Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
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Foto: George Bush Presidential Library<br />
STRATEGISCHE VERTEIDIGUNG<br />
Eine Kooperation der USA mit<br />
Russland im Bereich der<br />
Raketenabwehr wird auch nach<br />
der Wiederwahl von Barack<br />
Obama nur schwer zu<br />
realisieren sein. Zu fest sitzt das<br />
Denken in Dimensionen des<br />
Kalten Krieges in Moskau, zu<br />
sehr hat sich Washington bereits<br />
davon entfernt.<br />
>> Es begann mit einem Lapsus: Unbeabsichtigt<br />
vor offenen Mikrofonen hat US-Präsident Barack<br />
Obama im März 2011 dem russischen Präsidenten<br />
Dmitri Medwedjew ein amerikanisches Entgegenkommen<br />
im Raketenabwehrstreit im Falle seiner<br />
Wiederwahl signalisiert. Seither wird darüber<br />
spekuliert, welche konkreten Schritte Washington<br />
einleiten könnte, um die russischen Sorgen<br />
zu zerstreuen. Warum haben es Washington und<br />
Moskau nicht verstanden, eine Lösung im Bereich<br />
der Raketenabwehr zu finden?<br />
Erklärungen, die auf eine unterschiedliche Gefahrenanalyse<br />
der Kapazitäten des Iran, ein Fortbestehen<br />
der Mentalitäten des Kalten Krieges auf<br />
amerikanischer und russischer Seite oder innenpolitische<br />
Konstellationen eingehen, haben zwar<br />
allesamt ihre Berechtigung. Sie verkennen jedoch,<br />
dass diese Faktoren eher Symptome des bilateralen<br />
Verhältnisses zwischen Moskau und Washington<br />
im weitesten Sinne sind. Beispielsweise ist das<br />
politische Gewicht russischer Generäle oder russischer<br />
Rüstungsunternehmen, die fortwährend auf<br />
eine nukleare »Superwaffe« gegen die europäische<br />
Raketenabwehr drängen, nur durch die antagonistischen<br />
Beziehungen Russlands und Amerikas zueinander<br />
denkbar. Gleiches gilt für die populäre<br />
anti-amerikanische Rhetorik Wladimir Putins, die<br />
es der jetzigen Regierung erlaubt, eine »Belagerungsmentalität«<br />
zu erzeugen, um von der eigenen<br />
Legitimitätsfrage abzulenken.<br />
Die Reaktionen Russlands auf die Fortschritte<br />
der US-Raketenabwehr rühren auch nicht allein<br />
von streng sicherheitspolitischen Überlegungen<br />
her. Zwar befürchtet man bahnbrechende amerikanische<br />
Entwicklungen. Dennoch gibt es einen<br />
Konsens im russischen Militär, nach dem die<br />
amerikanische Raketenabwehr im kommenden<br />
Jahrzehnt keine Gefahr für Russlands nukleare<br />
Zweitschlagfähigkeit darstellen würde.<br />
Zum einen handelt es sich bei dem Verlust der<br />
realen (Verhandlungs-)Macht Russlands um eine<br />
psychologische Herausforderung, die bisher alle<br />
absteigenden Großmächte vor Probleme gestellt<br />
hat. Großbritannien hat sich etwa bis zum Ende<br />
der Suezkrise 1956 geweigert, den postkolonialen<br />
Charakter der Nachkriegswelt einzugestehen. Bei<br />
Frankreich dauerte es sogar bis zum Algerienkrieg<br />
1963. Zum anderen sind »Anerkennung« für<br />
Moskau seitens des Westens und eine historisch<br />
gewachsene Angst vor »Einkreisung« wichtige<br />
Merkmale der russischen Diplomatie. Bereits die<br />
>><br />
VON KOOPERATION ZU KONFRONTATION:<br />
Raketenabwehr und Diplomatie<br />
1990 bis 2000<br />
Dass die Raketenabwehrkontroverse im letzten<br />
Jahrzehnt eine so prominente Stellung erlangen<br />
konnte, war zu Beginn der 1990er keinesfalls<br />
gewiss. George Bush senior und Michail Gorbatschow,<br />
später Bill Clinton und Boris Jelzin,<br />
sprachen gar von einem »globalen Raketenabwehrsystem«,<br />
bei dem die USA und Russland<br />
gemeinsam technologische Entwicklungen vorantreiben<br />
wollten.<br />
Gleichzeitig versuchte Russland bereits, die<br />
von Clinton geförderte und von Moskau als ungefährlich<br />
eingestufte Kurzstreckenabwehr, die<br />
»Theater Missile Defense« (TMD), in ihrem Potential<br />
einzuschränken: Daher auch Moskaus<br />
Zögern, den START-2-Vertrag zu ratifizieren: Die<br />
ADLAS 1/2013 ISSN 1869-1684 51