) Graham v Bogle ([1924) 1 Ir.R.68; Plender, Legal Professional Privilege<br />
in English Law, in Dal (Hrsg), aaO 17 (18).<br />
30) Ventouris v Mountain (1991) 1 W.L.R. 607, CA; Plender, aaO.<br />
31) Allerdings unterliegt zB ein Dokument, welches in einem Schiedsverfahren<br />
herangezogen wurde, sehr wohl der Disclosure-Verpflichtung<br />
in einem späteren Verfahren zwischen anderen Parteien, Shearson<br />
Lehman Hutton Inv v Maclaine Watson & Co Ltd (No 3) (1998) 1<br />
W.L.R. 946; Plender, aaO.<br />
32) Plender in Dal (Hrsg), aaO 22.<br />
33) Siehe Plender, aaO 19.<br />
34) Hellwig, aaO FN 12 hat auf die praktischen Probleme hingewiesen,<br />
die sich aus einem Konflikt von Schweigepflicht vs Berichtspflichten<br />
nach englischem Recht ergeben können, wenn gleichzeitig beide<br />
Rechtsordnungen anzuwenden sind; zu im österreichischen Recht<br />
nicht bekannten Melderechten und weitergehenden Meldepflichten<br />
des englischen Rechtes, etwa im Zusammenhang mit schwerer Kriminalität<br />
oder Terrorismusverdacht, s auch UK Länderbericht in Dal<br />
(Hrsg), 205.<br />
60<br />
„Legal Professional Privilege“ vs Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit<br />
Autorin: RA Dr. Marcella Prunbauer-Glaser, Wien<br />
Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>02</strong>