Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
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ORGANISIERTE KRIMINALITÄT<br />
misst: Im Drogenkrieg stehen sich das mexikanische Militär, unterstützt von<br />
der Bundespolizei, und diverse Drogenhandelsorganisationen gegenüber.<br />
Letztere liefern sich auch untereinander Gefechte um Handelsrouten und Gebiete.<br />
Beinahe täglich berichtet die Presse von neuem über Verbrechen und<br />
Korruption während die Wellen der Gewalt das Land unaufhaltsam überrollen.<br />
Mit Enthauptungen und Folter versuchen die Gruppen der Organisierten<br />
Kriminalität ihre Machtansprüche deutlich zu machen – je blutiger, desto<br />
besser. Diese Strategie der Einschüchterung feindlicher Kartelle und der Presse,<br />
der Einflussnahme auf die Zivilbevölkerung und nicht zuletzt auch auf den<br />
Staat scheint zu fruchten. Journalisten üben Selbstzensur, und zivilgesellschaftliches<br />
Engagement endet unter Umständen mit dem Tod. Allerdings<br />
eröffnet sich in zunehmend eine neue Dimension in dem gewaltsamen Konflikt.<br />
Denn über traditionelle Formen der Konfliktaustragung hinaus erweitern<br />
die Beteiligten ihre Auseinandersetzungen nun auch in den <strong>Cyber</strong>space.<br />
Ganz neu ist diese Entwicklung nicht: Bereits seit Jahren spielen die<br />
»Neuen Medien« eine Rolle im mexikanischen Konfliktgeschehen. Drogenhandelsorganisationen<br />
zeichnen ihre Gewaltakte auf, stellen sie in Internetportale<br />
oder schicken die Videos direkt an die einschlägigen Fernsehsender<br />
Journalisten üben Selbstzensur<br />
und zivilgesellschaftliches<br />
Engagement endet unter Umständen<br />
mit dem Tod.<br />
Mexikos. »An Schaurigkeit kaum zu überbieten« sind solche Aufzeichnungen,<br />
so Politikwissenschaftler Karl-Dieter Hoffmann, der als Geschäftsführer<br />
des Zentralinstituts für Lateinamerikastudien bereits seit Jahren zum mexikanischen<br />
Konfliktgeschehen forscht.<br />
Neben Brasilien und Honduras ist Mexiko das Land mit der eingeschränktesten<br />
Pressefreiheit in Lateinamerika. Die kunstvollen Verflechtungen zwischen<br />
Medien, Politik und Gesetzgebung, das oft tödliche Wechselspiel zwischen<br />
Transparenz und Methoden der Zensur und Selbstzensur erschweren<br />
eine neutrale Berichterstattung und Analyse. »Wenn du über Chapo Guzmán<br />
[Anführer des Sinaloa-Kartells, d. Red.] schreibst, passiert dir nicht viel. Aber<br />
wenn du darüber schreibst, wie er die Polizeichefs kauft und offiziellen<br />
Schutz erhält, werden sie dich töten!«, beschreibt etwa die Journalistin Marta<br />
Durán die Lage. Mexikos Drogenkartelle hatten schon häufig Zeitungsredaktionen<br />
angegriffen und Reporter bedroht, entführt oder getötet. Die durch<br />
Selbstzensur entstandene Lücke in der Berichterstattung wird zunehmend<br />
durch Blogs gefüllt. Diese können aus der Anonymität heraus betrieben werden<br />
und sind so vor Vergeltungsmaßnahmen sicher. Die damit einhergehende<br />
Freiheit wurde zum Beispiel im international bekannten Blog del Narco<br />
genutzt, um schonungslos über die Verbrechen der Kartelle zu berichten.<br />
Allerdings ist Anonymität im Netz keine simple Angelegenheit. Die Fehlerquellen<br />
sind zahlreich und das technische Verständnis dafür hat nicht jeder.<br />
Dies wurde im November 2011 drei Foristen zum Verhängnis. Das für<br />
seine Brutalität bekannte mexikanische Drogenkartell Los Zetas ging als eine<br />
der ersten Gruppen des organisierten Verbrechens gezielt gegen Internet-<br />
Nutzer vor. Ziel der Aktion war es, die Berichterstattung im Netz zu kontrollieren.<br />
Mindestens drei Nutzer des Chatrooms »Nuevo Laredo en Vivo«, in<br />
dem sich Kommentare zu den Umtrieben der Zetas und anderer Kartelle in<br />
der Stadt Nuevo Laredo finden, wurden ermordet und die Opfer zur Warnung<br />
an einer Brücke aufgehängt. Die Botschaft des Kartells am Tatort war eindeutig:<br />
»Das hier droht allen Internet-Wichtigtuern.«<br />
Der Versuch von Akteuren, Diskurs und Kommunikation zu kontrollieren,<br />
findet überall statt. Aber Mexiko sticht heraus durch die Brutalität und Vehemenz<br />
mit der Informationen buchstäblich aufgelöst werden. Was sich in Nuevo<br />
Laredo ereignete, ist im Grunde genommen ein Frontalangriff auf die<br />
Öffentlichkeit. Diese bleibt trotz gestiegenen Sicherheitsbewusstseins der<br />
Internetnutzer und Warnungen, keine persönlichen Informationen preiszugeben,<br />
höchst verwundbar. Der Informationspfad über Cookies, Server-<br />
Adressen, Login- und Kontoinformationen ist leicht sichtbar zu machen, und<br />
für die Zetas mit ihrem Geld aus dem Drogenhandel stellt es kein Problem<br />
dar Spuren von Chatteilnehmern zu verfolgen. Von der Utopie des Internet<br />
als Ort, in dem sich Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft organisieren können,<br />
bleibt unter diesen Umständen wenig übrig.<br />
>><br />
ADLAS 1/2013 ISSN 1869-1684 42