Cyber-Security - Adlas - Magazin für Sicherheitspolitik
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STRATEGISCHE VERTEIDIGUNG<br />
Bezeichnung des russischen Reiches als »Drittes<br />
Rom« in der Zarenzeit war vom Wunsch nach<br />
Status im westlichen Europa geprägt.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass das ehemalige<br />
Imperium sich auf lediglich drei Faktoren<br />
stützt, die den eigens angestrebten Status einer<br />
Großmacht rechtfertigen: erstens der ständige<br />
Sitz im UN-Sicherheitsrat – dessen Relevanz von<br />
den USA in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend<br />
in Frage gestellt wurde –, zweitens der vom<br />
Weltmarkt abhängige Ressourcenreichtum Sibiriens<br />
sowie drittens und nicht zuletzt der Besitz<br />
von Nuklearwaffen. Russland scheint nicht gewillt,<br />
sein strategisches Gleichgewicht gegenüber<br />
den USA zu verlieren, zumal Atomwaffen durch<br />
die Erosion seiner konventionellen Streitkräfte<br />
nach Ende des Kalten Krieges für den Kreml noch<br />
an Bedeutung gewonnen haben.<br />
Ein entscheidender, aber wenig beachteter Grund<br />
für die anhaltenden Spannungen betrifft die unterschiedlichen<br />
strategischen Ziele beider Staaten.<br />
Bei der diesjährigen Raketenabwehrkonferenz<br />
des »Royal United Services Institutes« (RUSI)<br />
wies der amerikanische Nato-Botschafter, Ivo<br />
Daalder, darauf hin, dass »wir nicht im Kalten<br />
Krieg, sondern im 21. Jahrhundert leben. Neue<br />
Die Raketenabwehr verkörpert die unipolare<br />
»Pax Americana« jenseits sämtlicher Verträge.<br />
Zeiten verlangen neue Lösungen.« Demnach messen<br />
die USA dem Verhältnis zu Russland weitaus<br />
weniger Bedeutung bei, als dem Schutz ihres Landes<br />
und dem amerikanischer Verbündeter gegen<br />
neue Bedrohungen. Für Russland bleiben die USA<br />
dagegen der Hauptbezugspunkt der Außenpolitik.<br />
Die Prioritäten Amerikas sind expansiv und global,<br />
diejenigen Russlands hingegen beschränken<br />
sich auf die Sicherung des Status quo der internationalen<br />
Ordnung und (zumindest zunächst) die<br />
Eindämmung der USA im russischen »Hinterhof«<br />
in Osteuropa und Zentralasien.<br />
Ein zweiter politischer »Stolperstein«, der damit<br />
einhergeht, ist die von Amerika dominierte<br />
Weltordnung. Letztlich verkörpert die Raketenabwehr<br />
die unipolare »Pax Americana« jenseits<br />
sämtlicher Verträge und einen besonders Anfang<br />
der 2000er Jahre offen ausgesprochenen Anspruch<br />
auf »absolute Sicherheit«. Wladimir Putin<br />
hat dann auch mehrfach auf das so genannte Sicherheitsdilemma<br />
der internationalen Beziehungen<br />
hingewiesen: Absolute Sicherheit für einen<br />
Staat kann nur mit dem Verlust von Sicherheit<br />
anderer Staaten einhergehen.<br />
Aus seiner Position der Schwäche setzt sich<br />
Russland nun gegen die Erosion der internationa- >><br />
Neuauflage des »Strategic Arms Reduction Treaty«<br />
hätte Russland gezwungen, seine gegen die<br />
amerikanische Raketenabwehr wirksamste Waffe<br />
– landgestützte Langstreckenraketen mit nuklearen<br />
Mehrfachsprengköpfen – zu vernichten.<br />
Ebenfalls parallel hatte die Clinton-<br />
Regierung im »Missile Defense Act« von 1999<br />
bereits festgelegt, dass die USA den Aufbau<br />
einer für Russland problematischen Langstreckenraketenabwehr,<br />
die »National Missile Defense«<br />
(NMD), zum Schutz vor »unbeabsichtigten«<br />
chinesischen und russischen Angriffen und<br />
Attacken von »Schurkenstaaten« frühestmöglich<br />
beginnen sollten. Nach der Kündigung des<br />
ABM-Vertrags 2001 durch die Regierung unter<br />
George W. Bush begann 2004 der Aufbau von<br />
Abfangraketen in Alaska und Kalifornien.<br />
Dennoch war die Reaktion Moskaus auf die<br />
Kündigung des zentralen Waffenkontrollvertrages<br />
des Kalten Krieges gedämpft. Wladimir Putin,<br />
Kremlchef seit 2000, hoffte im Gegenzug<br />
auf eine verhaltene Rhetorik Washingtons in<br />
Bezug auf den russischen Tschetschenien-Krieg<br />
sowie Unterstützung für Russlands Wunsch, der<br />
Welthandelsorganisation beizutreten. Dies sollte<br />
auch eine freundschaftliche Umgangsweise<br />
nach den Terroranschlägen des 11. September<br />
erreichen, als Moskau amerikanischen Militärbasen<br />
in Zentralasien zustimmte und eigene<br />
Militärbasen in Vietnam und Kuba auflöste.<br />
Bereits davor hatte Putin Signale ausgesandt,<br />
die eine dramatische nukleare Abrüstung der<br />
USA und Russlands im Sinne Gorbatschows als<br />
ADLAS 1/2013 ISSN 1869-1684 52