Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
MORAL<br />
Organisationen beklagten den Rückschlag für die<br />
Bemühungen, Polio auch in Pakistan auszurotten.<br />
Durch die Aktion der CIA sei das Impfprogramm<br />
vollends in Verruf geraten, denn schon<br />
lange ging das Gerücht in Pakistan um, die westlichen<br />
Ärzte seien nicht im Auftrag der Menschlichkeit,<br />
sondern als Handlanger der USA unterwegs.<br />
Neben diesen konkreten Auswirkungen hagelte<br />
es Kritik aber vor allem auf moralischer<br />
Ebene: »Es hätte einen besseren, einen ethischeren<br />
Weg geben müssen«, kommentierte etwa der<br />
britische Guardian. Für Tom Scocca vom Slate<br />
<strong>Magazin</strong>e enthüllte der Skandal »den moralischen<br />
Bankrott der amerikanischen Schlapphüte.«<br />
Der Vorfall von Abbottabad lenkt den Blick auf<br />
das ethische Dilemma, in denen Nachrichtendienste<br />
stecken. Was ist ethisch erlaubt, um an<br />
»Nichts – nicht einmal Menschenleben zu<br />
retten – rechtfertigt Folter«, erklärte die ehemalige<br />
MI5-Chefin dem britischen Oberhaus.<br />
steht das Handeln und die Staatsräson der eigenen<br />
Nation im Mittelpunkt ihrer Weltanschauung.<br />
Sie handeln aber keineswegs komplett<br />
amoralisch – für Realisten ist Handeln im Sinne<br />
des Staates moralisches Handeln. Darauf hatte<br />
schon Thomas Hobbes abgezielt: Herrscher<br />
dürften demnach zur Wahrung der Sicherheit<br />
der Bürger nicht nur Spione aussenden, es wäre<br />
im Gegenteil sogar ein schweres Versäumnis,<br />
dies nicht zu tun! Aus den anderen beiden Perspektiven<br />
dürfte der realistische Ansatz dennoch<br />
unmoralisch sein, kommt doch der<br />
schwammige Begriff des Staatsinteresses einem<br />
– oft missbrauchten – Freibrief gleich.<br />
Konsequentialisten bewerten ihr Handeln –<br />
wie schon der Name verrät – nach dessen Konsequenzen,<br />
so Erskine: »Der richtige Weg zu<br />
handeln ist der, der am meisten Gutes tut.« Informationsgewinnung<br />
ist moralisch gerechtfertigt,<br />
wenn die Ergebnisse zu positiven Entwicklungen<br />
führen; oder anders ausgedrückt: Der<br />
Zweck kann die Mittel heiligen, wenn er denn<br />
wichtig genug ist. Positiv ist dabei aber nicht<br />
nur auf den eigenen Staat bezogen, sondern auf<br />
die Allgemeinheit. Für Michael Herman, ehemals<br />
hochrangiges Mitglied der britischen Intelligence<br />
Community, muss Nachrichtengewinnung<br />
moralisch daran gewertet werden, »ob sie<br />
eine bessere Welt oder eine schlechtere Welt<br />
erzeugt«. Die Logik der Konsequentialisten ist<br />
aber brüchig: was ist »gut«, was »schlecht«? Eine<br />
Frage, die in vielen Kulturräumen dieser Welt<br />
unterschiedlich beantwortet werden dürfte.<br />
ist unklar. Welche Mittel dürfen und sollten die<br />
Ermittler nun anwenden, um von dem Festgenommenen<br />
diese Informationen zu erlangen?<br />
Dramatische Wirklichkeit wurde das Szenario im<br />
September 2002, als Frankfurter Polizisten dem<br />
Kindesentführer Magnus Gäfgen körperliche Gewalt<br />
androhten, sollte er den Aufenthaltsort des<br />
Kindes nicht verraten – zu spät, wie sich herausstellte:<br />
Gäfgen hatte sein Opfer bereits kurz nach<br />
der Entführung ermordet. Die Androhung von<br />
Folter, das machten Gerichte danach aber deutlich,<br />
war auch in diesem Fall eine unmenschliche<br />
Behandlung und ohne Ausnahme verboten.<br />
Nicht immer sind die Fälle so extrem, und selten<br />
eine einzelne Information so offensichtlich<br />
entscheidend, um eine Straftat zu verhindern oder<br />
Leben zu retten. Aber auch weniger einschneiden-<br />
Informationen zu gelangen, von denen vielleicht<br />
hunderte Menschenleben abhängen? Zugespitzt<br />
stellt sich diese Frage besonders deutlich im so<br />
de Maßnahmen – beispielsweise beim »Verwanzen«<br />
von Räumen oder beim Erschleichen von Informationen<br />
– können Rechte anderer verletzen.<br />
genannten »ticking bomb«-Szenario: Darin konnten<br />
Die amerikanische Politikwissenschaftlerin<br />
die Behörden ein Mitglied einer Terrorzelle,<br />
die unmittelbar einen Anschlag plant, festnehmen.<br />
Wo die Gruppe zuschlagen will – wo also<br />
die Bombe tickt und wann sie detonieren soll –<br />
Toni Erskine unterscheidet zwischen drei Herangehensweisen<br />
an das Problem: eine »realistische«,<br />
eine »konsequentialistische« und eine »deontologische«<br />
Sicht der Dinge. Für Realisten<br />
Und selbst wenn es einen allgemein verbindlichen<br />
Gut-und-Böse-Katalog gäbe, so wäre es >><br />
ADLAS 1/2013 ISSN 1869-1684 61