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Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik

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KRIEGSTHEORIE<br />

stellten Report davor, dass die Überwindung der Nichtattribuierung das<br />

größte Hindernis sei, die Anarchie im <strong>Cyber</strong>space zu relativieren.<br />

Die fehlende eindeutige Nachweisbarkeit der Identität eines Angreifers<br />

sowie die ihm inhärente Anonymität stellen auch den Begriff der Kriegsführung<br />

als eine notwendigerweise zielgerichtete und gegenseitige Aktivität in<br />

Frage. Denn entgegen der klassischen Auffassung von Kriegsführung nach<br />

von Clausewitz mangelt es im <strong>Cyber</strong>space an einer unmittelbaren und offensichtlichen<br />

Beziehung zwischen Angreifer und Angegriffenem oder Verteidiger.<br />

Somit weiß nur der Angreifer, dass er einen Angriff ausführte. Das Opfer<br />

kann zwar von einem kriegerischen Akt sprechen, aber keine gezielten<br />

Kriegshandlungen initiieren, da der Angreifer sich stets im Schutz der Anonymität<br />

und Nichtnachweisbarkeit verstecken kann.<br />

Der »kriegerische Akt« verliert<br />

seine Eindeutigkeit.<br />

Die Erfahrungen aus Estland, Georgien und dem Iran verdeutlichen, dass die<br />

angegriffenen Staaten die Attacke erst bemerkten, als diese bereits im Gange<br />

war und die betreffenden Regierungen nicht wussten, ob und wie sie gegen<br />

wen hätten reagieren können. Die unmissverständliche Identifikation eines<br />

Gegners war unmöglich, und das Risiko, lediglich auf Vermutungen und<br />

Wahrscheinlichkeiten basierend, zurückzuschlagen blieb zu hoch. Martin Libicki,<br />

der als Mitglied der RAND Corporation zur <strong>Cyber</strong>kriegsführung forscht,<br />

formulierte trefflich, dass kein größerer Kontrast zwischen der Klarheit einer<br />

nuklearen Explosion und der Doppeldeutigkeit eines <strong>Cyber</strong>-Schlags bestehe.<br />

Die genannten Angriffe bestätigten zwei elementare Eigenschaften des<br />

Sicherheitsdilemmas: die strukturelle Anarchie im <strong>Cyber</strong>space sowie die dreifache<br />

Unsicherheit eigener Interpretationen, Antworten und der eigentlichen<br />

Absichten des Gegners. Man kann sogar argumentieren, dass die Natur des<br />

<strong>Cyber</strong>space mit seiner bisweilen völligen Anonymität und Nicht-Attribuierun<br />

das Sicherheitsdilemma noch verschärft, denn die Machtakkumulation von<br />

Staaten in Form forcierter <strong>Cyber</strong>space-Aktivität ist deutlich schwieriger zu<br />

beweisen als gängige, nachrichtendienstlich auswertbare Indikatoren insbesondere<br />

militärischer Macht. Neben der anzunehmenden Verschärfung stellt<br />

sich somit allerdings auch die Frage, inwiefern das klassische Konzept von<br />

Macht, auf dem das Sicherheitsdilemma basiert, sich eigentlich in eine Welt,<br />

die zunehmend vom <strong>Cyber</strong>space geprägt ist, übertragen lässt.<br />

Anonymität und Anarchie stellen in einer grenzenlosen Sphäre einen bedrohlichen<br />

Paradigmenwechsel dar. Beide Eigenschaften verschärfen das Sicherheitsdilemma<br />

gefährlich. Der <strong>Cyber</strong>space beeinflusst oder verändert sogar<br />

das klassische Verständnis von Macht, da digitale Fähigkeiten konventionelle<br />

Machtsymbole, wie militärisches High-Tech-Gerät durch die Abhängigkeit<br />

zum <strong>Cyber</strong>space, stark einschränken oder nivellieren könnten. Im<br />

schlimmsten Falle könnten <strong>Cyber</strong>attacken als Grund für reelle militärische<br />

Auseinandersetzungen (aus)genutzt werden. Durch die Anonymität und Nicht<br />

-Attribuierung besteht eine große Gefahr, dass unbeteiligte oder unschuldige<br />

Staaten in eine reelle militärische Auseinandersetzung geraten. <br />

Constantin Schüßler hat International <strong>Security</strong> Studies an der University of St.<br />

Andrews studiert und dort seine Masterthese über <strong>Cyber</strong>krieg und das Sicherheitsdilemma<br />

verfasst.<br />

Quellen und Links:<br />

Studie »On <strong>Cyber</strong> Warfare« des Chatham House vom November 2010<br />

Studie »In the Crossfire. Critical Infrastructure in the Age of <strong>Cyber</strong> War« von<br />

McAfee aus dem Jahr 2009<br />

Studie »<strong>Cyber</strong>warfare and its Impact on International <strong>Security</strong>« des United<br />

Nations Office for Disarmament Affairs vom 19. Februar 2009<br />

ADLAS 1/2013 ISSN 1869-1684 48

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